BMW 3er Touring: Alles andere als ein Tapezierer-Kombi

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Nicht Nutzwert, sondern Stilnoten sprechen für den Touring. Das gilt auch für den Sechszylinder.

Der Kombi ist ein interessantes, weil rein europäisches Phänomen. Auf allen anderen großen Automärkten der Welt existiert er praktisch nicht: Es gibt ihn weder in Russland, wo man den Eiseshauch fürchtet, der beim Öffnen der Heckklappe in den exponierten Innenraum fährt, noch in den USA oder Asien, wo sich ja Vans aller Arten tummeln. Bei uns aber hat der Kombi eine steile Karriere von den ersten 1970er-Tapeziererautos zum Lifestyle-Vehikel hingelegt.

Seit der Generation E30, genauer seit 1988, gibt es auch den 3er als Touring, und nie ging es wirklich darum, den Lademeister zu stellen. So auch beim jüngsten Jahrgang: 15 Liter mehr Ladevolumen und zehn Kilogramm mehr Zuladung gegenüber der Limousine, das ist nicht die Welt. Der sportlich zugeschnittene Touring ist auch keinen Millimeter länger oder höher als die Limousine, pflegt im Grunde also den gleichen dynamischen Auftritt, der ja den Appeal des 3er ausmacht. Was an erweitertem Nutzwert bleibt, ist etwas mehr Kopffreiheit im Fond und natürlich der vergrößerte Laderaum, wenn die Rücksitze umgelegt sind. In der Limousine bleibt da nur eine Durchreiche, die zum Verstauen von Fahrrädern nicht hilfreich ist. Neu und segensreich: Die Heckklappe öffnet und schließt elektrisch aus der Ferne.

Größeres tut sich zwischen den beiden derzeit angebotenen Dieselvarianten 320d und 330d auf, nämlich eine kleine Welt.

Eine Art Sport

BMW ist berühmt für seine Sechszylinder, in Reihenbauweise eine Rarität auf dem Markt. Weniger berühmt ist man für Vierzylinderdiesel, die erfüllen bloß ihren primären Zweck, ohne irgendwelchen Enthusiasmus zu entfachen. Im 320d bedeutet das: erstaunlich kräftige Aufwallungen und geringer Verbrauch. Es ist ein Einfaches, mit deutlich unter sieben Liter Sprit auf 100 Kilometer zu verkehren und trotzdem beherzt zu überholen, wann immer es einen gelüstet. Grundsätzlich erzieht der Motor aber zu einer niedertourigen, fast verhaltenen Fahrweise. Der Motor gibt sich eher temperamentlos und braucht schon die Sporen, um seine Trägheit bei niederen Touren zu überwinden. Etwas Linderung verspricht der Fahrerlebnisschalter, der auf Wunsch ein sportlicheres Setting auffährt. Aber das fühlt sich letztlich an wie eine Themaverfehlung, viel lieber justiert man den Eco-Mode, um den Schnittverbrauch noch ein wenig herunterzubekommen, auch eine Art Sport. Keinerlei Kulinarik bietet leider das Akustische, für einen aus der Abteilung Premium läuft er zu rau und zu laut, auch wenn das Geräusch nach innen ganz passabel gedämmt ist. Der 2,0 Liter große Vierzylinder erfüllt mit 184 PS und 380 Newtonmeter bei ehrgeizigen Verbrauchswerten alle Vorgaben des Fachs, enttäuscht aber mit seiner rustikalen Anmutung – es gibt Besseres auf dem Markt, aber genau das hätten wir eigentlich bei BMW gesucht.

Anders im 330d (ab 49.400 Euro). Auf einen einzigen Sechszylinder hat sich das Diesel-Portfolio beim 3er Touring verschlankt, und dieser wird immerhin den allerhöchsten Ansprüchen gerecht. Neben der schieren Kraft mit 258 PS und 560 Newtonmetern sind es der seidige Lauf und die freudvolle Kraftentfaltung, die den Aufenthalt an Bord verzaubern und über die Klasse heben. Die Drehmomentwelle ist so breit angelegt, dass man eigentlich immer im richtigen Gang ist, und falls nicht, hat die serienmäßige Achtgangautomatik schnell den richtigen zur Hand.

Die acht Gänge gibt es optional auch für den 320d (ab 38.950 Euro, jedenfalls theoretisch), und als eine der besten auf dem Markt ist sie selbst für 2600 Euro Aufpreis zu empfehlen. Im Normverbrauch macht sie sogar etwas auf den Handschalter gut. An der Ampel ist Ruh, Start/Stopp geht bei BMW mit Automatik.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2012)

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