E-Mobilität: 2013 - Schicksalsjahr des Elektroautos

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Trotz blumiger Vorhersagen ist bislang kein relevanter Markt für E-Autos entstanden. Wird ausgerechnet BMW den entscheidenden Impuls geben? Alles hängt am Erfolg des i3, der ab Ende des Jahres zu kaufen ist.

Eine der schlaueren Fragen, die man BMW-Designchef Adrian van Hooydonk stellen kann, lautet, warum sein jüngstes Auto eigentlich wie ein Auto aussieht. Im Zusammenhang mit dem i3, dem ersten in Serie gebauten Elektroauto von BMW, kann man ja allerlei große Worte bemühen, zum Beispiel Paradigmenwechsel, oder man sieht eine neue Ära eingeläutet: BMW fährt in die Zukunft, und zwar nicht irgendwann, sondern Ende 2013. Das Auto wurde von Grund auf neu entworfen, es gibt keinen Vorgänger, nicht einmal ein Vorbild, und es wurde mit Karbon großflächig ein Werkstoff verwendet, der im Serienbau bislang nur für Schmuckteile, Spoiler und Außenspiegelkappen verwendet wurde – weil er so teuer ist und der Umgang damit kompliziert. Was nun dabei herausgekommen ist, sieht aus wie ein – Auto. Ist das nicht ein wenig enttäuschend?

Adrian van Hooydonk schaut zunächst groß, dann muss er lachen, offensichtlich erleichtert. „Wir sind eigentlich ziemlich froh, dass es aussieht wie ein Auto. Es wäre ein Problem, wenn man es auf der Straße sieht und erst erklären müsste, wofür es gedacht ist.“

Eindeutig ein Auto

Freunde von Science-Fiction mag das enttäuschen. Aber es scheint, als würden Autos noch für ein Weilchen wie Autos aussehen, ganz egal, was sie antreibt. Es wurde zum Rollen ja auch noch nichts Besseres erfunden als Reifen.

Die Frage ist aber, ob wirklich in jedem Vehikel auf unseren Straßen Kolben auf- und abhämmern müssen, nur weil das die vergangenen hundert Jahre so gehalten wurde. BMW gestattet sich in der Frage eine gewisse Zweigleisigkeit. Zum einen gibt es die Marke BMW – dynamisch, fortschrittlich, aber sicher nicht radikal öko. Dann gibt es „M“, eine Submarke mit dem gewissen Klang, meistens nach acht, mindestens aber sechs Zylindern. Nicht die bevorzugte Sorte des Klimaverstehers. Und schließlich, brandneu: i. Kurz und bündig für weitgehend elektrische, in der Produktionsweise völlig neuartige Autos – Autos nichtsdestoweniger –, die dennoch eindeutig zur weiß-blauen Familie gehören. Das erklärt übrigens, warum es neben dem i3 auch einen Supersportwagen namens i8 geben wird.

Der i3, für den in Leipzig ein ganzes Werk aus dem Boden gestampft wurde, der also nicht an irgendeinem Fertigungsband mitläuft, ist als Commuter gedacht, ein Auto für die täglichen Wege, meist von zu Hause in die Arbeit und wieder zurück. Dass für diese Art von Autos, mit denen man also nicht auch noch in den Urlaub fahren will, Bedarf besteht, davon ist man bei BMW überzeugt. Bloß muss der Markt erst entstehen. Und zwar schnell: Vom i3 sollen – oder müssen – fünfstellige Stückzahlen abgesetzt werden.

Der i3 fährt mit Strom und will über ein Ladekabel getankt werden. Weil Batterien nicht annähernd so gute Energiespeicher sind wie das gute, alte Erdöl, muss man sich mit 150 bis 200 Kilometer Reichweite begnügen. Es gibt aber nur wenige Menschen, die einen längeren Weg ins Büro haben. Für die wäre der i3 kaum gedacht, trotzdem setzt BMW vorsichtshalber auf eine i3-Variante mit Notstromaggregat an Bord: Ein kleiner Zweizylindermotor springt an, bevor der Saft zur Neige geht, und produziert einfach frischen.

Vernetztes Bordsystem

Nun gibt es schon Elektroautos auf dem Markt, aber kein erfolgreiches – und auch keines, das man für einen BMW halten würde. Der i3, so preist Entwicklungsvorstand Herbert Diess, fahre sich äußerst spaßig im Stadtverkehr. Daran hat das geringe Gewicht von 1250 Kilogramm seinen Anteil. Man kann sich vorstellen, wie viel teurer Leichtbau notwendig war, um die bleischwere Last der Akkus zu kompensieren. Weil Alu und Stahl ausscheiden, hat BMW eine globale Infrastruktur zur Produktion von Kohlefaserteilen aufgebaut. Den i3, obwohl nicht länger als ein Golf, wird es in der Folge nicht viel günstiger als einen 5er geben, jedenfalls nicht unter 40.000 Euro.

Die Größe des i3 war so gewünscht: „Unsere Kunden wollten kein kleineres Auto“, fasst van Hooydonk die Ergebnisse jahrelanger Marktforschung zusammen. Wir hatten die Gelegenheit, Prototypen des i3 und i8 im finalen Stadium der Serienproduktion zu begutachten. Die Raumverhältnisse im hellen und luftigen i3-Innenraum sind großzügig, kein Mitteltunnel nimmt Platz weg. Bei den Armaturen konnte das Team um van Hooydonk doch noch den Blade Runner raushängen lassen, dennoch kennt man sich auf Anhieb aus. Herzstück sind ein zentraler, großer Bildschirm und ein Bordsystem, das mit Apps und Internet vernetzt ist. Die nächste freie Ladestation auf dem Weg finden ist so aufwendig wie einmal blinken.

Wie kann man sich das Fahren im i3 vorstellen? BMW wählt den Vergleich mit einem 118i, einem der meistverkauften Modelle der Marke im Land. Von null auf 100 km/h lässt sich der i3 vom 1er nur eine halbe Sekunde abnehmen, sprintet also in respektablen 7,9 Sekunden in die Radarfalle. Mit 150 km/h Höchstgeschwindigkeit kann man auch die Autobahn riskieren. Wenn brav zu Hause aufgeladen wurde, fallen unterwegs keinerlei Emissionen an, Krach gibt es mangels Auspuffs auch keinen, man hätte für allfälliges Tempogebolze also zumindest moralisch wieder etwas gut.

Schneller als ein M3

Eine andere Nummer ist der i8. Hier zieht BMW Vergleiche mit dem M3 – und der i8 ist schneller. Es geht in 4,6 Sekunde auf 100 km/h, zwei Zehntel schneller als der Achtzylinder-M3 mit seinen 420 PS. Dabei werkt im i8 nur etwas von der Statur eines Hilfsmotors, ein Dreizylinder mit 1,5 Liter Hubraum. Der Rest der Power: rein elektrisch. Dass der Plug-in-Hybrid, wie die Bauweise in der Fachsprache heißt, nicht gute zwei Tonnen wiegt, liegt einmal mehr am Leichtbau mit Karbon und Aluminium, was das Gewicht bei immer noch sportlichen 1450 kg hält.

Der Elektrorenner wird sich zum Preis eines 5ers definitiv nicht ausgehen. Man denke eher an etwas in der M6-Cabrio-Liga, mit zumindest einem feinen Satz Extrafelgen. Ob sich für BMW die Sache ausgehen wird? Fast zwei Milliarden Euro steckt der Konzern in die Entwicklung der i-Cars. Ein paar Early Adopters und Techno-Nerds werden diese Summe nicht hereinspielen. Da wird es schon eine größere Neigungsgruppe brauchen: Autofahrer.

Die waren, etwas Geld vorausgesetzt, weltweit bislang nicht so schwer zu einem BMW zu überreden. Ob die Übung auch mit surrenden E-Motoren gelingt? Ein Misserfolg würde das gesamte Genre zurückwerfen, daran gibt es kaum Zweifel. Für den Hersteller, der seit 40 Jahren mit E-Antrieb experimentiert und nun Ernst macht, ist es eine Frage der Ehre.

Auf einen Blick

Als es schon beinahe so weit war.
Vor 20 Jahren waren E-Autos fast ebenso ein Thema wie heute. Auf der IAA 1991 präsentierte BMW die Studie E1, ein eigens entwickeltes Elektroauto, das in vielen Punkten dem i3 (in Serie ab Ende 2013) entspricht: stadtfreundliche Abmessungen, variabler Innenraum mit Platz für vier Personen, Leichtbau und etwa 150 km Reichweite. Hintergrund des E1 waren vor allem Pläne des US-Bundesstaates Kalifornien, die Zero-Emission-Fahrzeuge im Repertoire der Hersteller zwingend vorschrieben. Das Projekt wurde schließlich verworfen. Der Werkstoff Karbon war zu jener Zeit noch nicht ausreichend zugänglich, sodass der E1 hauptsächlich aus Alu und Kunststoff gefertigt wurde. Akku-Gewicht: etwa 200 kg, Leistung: 32 kW, Höchstgeschwindigkeit: 120 km/h. Beim i3 ist die gesamte Karosserie aus Karbon gefertigt. Der Werkstoff wird in Japan erzeugt, in den USA im großen Maßstab verarbeitet und in einer neuen Fabrik in Leipzig endgefertigt. [Werk]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2013)

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