Wohin rollt Volvo mit den Chinesen am Steuer?

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Nach dem Bankrott von Saab hält Volvo als letzter Autohersteller die Schwedenkrone hoch. Die neuen Eigentümer haben ehrgeizige Pläne.


Gern sagt man dem Völkchen der Schweden ein phlegmatisches Gemüt nach. Vielleicht passen Rastlosigkeit und übertriebenes Temperament einfach nicht zu den langen nordischen Wintern, die man besser mit Gleichmut durchlebt. Der Autohersteller Volvo, in Göteborg im Südwesten des Landes zu Hause, ist da Bestätigung und Ausnahme zugleich. Vom ersten Volvo an – Modell Jakob von 1927 – baute man jahrzehntelang große und sichere Autos, die man nicht nur in Breiten schätzte, in denen mehr Elche als Menschen leben, sondern auch in den USA. Die längste Zeit verkaufte Volvo in Amerika mehr Autos als BMW oder Mercedes. Gleichzeitig lodert das Feuer der Extravaganz in der Seele des Herstellers: Mit Buckelvolvo, Amazon und Schneewittchensarg schufen die Schweden Ikonen der Automobilgeschichte.

Kein gutes Geschäft

Mit der Ruhe ist es seit einiger Zeit jedenfalls vorbei in Göteborg. Im Jahr 2010 endete die amerikanische Ära – mehr als zehn Jahre Regentschaft von Ford –, die kaum als segensreich in der Firmenhistorie notiert werden dürfte. Dabei hat es der US-Konzern wohl nur gut gemeint: Mit dem unwiderstehlichen Angebot von 6,6 Mrd. Dollar hatte Ford den Autohersteller aus dem Volvo-Konzern herausgelöst, um ihn 2010 für einen Bruchteil der Summe – 1,6 Milliarden – den Chinesen zu überlassen. Ein gutes Geschäft sieht anders aus.

Damit sieht sich Volvo in einer ähnlichen Lage wie Jaguar/Landrover: Die Briten wanderten von Ford in die Hände des indischen Tata-Konzerns. Kulturschock? Knapp drei Jahre gehört Volvo nun dem chinesischen Geely-Konzern, der gerade erst 15 Jahre im Automobilgeschäft ist, und man hört kein schlechtes Wort über die neuen Eigentümer. In Göteborg sei kaum je einer von ihnen zu sehen, operativ mischten sie sich gar nicht ein. Viele bei Volvo sind froh, das bürokratische Berichtswesen, das ein US-Konzern mit sich bringt, vom Hals zu haben.

Unlängst erhob der große Vorsitzende dann aber doch die Stimme: Li Shufu, Präsident und Eigentümer von Geely, missfielen die letzten Ergebnisse, und er setzte kurzerhand den Mann ab, den er mit der Übernahme selbst an der Spitze installiert hatte: Stefan Jacoby. Dieser Name gehört aber mit großen Lettern in die Firmengeschichte geschrieben. Ford hat Volvo in keinem sehr guten Zustand hinterlassen. Das einst starke US-Geschäft ein Schatten vergangener Tage, die Markenstrategie unklar, das Portfolio durchsetzt mit Verlustbringern.

Ein "car guy"

„Die Bohnenzähler hatten wohl das Sagen“, fasste es unlängst der aktuelle Volvo-Chef Håkan Samuelssohn zusammen. Jacoby fegte wie ein Wirbelwind durch das Volvo-Hauptquartier. Li Shufu hatte ihn aus den USA geholt, wo Jacoby Chef von Volkswagen war. Der Manager gilt als „car guy“ durch und durch, einer, der mit Leidenschaft bei der Sache ist. Den frischen Wind konnte man in Göteborg gut gebrauchen. Unter Ford waren die Controller am Ruder, und die Controller hatten kein Gehör für die Ideen der Ingenieure und Entwickler, sondern nur fürs Marketing. Dort entstehen aber nur selten brauchbare Autos (siehe „Beinahe Ikonen“, Randspalte).

Jacoby ordnete das Portfolio neu, riss die Belegschaft aus ihrer Lethargie und entfachte den Enthusiasmus seiner Ingenieure. „Er hat ein unglaubliches Gespür für Details“, erzählt ein Entwickler. „Wir vermissen ihn.“ Die Abberufung traf Jacoby im Krankenstand, als er sich von einem leichten Gehirnschlag erholte. Mit etwas über 420.000 Einheiten hatte Volvo das Ziel für 2013 um etwa 30.000 Stück verfehlt, in China läuft es nicht wie erwartet. Nachfolger von Jacoby ist Håkan Samuelssohn, der vom Truck-Hersteller Scania kommt und kein ausgewiesener „car guy“ ist. Im Volvo-Aufsichtsrat sitzt auch der Österreicher Herbert Demel, Chef von Magna Steyr.

Was hinterlässt die kurze Zeit von Jacobys Wirken? Volvo konzentriert sich auf Autos, die zum Kernwert der Marke passen: groß, sicher, mit dem Design als tragender Säule, mehr noch als bisher. Jeder neue Volvo soll das Zeug zum Klassiker haben. Kleineres als den V40 wird es nicht mehr geben. Auch Coupé und Cabrio werden fürs Erste keine Nachfolger finden. Geely-Chef Li Shufu hat ehrgeizige Ziele: Bis 2020 soll Volvo 800.000 Autos im Jahr verkaufen. Eine neue Fabrik in China wird dabei helfen. In der Seele sollte Volvo schwedisch bleiben. Die Chancen dafür stehen jedenfalls gut.

Auf einen Blick

Volvo Personvagnar ist nach dem Bankrott von Saab der einzige Autohersteller in Schweden. Eigentümer ist seit 2000 der chinesische Geely-Konzern des Unternehmers Li Shufu. Geely hatte Volvo vom US-Konzern Ford übernommen.

Das erste Auto von Volvo (lat. „ich rolle“) entstand 1927. Größter Markt der Schweden sind heute die USA, gefolgt von Europa und China. Im Jahr 2012 setzte der Hersteller knapp über 420.00 Fahrzeuge ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2013)

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