Das diskrete Wettrüsten der Dieselmächte

Cayenne S Diesel
Cayenne S DieselDie Presse
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Das alte Wettrüsten um Power und Performance geht beim ehemals betulichen Dieselmotor munter weiter: Bei 300 PS muss noch lang nicht Schluss sein.

Es war ein Anschlag, ein Attentat auf das, was man Vernunft oder Augenmaß nennt: der Q7 V12 TDI, mit dem sich Audi im Jahr 2009 einige zweifelhafte Rekorde sicherte. Zum Beispiel die des größten und stärksten Dieselmotors, den es bislang in einem Pkw zu kaufen gab. Der Zwölfzylinder mit sechs Liter Hubraum presste 1000 Newtonmeter Drehmoment aus dem Motorraum, die Leistung brüskierte mit 500 PS selbst heute noch Supercars.

Im Gegensatz zu diesen bot der Q7 allerdings das Format eines Lastwagens, was ihn schon von Haus aus zu keinem wirklich beliebten Gesellen auf unseren Straßen machte – unvergessen die ADAC-Crashtests mit einem Kleinwagen, der nach jener Begegnung noch empfindlich kleiner war, während sich der Crashtest-Dummy im Audi bloß den Scheitel zu richten hatte. Mit dem Monsterdiesel an Bord wog Audis Koloss schon ohne Sprit und Fahrer über 2,6 Tonnen.

Lange Arme

Ob das noch im Sinne Rudolf Diesels war? Den Ingenieur hatte die Suche nach einem besseren Wirkungsgrad, als ihn damalige Benzinmotoren boten, umgetrieben. Der Q7 indes genehmigt seinem V12 schon im schmeichelhaften Normverbrauch fast zwölf Liter Sprit auf 100 km und setzt auf 1000 Metern gut 300 Gramm CO2 frei. Dafür kann man sich im Sog der Beschleunigung auf gerader Strecke die Arme langziehen lassen, bis weit über 250 km/h, sofern man daran denkt, die Fuhre auch rechtzeitig wieder einzufangen.
Weil der Q7 V12 TDI auch bei den Versicherungskosten eine bis dato unerreichte Rekordmarke setzte, investierten viele Interessenten dann offenbar doch lieber in eine Psychotherapie: Im Vorjahr begrub Audi den Diesel-Hooligan; Produktion nach drei Jahren eingestellt.
Die Idee, das Prinzip des effizienteren Verbrennungsvorgangs auf maximale Leistungsausbeute umzumünzen, lebt freilich unverdrossen weiter.

Match mit Sportwagen

So ist die 300-PS-Marke für Powerdiesel schon ohne größere Umstände gefallen. In einem atemlosen Kopf-an-Kopf-Rennen einiger Hersteller schrauben sich die PS- und Drehmomentwerte immer höher hinauf, sodass sich der ehemals betuliche Dieselmotor heute mit hochmotorisierten Sportwagen matcht.
Sprang Audi als erster Hersteller mit einer unauffälligen Limousine auf über 300 PS, so hält der stärkste Diesel von BMW derzeit bei 381 PS und dominierte bis vor Kurzem das Fach – lediglich, um Porsche auf den Plan zu rufen: Im neuen Cayenne S Diesel wütet ein Achtzylinder mit exakt 382 PS.

Bemerkenswert, dass BMW in diese Gefilde mit nur sechs Zylindern und drei Litern Hubraum eingedrungen ist. Ein einfacher oder auch doppelter Turbolader reicht da nicht mehr, beim in Steyr entwickelten BMW-Sechszylinder-Diesel sind nicht weniger als drei Stück im Einsatz.
Porsche hingegen griff auf den 4,2-Liter-V8 der Konzernmarke Audi zurück, lediglich die Leistungsschraube drehte man auf einen Wert, der die knappe, aber klare Übermacht von einem PS sicherstellt.
Fast bescheiden mutet da der TDV8 von Land Rover an, der im Range Rover und im soeben vorgestellten Range Rover Sport die Kolben schwingt: Der 4,4-Liter-„Hochleistungsdiesel“ tritt mit 339 PS in den Ring. Einzig Daimler hält sich bislang nobel zurück, ein eigener Beitrag in der Kategorie ist dort nicht in Sicht.
Maßlos, unvernünftig? Die Hersteller bewegen sich mit ihren Monsterdieseln lediglich im Windschatten einer teils hysterisch anmutenden CO2-Debatte, die neben dem klimaschädlichen Kohlendioxid erfolgreich alles andere ausgeblendet hat, was sonst noch so aus einem Auspuff strömt.

Tugend mit Pferdefuß

Denn dass bei Dieselmotoren ökologische Motive im Spiel wären, kann man getrost ausschließen – ein grünes Mäntelchen trägt er nur in den Prospekten der Autohäuser. Denn die anerkannte Tugend des Selbstzünders – seine relative Genügsamkeit beim Umgang mit Kraftstoff – kommt nicht ohne Pferdefuß: Die Verbrennung mit Luftüberschuss und bei hohen Temperaturen beschert den Abgasen einen hohen Anteil an giftigen Stickoxiden (Sammelbegriff: NOx), deren gefährlichste Ausprägung das Stickstoffdioxid (NO2) ist. Merkmale: unsichtbar, lungenätzend.
Wohlweislich werden die diesbezüglichen Werte in den Prospekten von Audi, BMW oder Porsche vorenthalten, obwohl sie gesetzlichen Grenzwerten unterliegen. Die sind für Diesel gemäß aktueller Euro-5-Norm freundlicherweise dreimal so hoch angesetzt wie für Benzinmotoren.

Alarmglocken schrillen


In der Regel stehen für Diesel allerdings bis zu zehnmal höhere NOx-Werte schon laut Datenblatt zu Buche als für vergleichbare Benziner – eine Diskrepanz, die in der Realität schnell auf das Dreißigfache, ja sogar auf das Hundertfache anwachsen kann, wenn ein schwerer Gasfuß und besonders hohe Fahrwiderstände durch SUV-Bauweise mithelfen. Von beidem kann bei der Gattung der Powerdiesel ausgegangen werden.
So nimmt das neue Wettrüsten relativ ungestört seinen Lauf. Es fällt auch Umweltorganisationen wie Greenpeace bislang nicht ein, auf die NOx-Gefahr aufmerksam zu machen – obwohl bei den Imissionsgrenzwerten an den Messstationen auf unseren Straßen längst unüberhörbar die Alarmglocken schrillen. Man hat sich in den Kampagnen ganz auf den Klimakiller CO2 verlegt und befördert damit auch noch den Mythos vom Diesel als Problemlöser. Wem es ein Trost ist: Stickoxide werden keinen Eisbären gefährlich, außer sie residieren in Schönbrunn. Die Rechnung geht allein auf unsere Atemluft.

Harnstoff an Bord

Mit der Euro-6-Abgasnorm, die 2014 in Kraft tritt (und lediglich neu in den Verkehr gebrachte Modelle betrifft), steigt der Aufwand für die Hersteller. Der Grenzwert von opulenten 180 mg/km NOx sinkt auf 80 mg. Eine solche Reduktion ist nur durch eine komplexe Abgasreinigung zu erreichen, bei der Harnstoff verwendet und mitgeführt werden muss. Diese kleinen Chemiefabriken an Bord werden die Preise für Pkw mit Dieselmotoren deutlich ansteigen lassen. Vielleicht hat es sich bis dahin auch durchgesetzt, die NOx-Emissionen ebenso ehrgeizig zu kommunizieren wie heute die CO2-Werte. Bedauerlicherweise wird nichts einfacher in unserer Welt, sondern alles komplizierter.

Auf einen Blick

Wettkampf der Powerdiesel

Die Hersteller Audi, BMW, Land Rover und Porsche liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die stärksten Dieselmotoren. Nach dem Ende des 500 PS starken Audi Q7 V12 TDI, der im Vorjahr eingestellt wurde, führt Porsche mit dem Cayenne S Diesel (V8, 382 PS) das Feld an, gefolgt vom dreifach aufgeladenen BMW-Sechszylinder mit exakt 1,0 PS weniger. Während das Dieselprinzip relativ verträgliche Verbrauchswerte ermöglicht, bleiben andere Schadstoffe meist ungenannt, vor allem die Gruppe der giftigen Stickoxide (NOx). Die aktuelle Euro-5-Norm gewährt Dieselmotoren 180 mg/km, Benzinern maximal 60 mg. Gemäß Datenblättern erzielen Diesel meist fünf- bis zehnfach höhere NOx-Werte als vergleichbare Benziner. Den höchsten NOx-Wert weist aktuell der BMW X6 M50d auf, mit 179,5 mg/km hart an der Grenze. Für Euro6 ist eine komplexe Abgasreinigung mit Harnstoff notwendig.

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