Jaguars späte Rückkehr zum Sportwagen

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Jaguars späte Rückkehr zum Sportwagen(c) Werk
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Mit dem F-Type besinnt sich Jaguar der sportlichen Wurzeln. Das hat Jahrzehnte gedauert – und ist nicht ganz ohne Risiko.

Keine Neuerscheinung der letzten Jahre erregte unter Autofans so viel Aufmerksamkeit wie der Jaguar F-Type. Immerhin beruft sich das Modell auf eines der legendärsten Modelle der Autogeschichte, das vor bald 40 Jahren ausgelaufen ist.

Wird der F-Type dem großen Vorgänger gerecht? Zweifellos ist Jaguar ein bemerkenswerter Sportwagen gelungen. Wir fassen unsere ersten, erfreulich intensiven Fahreindrücke in zehn Fragen und Antworten zusammen.

1 Welcher war der letzte Jaguar-Sportwagen? Auf welche Tradition gründet der F-Type?

Jaguar hatte immer sportliche Autos im Programm, doch der legendäre E-Type war das Ausnahmegewächs unter den Sportwagen. Er lief 1974 aus und fand bis dato keinen legitimen Nachfolger.

Der F-Type des Jahres 2013 will jedoch wieder seiner Grundformel gerecht werden: aufregende Formen, Heckantrieb, charismatische und kräftige Motoren, wenig Gewicht.

2 Warum hat sich die Marke so lange Zeit gelassen mit einem Nachfolger?

An Versuchen hat es nicht gemangelt, zuletzt in den 1980ern in Form des Projekts XJ41 – siehe „Beinahe Ikonen“ in der Randspalte. Später verzögerten wechselnde Eigentumsverhältnisse die Wiedergeburt. Erst die Konsolidierung der Company (mittlerweile im Besitz des indischen Tata-Konzerns) ließ wieder an ein Roadster-Projekt denken.

Zuletzt konzentrierte sich der relativ kleine Hersteller (Jaguar und Land Rover bündelten die Kräfte) auf die vierte Range-Rover-Generation, die im Vorjahr auf den Markt kam.

3 Ist der F-Type der puristische Sportwagen geworden, den viele erwartet haben?

Agil? Ja, um es vorwegzunehmen. Puristisch sicher nicht, denn der F-Type hat einige Raffinessen an Bord, die ein Sportwagen nicht zwingend braucht – die aber freilich gefallen: Aktiviert man die Klimatisierung, hebt sich anmutig ein Teil der Mittelkonsole und gibt die Lüftungskanäle frei. Diese Art von Spielerei ist mittlerweile typisch für Jaguar. Oder die Türgriffe: knappe Henkel, die elektrisch aus der glatten Türoberfläche ausgefahren werden.

Eine Motorhaube mit Crash-Sensoren in der Frontpartie sorgt per Explosivladung („Pop-up-Bonnet“) für den gesetzlichen Fußgängerschutz. Bei höherem Tempo fährt automatisch ein Spoiler aus dem Heck, um den Auftrieb der Karosserie zu verringern. All dies schlägt sich auf das Gewicht, sodass der F-Type trotz Alu-Bauweise um die 1600 kg wiegt.

Zum Vergleich: Der Porsche Boxster S (315 PS) kommt mit PDK auf etwa 1400kg, der 911 mit 350PS auf mindestens 120kg weniger als der F-Type.

4 Welche Art von Fahrer spricht der F-Type an?

Solche, die nicht nur ein sportliches Auto fahren wollen, sondern auch selbst eine Portion britischen Sportsgeist mitbringen – Platz für opulentes Reisegepäck hat der F-Type nämlich nicht zu bieten. Der flache Kofferraum ist äußerst knapp bemessen, und zusätzlichen Platz – etwa hinter den Sitzen – gibt es nicht. Ein Golfbag bringt nur unter, wer alleine fährt. Diese relative Kompromisslosigkeit wird den Kreis der Interessenten wohl am empfindlichsten einschränken. Jugendlich-sorglose Fahrer spricht das bei uns mindestens 85.600 Euro teure Auto ja eher nicht an.

5 Welche Varianten gibt es, und welche ist die beste?

Es gibt zwei 3,0-Liter-V6 mit je 340 und 380 PS und einen 5,0-Liter-V8 mit 495 PS, dabei variieren jeweils etliche Ausstattungsdetails, nicht aber die Grundform. Alle Motoren haben eine – im Übrigen absolut formidable – Achtgangautomatik, die man auch per Schaltpaddles bedienen kann. Es hat besonderen Charme, dass sich jede der drei Varianten des F-Type stimmig und vollwertig anfühlt.

Der Einsteiger-V6 gibt sich keineswegs untermotorisiert und trifft, drehfreudig wie er ist, im Sound die richtigen Töne: unten eher unauffällig, oben virtuos trompetend.

Der V6S hat noch mehr Punch, dies aber nur unter höheren Drehzahlen, dank serienmäßiger Sportklappe in der Auspuffanlage macht er allerdings wirklich dramatischen Krawall. Gezielte Fehlzündungen legen einen verwegenen Soundtrack. Von außen klingt das nach historischen Rennwagen.

Der V8 ist ein Ereignis und hat Kraft – ebenfalls bei spektakulärem Sound – bis zum Abwinken. Der charismatische Achtzylinder empfiehlt sich als Alternative zu dem V8 von Aston Martin.

Die ultimative Orientierung bieten wohl die Preise: Der F-Type V6 kostet ab 85.600 Euro, der F-Type V6S ab 98.600 Euro, der V8S ab 124.000 Euro.

6 Warum setzt Jaguar auf Kompressor – und nicht auf Turbo?

Aus Gründen der Effizienz sind praktisch alle Hersteller inzwischen auf Turboaufladung übergewechselt. Der Kompressor ist ein Luftverdichter zur Leistungssteigerung, der von der Kurbelwelle angetrieben wird (und nicht vom Abgasstrom) und daher permanent mitläuft. Das kostet etwas mehr Sprit. Hauptvorteil: lineare Kraftentfaltung ganz ohne Turboloch. Und genau das, meinen Jaguars Ingenieure, passe einfach besser zur Marke. Der Kompressor ist bereits zu einer Trademark der Engländer geworden.

7 Was vermittelt das Auto auf der Straße?

Die Roadster-Thrills, die der F-Type vermitteln will, sind gekonnt inszeniert. Nach einem Druck auf den Startknopf erwacht der V6 mit einem kurzen Brüller zum Leben, der V8 artikuliert sich nochmals deutlicher. Das Gestühl entspricht der Fahrwerksabstimmung: straff, aber nicht hart und fraglos auch für lange Distanzen geeignet. Das relativ große Lenkrad liegt gut in der Hand, und der Motor hängt bereits beim V6 erstklassig am Gas – dafür sorgt schon der Kompressor. Das tadellos isolierende Stoffdach ist bis zu Tempo 50 flugs geöffnet oder geschlossen. Der F-Type ist ein astreiner Roadster. Und Sportwagen sowieso: beeindruckend, welche Kurvengeschwindigkeiten das Auto ohne Tendenzen zum Über- oder Untersteuern erlaubt.

8 Welches Potenzial hat der F-Type in Österreich?

Der Importeur rechnet mit 60 Exemplaren in diesem (halben) Jahr und ebenso vielen im nächsten, vollen. Das klingt zunächst bescheiden: Allein vom Boxster verkaufte Porsche im Vorjahr diese Zahl, vom 911 waren es fast 300. Allerdings: Jaguar hat absoluten Exotenstatus, von allen drei Baureihen zusammen wurden 2012 bei uns nur 300 Exemplare verkauft.

9 Hat Porsche mit dem F-Type nun einen gefährlichen Konkurrenten?

Nein – dieser Meinung ist man jedenfalls bei Jaguar. Wer einen Porsche wolle, würde auch einen Porsche kaufen, meint man dort. Der Käuferkreis soll sich aus allen anderen Marken erschließen, die Sportwagen anbieten, sowohl unter als auch über dem Preisniveau des F-Type.

10 Welche sind die größten Märkte für den F-Type?

Die klassischen Sportwagenmärkte, allen voran USA, Großbritannien, Deutschland. Und zwar in dieser Reihenfolge: Die Hälfte aller F-Type will Jaguar in Nordamerika verkaufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2013)

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