65. IAA Frankfurt: Das Ah und Oh als Um und Auf

Frankfurt
Frankfurt(c) EPA (BORIS ROESSLER)
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Wir werden nicht mehr selbst fahren, dies dafür aber elektrisch: Die Autoindustrie will uns verlorene Zeit zurückgeben. Spätestens als 100-Jährige werden wir das zu schätzen wissen. von Timo Völker

Auf der ersten deutschen Autoschau – im Jahr 1897 noch in Berlin, im Festsaal des Hotels Bristol, Ihr Berichterstatter kann sich zugegebenermaßen nicht mehr erinnern – waren genau acht Autos zu sehen, genauer: acht Motorwagen, wie man sie damals nannte.

Etwa zu dieser Zeit zeigte man auch auf Wiens Straßen, die noch den Fuhrwerken und Fußgängern gehörten, den ersten „Autlern“ in ihren lärmenden und stinkenden Vehikeln den Vogel. Darunter vielleicht auch einem gewissen Ferdinand Porsche, der vorrangig in den Gassen des neunten Bezirks im Auftrag der Lohnerwerke allerlei Fahrversuche anstellte. Am Scheideweg vom batterieelektrischen Antrieb, der damals noch voll im Rennen war, zur Verbrennungskraftmaschine erfand Porsche noch schnell das Hybridauto mit vier angetriebenen Rädern.

1938 zeigte man in Berlin Ferdinand Porsches Konstruktion des VW Käfer. Ein Festsaal reichte für diese Autoschau nicht mehr, es kamen 800.000 Besucher. Vor 50 Jahren wiederum, die Messe war nach dem Krieg nach Frankfurt übersiedelt, sah man einen Sportwagen von Ferdinand Porsches Sohn Ferry: den 911, die ewige Baureihe (damals noch als 901, bevor uns Chronisten tadeln).

Zu Fuß zum Auto

So lässt sich die Geschichte des Autos immer weiter spinnen, bis hin zur IAA des Jahres 2013 in Frankfurt, zu deren Bewältigung man 20 Kilometer Fußmarsch einplanen muss, möchte man sämtliche Messestände besuchen. Der elektrische Antrieb ist zwischenzeitlich zurückgekehrt, vorerst noch eher theoretisch, handfester schon das Hybridauto, das speziell in der Plug-in-Variante als große Hoffnung gilt. Erkenntnis: Das Auto ist ein Rad, das sich ewig weiterdreht, aber eben auch nur im Kreis. Jedes gelöste Problem schafft zwei neue.

Das wird beim „Autonomobil“, wie wir es nennen wollen, nicht anders sein: Das Auto entledigt sich nun endlich der Schwächen seiner Benutzer und rollt, von Sensoren und Stellmotoren gesteuert, der fahrerischen Fehlerlosigkeit entgegen.

Geisterfahrer

Das „autonome Fahren“ soll uns „verlorene Zeit“ (Renault-Nissan-Chef Carlos Ghosn) zurückgeben, Zeit, die wir im Auto besser nutzen können als mit seiner Bedienung. Kleiner Hintergedanke: Die Autoindustrie wird auf die Oldies von morgen als Käufer (und somit Fahrer, jedenfalls Passagiere) nicht verzichten können, die demografische Entwicklung in den Ländern des Westens spricht da eine klare Sprache. Mercedes, in relativ unstrittiger Eigendefinition Erfinder des Automobils, hat mit einer 80 km langen Fahrt in einer quasi per Geisterhand gelenkten S-Klasse den passenden IAA-Stunt geliefert.

Doch schon tummeln sich neue Akteure im Cockpit. Google hat sich mit einer eigenen Entwicklung auf dem Gebiet des „Piloted Driving“ ins Spiel gebracht, hält sich aber noch bedeckt. Der kalifornische Start-up-Autohersteller Tesla, erst vor zehn Jahren vom Internet-Millionär Elon Musk gegründet, verblüfft indes mit einem nahezu makellosen Elektroauto der Premium-Klasse (Model S), das in Frankfurt bereits als Allrad-SUV (Model X) in Stellung gebracht wurde.

Die Flotte ist das Ziel

Analysten der Finanzwelt, die wenig kümmert, wer vor über 100 Jahren dieses oder jenes zum Patent angemeldet hat, sind auf Musks Seite, an der Börse ist Tesla heute mehr wert als Fiat (samt Chrysler) und Peugeot (samt Citroën) zusammen. Mercedes, um den Kreis zu schließen, greift bei seiner elektrifizierten B-Klasse auf Komponenten des Technologiepartners Tesla zurück.

Der Eintritt in die Elektromobilität ist beschlossene Sache, denn die Hersteller brauchen Zero-Emission-Autos im Portfolio, um anstehende CO2-Flottenziele erreichen zu können. Konsumenten wird sich ein verfeinertes Angebot auftun, inklusive der Freiheit, noch eine ganze Zeitlang beim Konventionellen zu bleiben.

Die 65. Ausgabe der IAA wirkt angesichts der bevorstehenden Umwälzungen erstaunlich pragmatisch. Den großen Auflauf an SUVs kann man da nur als Mode deuten – auch diese Hüte werden wieder gewechselt.

Auflösung

Augen machen. Gestern wandten wir uns mit einem Bilderrätsel an die Autokenner unter unseren Lesern – nun die Auflösung: VW e-Golf, Bentley Continental, Mercedes SLK, E-Klasse, G-Klasse, Audi A8, Audi RS7, Porsche 918 Spyder, Mercedes GLK. „Matrix-LED“ ist punktgenaues, bedarfsgerechtes Leuchten mit einer Vielzahl von Dioden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2013)

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