Lada Taiga: Sowjetisches Erbgut

Ein Lada Taiga ermöglicht computerfreies Autofahren, die Demoralisierung der modernen SUV-Gesellschaft und das tägliche Überleben mit 81 PS.

Im Jahr 1977 wurde Leonid Breschnew sowjetisches Staats­oberhaupt und vereinigte erstmals seit dem Tod Stalins wieder die Ämter des Generalsekretärs der KPdSU und des Staatsoberhaupts in einer Person. Im gleichen Jahr begann man bei AvtoVAZ – zu Deutsch: Wolga-Automobil-Werk – mit der Produktion des Modells 2121. Die Konstruktion dieses Fahrzeugs überdauerte nahezu unverändert das Wirken von Breschnew, Andropow, Tschernenko, Gorbatschow und Jelzin. Putin wird sich auch noch ausgehen. Somit ist der bei uns als Lada Taiga bekannte Gelände­wagen eines der am längsten produzierten Autos überhaupt. Der Markenname ergab sich übrigens als Sieger einer Mitarbeiterausschreibung, die nach einer schlagkräftigen Bezeichnung zur besseren Vermarktung im Ausland suchte. Lada ist in Russland ein weiblicher Kosename und bedeutet so viel wie „die Geliebte“.
Beim Einsteigen findet man ein Cockpit vor, welches vor dreißig Jahren in Russland geradezu als futuristisch gegolten haben muss. Ein paar grobe Schalter an der Mittelkonsole sind für Scheibenwischer, Licht und sonstige zulassungsrelevante Funktionen zuständig, zwei dürre Stangeln am Lenkrad sortieren Blinker und Fernlicht. Die griffgünstigste Position erhielt wenig überraschend der Zigarettenanzünder gleich neben dem Fahrersitz. Gestartet wird mit dem kleinen Schlüssel, der große sperrt die Fahrertür, alles ganz logisch.

Der Lada Taiga ist jedenfalls ein garantiert computerfreies ­Auto, fein für alle, die damit so ihre Schwierigkeiten haben. Das Fahren auf befestigten Straßen ist ­gemütlich, mit 81 verfügbaren PS kommt man gar nicht auf die Idee, es eilig zu haben. Die Nadel des Drehzahlmessers zittert mit plus/minus 500 Umdrehungen um den wahrscheinlichsten Wert, und die Tankanzeige meldet je nach Links- oder Rechtskurve „fast leer“ oder „halbvoll“. Völlig egal, die Stärken des Taiga liegen dort, wo keine Straße auch noch eine Straße ist.

In den Wäldern des Alpenvorlandes ist der Lada nämlich keinesfalls ein Exote. Jäger, Bauern und Förster wissen sehr gut um die Unverwüstlichkeit des kompakten Geländewagens und würden ihn niemals gegen einen modernen SUV eintauschen. Schon weil der Taiga im schweren Gelände um die chromblitzende SUV-Gesellschaft Kreise fährt, auch bei eklatanten Differenzen in der Motorleistung.

Ein Untersetzungsgetriebe, das in haarigen Situationen eventuell sogar noch etwas kürzer sein könnte, relativiert die bescheidenen 128 Nm Drehmoment, permanenter Allradantrieb verteilt sie an die Räder. Im Bedarfsfall wird das Mitteldifferenzial gesperrt, und zwar nicht automatisch, sondern vom Fahrer höchstpersönlich. Die fehlenden Quersperren gehen nur bei extremsten Verschränkungsfahrten ab, ansonst arbeiten die vier langen Schraubenfedern besser als jede Luftfederung.

Besser als Porsche

Die üppige Federung nimmt ­übrigens auch innerstädtischen ­Bodenschwellen ihren Schrecken. Wo ein Porsche im Schritttempo drüberklettert, um nicht die halbe Front zu verlieren, passiert der ­Lada mit 50 km/h (oder mehr), der Stoß verhallt in den Weiten der
Federwege.

Was moderne SUV maximal auf künstlich angelegten Geländestrecken zu Demonstrationszwecken vollführen dürfen, erledigt ein Taiga tagtäglich im realen Einsatz, fernab von bereitstehenden Schlepp- oder Ersatzfahrzeugen. Wir wissen von einer Schrägfahrt mit einem Taiga, bei der das Beifahrerfenster geschlossen werden musste. Um den Schlamm draußen zu halten.

Und niemand soll sagen, es gebe jetzt auch SUV mit dritter Sitzreihe, und der Taiga sei ein kleines ­Auto. Wir sind auch zu siebt darin hervorragend gefahren.

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