Aston Martin: Einer der letzten Handgeschnitzten

Aston Martin Einer letzten
Aston Martin Einer letzten(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wem Porsche zu banal, Ferrari zu laut und Bentley zu üppig ist, der mag sich für die Sportwagen von Aston Martin erwärmen. Der Virage, das jüngste Modell der Engländer, war zu Gast bei uns.

Jaguar gehört den Indern, Bentley den Deutschen, Lotus den Malaysiern. TVR hat ein russischer Oligarch auf dem Gewissen, Triumph ruht als bloßes Namensrecht in der Schatulle von BMW.

An Sportwagenschmieden in England, einst Weltmacht auf dem Gebiet, gäbe es noch die Bastler von Caterham, die den Seven unverändert als Bausatz ausliefern, und die schnellen Noble, von denen kaum einer über die Insel hinaus gelangt ist. Von den namhaften Exoten ist Aston Martin der letzte, der keinem Konzern gehört.

Die Unabhängigkeit ist aber relativ, denn Aston, 1914 gegründet, gehört einem kuwaitischen Investmentfonds. Und ist daher zum Beispiel gut beraten, keine Verluste zu bauen.

Dem Schwaben Ulrich Bez, dem Mann am Ruder, ist das sogar in den zurückliegenden Krisenjahren gelungen – als sich nach dem Rekordjahr 2007 (7400 verkaufte Sportwagen) der Absatz beinahe halbiert hatte.

Der bodenständige Techniker Bez, dem jeder Glamour fremd ist, rumort seit vier Jahrzehnten in der Branche, er ist zum Beispiel Daddy von Porsches letzter luftgekühlter 911er-Baureihe. Aus der oftmals gebeutelten englischen Traditionsmarke hat er eine schlanke, wendige Company gemacht, und er hat in Gaydon, eine flott gefahrene Autostunde von London entfernt, eine moderne, effiziente Produktion hochgezogen. Die Werkshallen sind geradezu peinlich sauber. Die zwei Linien, die hauptsächlich vom Motor bestimmt werden (V8 und V12, beide werden im eigenen Werk in Köln gefertigt), sind in Länge und Breite beweglich.

Mit dem Virage ist ein neues Modell auf dem Markt, das man zunächst einmal einordnen muss. Dass die Modelle einander auffallend ähnlich sehen, liegt zum einen am Wurf des Designers Ian Callum (heute Jaguar), der mit dem DB9 das Comeback der Marke eingeläutet hat – und an den man sich heute noch gerne hält. Und zum anderen an erwähnter Architektur, die zum Beispiel weitgehend gleich große Abmessungen der Fahrgastzelle vorsieht.

Die Vantage-Linie hat die kürzeren Überhänge und den frecheren Ausdruck. Zur V12-Linie gehören der klassisch-elegante DB9, der DBS und der neue Virage; alle auch offen, als Volante, zu haben.

Der Virage soll eine Lücke füllen: etwas zwischen DBS und DB9, weniger laut auftretend als der eine, sportlicher als der andere. Man könnte auch sagen: In Bezens Fabrik macht eine solche Variante weniger Aufwand, als sie in einem nach Neuheiten gierenden Markt lukrieren kann.

Der Markt will Neuheiten

Technisch ist also von keiner sensationellen Neuheit zu berichten. Das alte Navigationsgerät, das vor allem dabei geholfen hat, sich gründlich zu verirren, wenn man es denn in Gang setzen konnte, wurde operativ entfernt gegen eine moderne, hochauflösende Variante, die in der Bedienung über einen fummeligen Regler aber auch noch keine Freude macht.

Die Cockpits sind nicht Astons Stärke, was man durchaus im Kontrast zur beherzten Preisgestaltung sehen mag. Man erkennt Bezens Prioritätenliste, auf der ein wirklich raffinierter Luxus-Innenraum nicht sehr hoch oben steht.

Dass einem an Türgriff und Schwelle Imbusschrauben wie vom Billy-Regal entgegenlachen, muss man sportlich nehmen. Immerhin fehlt nicht eine Plakette, die auf die Handfertigung hinweist, am Motor sogar mit dem Namen des verantwortlichen Menschen am Montageband.

Assistenzsysteme hält Bez für keine echte Hilfe. Den Abstand zum Vordermann überwacht in einem Aston kein Radar, Licht und Wischer muss man selbst bedienen. Man wird sehen, wie lang sich dieser nicht unsympathische britische Sportsgeist durchhalten lässt.

Unverändert eine Bank ist der Zwölfzylinder, der aus sechs Litern Hubraum fast 500 PS schöpft. Als Sauger ist er für den richtigen Rumms freilich auf Drehzahlen angewiesen. Die verschafft man ihm allein schon des delikaten Sounds wegen nur zu gern. So elegant die Linie, der Motor brüllt wie ein englischer Pub-Raufer.

Der Virage, zumal als Volante mit Stoffverdeck, ist kein Supersportler, aber er ist bemüht, sich auch in der Sportwertung, durch die wir ihn getrieben haben, keine Blöße zu geben. Das gelingt dank Transaxle-Prinzip (Motor vorn, Getriebe hinten) für weniger Kopflastigkeit, adaptiver Dämpfer und einer herausragenden Bremsanlage (nicht grundlos serienmäßig mit Karbon-Keramik-Scheiben) mit hohem Anstand.

Fahrdynamisch kann ein starker 911er, etwa der Turbo, praktisch alles besser, aber darum geht es bei Aston kaum. Ungleich seltener in Erscheinung zu treten, dann aber stets unter bewundernden, und wie es scheint, neidlos wohlgesinnten Blicken, das ist das Revier des Engländers.

Auf einen Blick

Aston Martin Virage Volante Sonnenbrand für Superreiche.

Maße L/B/H 4703/1904/1289 mm. Radstand 2740 mm. Leergewicht 1890 kg. Kofferraum 152 Liter. Motor V12-Ottomotor, 5935 ccm, 365 kW (497 PS) bei 6500 U/min, 570 Nm bei 5750 U/min. 0 auf 100 km/h in 4,6 Sekunden. Top-Speed 299 km/h. Testverbrauch: 16 l/100 km. Heckantrieb. Sechsgang-Automatikgetriebe, Paddles.

Preis 270.867 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2011)

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