Luxussegment: Bentleys und ein Hauch Tränengas

Luxusautos Bentleys Hauch Traenengas
Luxusautos Bentleys Hauch Traenengas(c) EPA (ROB WIDDIS)
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Vorschlag zur Güte: Statt sich über Ratingagenturen zu ärgern, könnte man die Lage eines Landes am Absatz von Luxusautos messen. Der zeichnet von Europa ein beklemmend zerrissenes Bild.

Es gibt Businesspläne, die gehen ganz furchtbar schief, ohne dass irgendwer einen gröberen Fehler gemacht hätte. So klang es noch vor ganz wenigen Jahren nach einer ziemlich guten Idee, in Griechenland Luxusautos zu verkaufen. Die Banken zeigten sich regelrecht entzückt, überteuerte Immobilien, unsinnige Übernahmen, Jachten und Sportwagen finanzieren zu dürfen, falls man es nicht vorzog, sein Geld in bar loszuwerden und sich mit einem Plastiksack voller Scheine zum Händler aufzumachen.

Nur unwesentlich übertrieben war das die Situation in den Boomjahren, die 2007 ihren Höhepunkt fanden, wie eben auch in Griechenland. In dieser Zeit begann die Unternehmensgruppe PBS Motion, die man definitiv nicht kennen muss, mit Aston Martin über eine Händlerschaft zu verhandeln. Der noble englische Hersteller ist nicht ganz ohne Ansprüche, was die Ausstattung der Showrooms angeht, in denen seine wohlproportionierten Autos präsentiert werden. Strenge Richtlinien schreiben genau vor, welche Arten von Stein und Edelholz in Frage kommen (jeweils nicht die billigsten).

Mögen die Arbeiten, um ein gehässiges Vorurteil über südeuropäische Länder zu pflegen, etwas länger gedauert haben: Als der 860 Quadratmeter große Aston-Martin-Showroom Anfang November 2010 im Athener Stadtteil Aigaleo eröffnete, witterten feinere Nasen schon den Geruch von Tränengas und Molotowcocktails in den Straßen der Hauptstadt.


Steuerbescheid, bitte. Irgendwie besser dran ist der Ferrari-Händler in Rom: Der hatte wenigstens schon einmal gute Jahre gehabt. Mit rund 200 abgesetzten Stück im Jahr gilt er als der Größte der Welt. Oder galt: Die Zahl der abgeschlossenen Verkaufsverträge im Jänner und Februar dieses Jahres habe sich zu einer Papier sparenden Null verschlankt, wird berichtet.

Es gibt wohl auch bessere PR als Medienberichte, wonach von der Polizei kontrollierte Ferrari-Fahrer zum Führerschein gleich ihre Steuerbescheide dazureichen dürfen. Denn, sapperlot: Nicht jeder, der den V8-Motor seines California oder 458 genussvoll plärren lässt, tut dies auch mit dem Segen des Finanzamts.

Ein taumelnder Heimmarkt und der Totalausfall einiger europäischer Länder – neben Griechenland zweifellos auch Spanien und Portugal – bringt den Hersteller aber so schnell nicht in Bedrängnis. Vor wenigen Tagen präsentierte Ferrari-Chef Luca di Montezemolo die Zahlen des abgelaufenen Jahres: ein absoluter Rekord in Absatz und Umsatz. Nie zuvor hat der Hersteller so viele Autos verkauft (genau: 7195). Das liegt hauptsächlich am ostasiatischen Markt, der mit einer Steigerung von 63 Prozent zum Vorjahr (auf 777 Stück) nun Ferraris zweitgrößter ist, nach den USA mit fast 2000 Autos, die immerhin auch um acht Prozent zugelegt haben.

Und keineswegs gleicht ganz Europa einem Bild des Elends: In Großbritannien stiegen die Verkäufe um 23 Prozent, in Deutschland um knapp 15 Prozent auf gesunde 705 Neuwagen mit dem Cavallino Rampante im Emblem.


Edles und Steine. Während man in Griechenland ein in freundlicheren Tagen erworbenes Luxusauto heute besser gut versteckt, weil man statt bewundernder Blicke bestenfalls Steine nachgeworfen bekommt, ist man auch bei Bentley froh über reiche Chinesen, die gern zeigen, was sie haben: plus 95 Prozent Absatz von 2010 auf 2011. Der englische Hersteller, der zur VW-Gruppe gehört, hat fast schon wieder zum Niveau vor der Krise aufgeschlossen, wozu ausdrücklich nicht nur Ostasien und die USA (plus 31 Prozent) beigetragen haben.

Denn vor allem – so mögen es wütende Griechen sehen – fährt der hässliche Deutsche schöne Autos. Mit einem Zuwachs von fast 90 Prozent im Verkauf von Bentleys ist unser Nachbarland der Motor einer insgesamt starken Marktentwicklung des Luxussegments – oder seiner Erholung – in Europa. Was in etwa bedeutet: Wo echtes Geld vorhanden war, geht es auch heute nicht aus – es wurde in den Krisenjahren 2008/2009 bloß zurückgehalten, weil die Stimmung einfach nicht nach Neuanschaffung war.

Und Österreich? Danke, es geht uns ganz gut. Die Zulassungsstatistik 2011 weist mit 55 Bentleys ein Plus von 15 Prozent zum Vorjahr aus. Und wer beim Kauf eines Autos gleich einmal 81.200 Euro (die gesammelten Steuern auf einem Continental GT) dem Finanzamt schenkt, sieht die Zukunft nicht allzu düster.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2012)

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