Dubai: Wasser belebt, die Wüste klebt

Dubai
Dubai(c) EPA (Ali Haider)
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Trotz der höchsten Baukrandichte der Welt bleibt das Emirat ein spannendes Reiseziel, auch für Familien mit Kindern.

Mekka heißt in Dubai „Wild Wadi“. Jedenfalls für Kinder. Wie Gläubige möchten alle von fünf bis 15 dahin pilgern – nicht nur einmal im Leben, sondern dreimal pro Tag. „Wild Wadi“ ist ein Wellenbad-Surfanlagen-Achterbahnen-Superrutschen-Riesenplanschbecken in 1a-Lage an der Jumeirah-Beach. Dubais Topstrand also, nicht viel mehr als einen kräftigen Wasserpistolen-Pumpstoß entfernt vom weißen, segelförmigen Siebensternehotel „Burj al Arab“, das höher aus dem Wasser ragt, als es der Eiffelturm tun würde.

Doch dafür haben Kinder wie Marie (8) und Simon (6) im Plansch-Mekka keinen Blick. Ist auch besser so, hocken sie doch im Klobrillensitz auf Schwimmreifen und lassen sich wie klitschnasse Rohrpost von Turbomassageduschen durch einen Wildwasserkanal drücken – am liebsten steil himmelwärts.

Schnell und steil hinauf – dieser Zustand ist zum prägenden Lebensgefühl für die Menschen in Dubai geworden: Vor gut 50 Jahren gab's im Emirat am Persischen Golf ein einziges Betonhaus. Heute gibt es dort die größten künstlichen Inselensembles, von denen eines – „The World“ – allein aus 300 im Meer aufgeschütteten Einzelinseln besteht, angeordnet wie die Kontinente auf einer Weltkarte. In Bau ist gerade der größte Flughafen der Welt und weitere Freizeitparks in die Wüste. Sicher, wegen der Wirtschaftskrise heißt es zwischendurch mal leicht irritiert: „Schneller, höher und wie weiter?“

Doch die Wüste lebt, noch immer. Bester Beweis: Der Burj Khalifa, seit 2010 das mit 828 Metern bei Weitem höchste Gebäude der Welt. Ausgestattet mit einem Formel-I-Fahrstuhl, mit dem wir mit bis zu zehn Meter pro Sekunde aufwärtszischen und spüren, dass Dubais Prestigeturm leicht wankt. „Geht nicht anders“, sagt Greg Sang, der neuseeländische Bauleiter: „Je höher hinaus, desto mehr Spiel braucht ein Bauwerk.“

Die buchstäblich oberen Zehntausend in den gut 700 Luxuswohnungen haben sich jedenfalls daran gewöhnt. Den höchsten Ausblick jedoch wird keiner von ihnen haben, sondern die Haustechniker. Wenn sie in den obersten acht Etagen nachschauen, ob in den Schaltkästen der Hausantenne alles richtig funktioniert. Doch das, was da unten, rund um den Burj Khalifa verglast und vergoldet in den Himmel ragt und vielversprechend Downtown Dubai genannt wird, macht keine Skyline her, sondern präsentiert sich als seelen- und gesichtslose Mega-Metropolis wie aus einem Perry-Rhodan-Science-FictionHeftl.

Von der See in den Schnee

Und was, bitte, sollen dann ausgerechnet Eltern mit Kindern in diesem Übermorgenland mit weltweit größter Baukrandichte? In den quirligen Souks um Krummdolche oder Aladin-Schuhe feilschen? Das geht auch in Agadir. Planschen und baden an Stränden mit feinstem Sanduhrensand und Muschelkalk? Da schon lieber Fuerte. Aber: Dort kann man nicht morgens schnorcheln und nachmittags snowboarden. Von der See in den Schnee – kein Problem dank Ski-Dubai. Also raus aus dem Open-Air-Backofen am Strand, rein in den 85 Meter hohen, 80 Meter breiten und 400 Meter langen Kühlschrank. Bis auf Handschuhe gibt's hier alles zum Carven, Rodeln oder für eine deftige Schneeballschlacht. Draußen drücken Flip-Flop-Träger im T-Shirt ihre Nasen ungläubig an die Scheiben wie an ein Aquarium, in dem die Eiszeit ausgebrochen ist. Marie und Simon fahren da drinnen mit ungebremstem Spaß, die Eltern zunächst mit leicht angezogener Spaßbremse: „Schneemann bauen in der Wüste, muss das sein?“

Vielleicht kopieren die Scheichs wie so oft nur, was sie woanders gesehen haben – in Europa etwa, wo solche Skihallen ja schon länger geöffnet sind, auch im Sommer. So etwas wie westliche Verfassungen kopiert Dubai allerdings nicht: freie Wahlen, Parteien, Gewerkschaften, Meinungsfreiheit – Fehlanzeige. Stattdessen Scharia und Scheich Mohammed. Ein freundlicher Feudalherrscher, der das Land Stück für Stück öffnet nach dem Universalmotto: „Geht nicht gibt's nicht.“ Ja, auch in Sachen Religion. Besonders mit Kindern ist das gut zu besichtigen in der Jumeirah-Moschee, jeden Sonntagmorgen ab zehn Uhr: „Ich zeige ihnen mal, warum wir Moslems so komische Verrenkungen machen und beim Beten dauernd mit der Nase in den Teppich stoßen“, sagt Latifa Flook zu ihren etwa 80 Gästen. Die Touristen lassen sich von der schwarz gewandeten Frau einen Crash-Kurs in Sachen Islam, Moschee und Gebet verpassen. Die gebürtige Britin Latifa macht das ganz ohne Burka-Grimmigkeit, sondern höchst unterhaltsam – auch für kleine Zuhörer. Kritische Fragen von Erwachsenen allerdings lächelt sie weg wie eine Politikerin: „Ein Moslem mit mehreren Frauen – was ist dabei? Er muss ja alle gleich behandeln. Schenkt er einer einen Mercedes, darf's für die anderen kein Honda sein.“

Beim Outdoor-Ausflug spielen Familienväter besser nicht Speedy Gonzales am Steuer eines Mietwagens, sondern buchen einen Trip bei ausgebildeten Wüstenfüchsen. Sami Hamad ist so einer. Er kutschiert die Gruppe raus aus der Stadt und verspricht einen Traumtag mit Desert-Dinner in Bab al-Sham. Wie Filmstars schlendern Besucher auf einem roten Teppich hinein in dieses Wüsten-Fort. Statt klatschender Fans stehen brennende Fackeln und erste Stände mit arabischen Köstlichkeiten Spalier. Wem hier das Wort Paradies in den Sinn kommt, wird nicht enttäuscht.

Im Innenhof bereiten Köche in traditionellen weißen Gewändern leckeren Fattoush-Salat zu, braten Shish tawooq (raffiniert gewürztes Huhn) auf dem Grill und preisen Falafel an. Marie und Simon springen immer wieder von der langen Tafel auf und flitzen zu einer Art Kombikurs „Arabisch und zugleich reiten lernen mit Khaled und Yassir“. Diese beiden schläfrigen, grundguten Kamele sind zwar unter Anleitung des Kameltreibers schnell bestiegen, bewegen sich aber nur, wenn sie „yalla, yalla“ – gemma, gemma – hören. Höhepunkt des Dünen-Diners: eine unendliche Auswahl arabischer Desserts. Knafa schaut aus wie gebratenes Sauerkraut mit Käse. Omali ist eine umwerfende Creme aus Honig, Pinienkernen und Pistazien. Nachdem kleine und große Finger eifrig genascht haben, ist klar: Die Wüste klebt.

Übermorgenland-Urlaub

Anreise: Austrian und Emirates fliegen direkt ab Wien – siehe Flüge der Woche Seite R 4. Wohnen/Pauschalangebote: Zu den teuersten Herbergen zählen das Jumeirah Beach Hotel und das Kempinski Mall of the Emirates, Letzteres mitten in einer riesigen Shoppingmeile und unmittelbar an die Ski-Dubai-Halle angrenzend. De-luxe-DZ ca. 400 Euro pro Nacht. Familien reisen am einfachsten mit Pauschalarrangements – kaum ein Veranstalter, der Dubai nicht im Programm hat. Zwei Erwachsene und zwei Kinder bis zwölf Jahre zahlen für vier Tage Übernachtung, Frühstück sowie Hin- und Rückflug je nach Reisezeit zwischen ca. 2000 und 3500 Euro. Achtung, bei der Auswahl drauf achten: Viele Hotels liegen bis zu 50 Minuten Fahrzeit vom Strand entfernt!

Klima und Reisezeit: subtropisches, trockenes Klima, ideales Reiseziel im europäischen Herbst und Winter.

Shopping: sehr verlockend in Dubai angesichts von gut 50 Shopping-Malls. Die „Mall of the Emirates“ beherbergt 450 Läden, das Luxushotel „Kempinski“ sowie Ski-Dubai. Doch Vorsicht: Wirkliche Schnäppchen mit bis zu 70 Prozent Ermäßigung gelingen meist nur beim Shopping-Festival im Januar und den Dubai-Summer-Surprises-Wochen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2012)

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