Unterwegs in Sevilla: Bei Tinto und Tapa am Tresen

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Das Leben in Andalusiens Metropole spielt sich am Tresen ab. Ein Streifzug durch ein paar Bars in Sevilla. Bei über 4500 Lokalen muss man nicht lang suchen, im Umkreis von Kirchen wird der Gast immer fündig.

Warme Luft weht durch die engen Gassen, Wüstenluft aus der Sahara. Unter den Absätzen klackert der Asphalt, nur noch vereinzelt kommen einem Passanten entgegen, die Kirchenglocke schlägt ein Uhr Mittag. Der Duft von Jasmin und Orangenblüten vermischt sich mit dem Geruch von Espresso und hoch konzentriertem Putzmittel. In der Nähe der Plaza de San Lorenzo liegt die Bar Eslava, Treffpunkt mit Juan Antonio, einem alten Studienkollegen.

Fünf Tische, ein langer Tresen, auf dem Boden zwischen den Beinen der laut parlierenden Gäste liegen Zigarettenstummel, Zahnstocher, Servietten und Olivenkerne. Die Wände sind halbhoch gekachelt, darüber zeigen Bilder Stierkampfszenen. Die Barmänner beten die Liste der aktuellen Tapas herunter, brüllen die Bestellung in die Küche, zapfen ein frisches Cruzcampo (Bier) oder mixen einen Tinto de verano, Rotwein mit Limo und Eis. Dann rechnen sie die Bestellung mit Kreide auf der Holztheke und haben immer noch ein offenes Ohr. Artisten in weißem Hemd und schwarzer Hose.

In Untertassengröße

In der andalusischen Metropole gibt es rund 4500 Bars, sie gehören zu Sevilla wie die Kaffeehäuser zu Wien. Es sind Orte, wo man sich trifft und das tut, was der Sevillaner am liebsten macht – feiern. Schon morgens beginnt die Bar-Belagerung mit einer Tostada con aceite und einem Café con leche, manch einer spült noch Cognac hinterher. Mittags herrscht Hochkonjunktur, abends sind die Stätten der Lebenslust ab neun wieder voll.

Im Minutentakt kommen neue Gäste. Juan Antonio betritt suchenden Blickes das Lokal. „Hola Juan“, rufen einige dem 48-Jährigen entgegen. Jeder kennt ihn, Bussi links, rechts, wieder links, Hände schütteln, Schulterklaps – Juan fühlt sich wie zu Hause. Die meisten Gäste strahlen, lachen, reden, gestikulieren. Auch wer schweigend dasitzt, gehört dazu. Im Handumdrehen steht ein Bier vor ihm, dazu eine Tapa, winzige Portionen, höchstens Untertellergröße: ensalada rusa, russischer Salat. „Tapas lenken vom Alkohol ab“, meint Juan, „sättigen müssen sie nicht.“ „Una de Boquerónes“, ruft Juan, und schon liegen eingelegte Anchovis auf dem Teller. So wird's gemacht: Kellner fixieren und laut bestellen. Wenn in der Semana Santa, der Karwoche, tausende Menschen Straßenränder und Plätze säumen, erst leidenschaftlich trauern und anschließend wild feiern, muss eine Bar in der Nähe sein. Ein Grund dafür, dass sie meist in Sichtweite der Kirchen liegen. Wie das Rinconcillo, die älteste Bar Sevillas, nahe der Kirche Santa Catalina – die nächste Station. „Man zieht mindestens in drei bis vier Bars“, erklärt Juan Antonio, „in einer allein bleibt man selten.“

Schinken hängen von der Decke, Holzregale mit Schnaps und Wein zieren die Wände im vorderen Bereich, um die Tische aus riesigen Weinfässern stehen Junge und Alte, Locals und Touristen, Handwerker und Anwälte. „Una de Espinaca“, die Spezialität des Hauses, Spinat mit Kichererbsen, wird prompt serviert. Deutlich steigt der Geräuschpegel, die Kaffeemaschine zischt. Juan Antonio diskutiert mit hochrotem Kopf, Argumente fliegen hin und her, ausreden kann keiner, am Ende wird gelacht. Weiter durch die menschenleeren Gassen ins Barrio de Santa Cruz, das ehemalige Judenviertel. Ohne ortskundigen Begleiter ist man hier schnell verloren – ein labyrinthartiges Areal engster Gassen breitet sich längs der Alcázar-Mauern aus. Ziel ist die Bar Las Teresas. Kurz vor der Siesta, gegen drei Uhr Nachmittag, macht sich Ruhe breit. Vereinzelt stehen noch kleine Gruppen herum und palavern. Der Barmann putzt den Tresen und pfeift eine Melodie vor sich hin. Irgendwann nach einer der vielen Tapas ist dann Siesta. Man braucht schließlich wieder Energie für den nächsten Bar-Ausflug – gleich an diesem Abend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2013)

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