Silvretta: Ehre seien Sonne und Schnee in der Höh'

(c) EPA (Arno Balzarini)
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Auf der Bielerhöhe relaxen Tourengeher in hochalpiner Einsamkeit, Sonne und Schnee bis in den Mai.

Niemand schaut zufällig bei Raki vorbei. Wer dem Chef des Silvretta-Hauses unter die Augen kommt, besucht, tut dies in voller Absicht. Alles andere ist angesichts der mühsamen Anreise ziemlich unwahrscheinlich. Raki, eigentlich Radoslav Mijovic, leitet das elegante und für seine Architektur bereits ausgezeichnete Berghotel auf der Bielerhöhe am Ufer des Silvretta Stausees auf über 2000 m Höhe.

Während hier im Sommer auf der Passhöhe der Silvretta Hochalpenstraße die Autos gern Kolonnen bilden, verwandelt sich die Passhöhe im Winter in eine ganz eigene Kolonie, eine Feriendestination, die genau das Gegenteil zu gängigen Marketingregeln bildet und dennoch sehr oft ausgebucht ist. Da spielt auch die mühsame Anreise keine Rolle. Da die Silvretta Hochalpenstraße im Winter gesperrt ist, geht es von Partenen aus mit der Vermuntbahn zunächst bergwärts, man wechselt dann in die Spezialbusse, die flott durch die alten und ziemlich engen Versorgungsstollen brummen, bevor es dann vorbei an langen, weiten Schneefeldern in Kehren zur Bielerhöhe geht.

Oben angekommen streift der Blick erst einmal über die Schneelandschaft, über den zugefrorenen Stausee, über die Skispuren Richtung Süden, wo der 3312 Meter hohe Piz Buin wie ein Leuchtturm im Meer aus Eis und Schnee steht. Bis auf die Busse gibt es keinen Autoverkehr. Links hinten steht der einzige Skilift mit einer gut zwei Kilometer langen Piste. Oberhalb der Straße thront das Silvretta-Haus mit seiner markant geschwungenen Kulisse und den großflächigen Solarzellen auf der Seite. An diesem sonnigen Sonntagnachmittag sind die Plätze auf der Terrasse gut gefüllt, was einmal am sensationellen Ausblick auf die Gipfelkulisse liegt, aber auch damit zu tun hat, dass Rakis Frau Angela außergewöhnlich gute Mehlspeisen bäckt. Stress und Hektik gibt's auch an einem perfekten Sonntag auf der Bielerhöhe nicht. Die Gäste aalen sich stundenlang auf der Terrasse, der größere Rest schnallt die Ski an und verliert sich in der Weite der Silvretta. Direkt auf der Passhöhe starten sieben verschiedene Langlaufloipen, die heuer sicher bis in den Mai in Betrieb sind.

103-mal auf der Bielerhöhe

Trotz des relaxten Charakters der Bielerhöhe hat sie doch ihre sportlichen Herausforderungen. Tourengeher kennen und schätzen das Revier und peilen das Bieltal an, das Ochsental zur Wiesbadener Hütte, zum Hohen Rad Richtung Piz Buin oder ins Klostertal. Weiters gibt es Winterwanderwege und eine bis zu 13 Kilometer lange Schneeschuhroute. Auch wenn das Freizeitangebot überschaubar sein mag, es keine Boutiquen und Shops gibt und so gut wie kein Nachtleben – die Klientel ist erstaunlich vielschichtig. Da ist zum Beispiel die ältere Dame im Silvretta-Haus, die erzählt, dass sie nun schon zum 103. Mal auf der Bielerhöhe Urlaub macht und ihre Kinder und Enkerln hier alle Skifahren gelernt haben. Dafür reicht ja auch der eine Lift, der sich dank der wenigen Skifahrer und der übersichtlichen Lage für den Nachwuchs bestens eignet. Familien mit Kindern suchen genau das, meint auch Raki, die Ruhe und die Gewissheit, dass der Nachwuchs nicht im Trubel verloren geht. Gut zwei Drittel der Wintergäste im Silvretta-Haus kommen wegen der Skitouren, der Rest sucht gezielt die Stille und Einsamkeit in der Natur. So ähnlich dürfte es auch im gutbürgerlichen Berggasthof Piz Buin und im Madleinerhaus, der Alpenvereinshütte unterhalb des Stausees sein.

Wintertage in einsamer Bergwelt sind etwas, das längst nicht mehr nur Puristen und gestandene Alpinisten anspricht. Im Silvretta-Haus spielt auch das Seminargeschäft im Winter eine wichtige Rolle. Zu Gast waren schon, erzählt der Wirt, Konzerne wie Volkswagen, Suchard und Hilti. Teams wie die ÖSV-Skidamen oder englische Ruderer kamen zum Höhentraining, die Vorarlberger Landesregierung quartiert sich regelmäßig in der Karwoche hier ein. Audi war schon da, um Werbeaufnahmen mit neuen Modellen zu produzieren. Schwierig ist das nur, weil die Autos immer breiter werden und die alten Stollen so schmal sind, wie sie immer schon waren. Richtig eingeschneit wird man auf der Bielerhöhe selten. „1999 waren wir zwölf Tage eingeschneit“, erinnert sich Raki, „damals haben wir Filme gezeigt und Kochkurse organisiert.“ Die Kochkurse gehören heute zum fixen Freizeitangebot und für Notfälle lagern im Keller Lebensmittelvorräte für 50 Tage.


www.silvretta-bielerhoehe.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2013)

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