Republik Zypern: Sonne satt und volle Pools für Europas Kälteopfer

Nikosia
Nikosia (c) AP (HARUN UCAR)
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Sonne, Süßwein, Fleischplatten und Fisch – das touristische Geschäftsmodell Zypern funktioniert jedenfalls bestens.

Flach wie ein Tablett präsentiert sich Zypern beim Anflug vom Westen, von der Ägäis her, deutlich erkennbar in der Mitte die überwuchernde weiße Häuserlandschaft der Hauptstadt Nikosia und die ziemlich leere Mesara-Ebene rundherum. Ganz am oberen Rand zieht sich eine Gebirgskette hin – der Pentadaktylon, zu Deutsch Fünf-Finger-Berg – und südwestlich von Nikosia eine weitläufige grüne Erhebung, das Troodos-Gebirge mit seinen Dörfern und Klöstern.

Ein schöner Anblick, wahrlich, und Vorsicht, wer zu spät kommt beim Buchen, der muss darauf verzichten, denn Flüge sind auch in der Vorsaison nicht wirklich häufig und zu Ostern fast immer voll. Das Steuerparadies Zypern mag derzeit zwar für harte Haircuts fetter russischer Guthaben stehen – bekannter ist die Insel aber für Sommersonne, Meer und Urlauberscharen, die dem diesmal besonders kalten Winter ins milde mediterrane Zypern entkommen wollen, wo sie inzwischen, dank einer zunehmend intelligenten Steuerung der Saison, immer mehr Gelegenheiten zum Wandern, Radfahren oder zu einem Museumsbesuch finden, was im Sommer, wenn es mitunter über 45 Grad hat, nicht wirklich empfehlenswert wäre.

Alle größeren Hotelanlagen verfügen wie selbstverständlich über Swimmingpool-Landschaften, und Luxusdestinationen wie das „Anassa“ unweit von Polis in der Bucht von Chrysochou im äußersten Nordwesten der Insel bieten Spas mit Thalassa-Therapie und anderen Feinheiten, die auch den längsten Winter kurzweilig machen.

Erste Schrecksekunde

2,4 Millionen Touristen haben letztes Jahr den Süden der geteilten Inselrepublik besucht, nicht schlecht bei einer Bevölkerung von knapp 800.000 Seelen. Und immerhin ein Viertel dieser Touristen wählte als Reisezeit die Monate Jänner bis Mai, wenn es selbst in Zypern noch zu kalt zum Planschen im Mittelmeer ist.

Sie alle haben übrigens mit einiger Sicherheit erst einmal eine Schrecksekunde zu erleben: Geht der Bus oder das Taxi in Larnaka in die erste Kurve, setzt es ein Schockerlebnis, wenn der Fahrer mit Seelenruhe auf die linke Fahrbahnseite einbiegt – bis man die strapazierten Nerven wieder daran erinnert, dass man ja eigentlich weiß, dass Zypern bis 1960 eine britische Kolonie war und sich den Linksverkehr auch danach nicht ausreden ließ. Wörter wie „Thank you“, „Hallooo“ und vor allem „Cash“ sind andere englische Reminiszenzen, sie haben ihren Weg in die Umgangssprache gefunden und sind wichtiger Teil des postkolonialen Lebensgefühls. Im Sommer steuern die meisten Busse den Südosten der Insel an mit den großen Sandstränden und Hotels um Agia Napa und Paralimni.

Reizvoll und immer noch ruhiger ist der Westen der Insel um Paphos mit seinem malerischen Hafen und seinem antiken Erbe. Auf dem Weg dorthin, nach Limassol, gibt es mit Avdimou und Pissouri zwei der schönsten Strände der Insel.

Pfad der Olympier

Wer aber jetzt im Frühling einen Spaziergang mit Blick aufs wogende Meer machen will, der beschreitet in Larnaka den „Pfad der Olympier“ – immerhin elf Kilometer lang und versehen mit einem modernen Skulpturenpark.

Wanderschuhe wird man bei einer der Wanderungen in den Wäldern des Troodos-Gebirges brauchen. Das Hügelvorland des Gebirgsmassivs sollte man auch im Sommer bei der Quartiersuche nicht außer Acht lassen. Hier oben ist es auch im August kühler und windiger als in den heißen Strandebenen. Einen Streifzug durch die Geschichte der Insel könnte man bei den hellenistischen Gräbern, den sogenannten „Königsgräbern“ in Paphos, und den spätrömischen Mosaiken der Stadt beginnen. Jeder Hafen hat auch seine fränkische, venezianische oder osmanische Festung vorzuweisen, Nikosia, Kyrineia und Famagusta (Ammochostos) sogar immer noch imposante Stadtmauern. Mit der Kulturgeschichte der Insel verbunden bleibt auch die „Kommandantur“ der Johanniter auf der Insel, der Wohnturm ihrer Burg gleich außerhalb von Larnaka ist noch gut erhalten.

Die Ordensritter kontrollierten die umliegenden Zuckerplantagen und Weingüter. Der süße Wein der Insel heißt daher in Anklang an das im Mittelalter europaweit gehandelte Produkt immer noch „Commandaria“. Der Wein beim Flug mit Cyprian Airways übrigens war, scheinbar ganz in zypriotischer Tradition, ebenfalls ziemlich süß, aber wahrscheinlich nicht halb so gut wie sein Vorfahre. Moderne Lebensart wird man vor allem in der immer verschlafen wirkenden griechischen Altstadt Nicosias finden. Nach der Invasion der Türken 1974 war die Stadt innerhalb der Mauern plötzlich eine Sackgasse.

Quer durch die Stadt geht immer noch die sogenannte grüne Linie, die Teilungslinie zwischen dem türkischen und griechischen Teil. Bis 2003 war für die Bewohner kein Überschreiten der Linie möglich. Die Bevölkerung zog ab, die Häuser und kleinen Werkstätten verfielen, das alte Zentrum war tot. Doch gerade das Viertel hinter dem Famagusta-Tor ist besonders reizvoll – ein Mix aus mittelalterlichen und türkische Elementen, Häusern in fast durchwegs ebenerdigem britischem Kolonialstil, griechischem Neoklassizismus und ans Bauhaus gemahnender Moderne, immer wieder unterbrochen durch lange Reihen geschlossener Rollläden verfallener Werkstätten und Zementbauten jüngster mediterraner Zerstörungswut. Hier gab es geschmackvolle Restaurierungen mit EU-Geldern, Kulturzentren, Galerien und Cafés haben sich angesiedelt.

Konservative Essgewohnheiten

Alternativen Lebensstil und bequeme Sitzgarnituren findet man in der „Weaving Mill“ mit ihrer Leihbibliothek, ihren Literaturzirkeln und tibetanischen Tees. WiFi, Billardtisch und Lesetische sorgen für die richtige Mischung im Publikum. Zypriotische Familien wird man hier nicht sehen – die bevölkern die Konditoreien um die Faneromeni-Kirche, nicht mehr als 100 Meter weiter. Griechische Zyprioten sind Familienmenschen, traditionsbewusste und gläubige orthodoxe Christen – das schließt ganz und gar nicht aus, dass sie gute, mitunter gerissene Geschäftsleute sind.

Auch ihre Essgewohnheiten sind eher konservativ: Fleischplatten, Mezes genannt, mit viel Wurst und besonders vielen Innereien, und alles sehr üppig, werden bevorzugt. Auch guten Fisch verschmäht man nicht. Küche für den ganz feinen Gaumen – das ist eher die Ausnahme.

Eine Tagesreise wert ist auch der türkischen Norden, Casino-Besuch inbegriffen, spielen ist im Süden verboten. Vor Mietwagen sollte man aber Abstand nehmen, die griechischen Autoversicherungen werden nicht anerkannt, ein Taxi tut es auch. Schön, aber eng ist der Hafen von Kyreneia mit den dicht gedrängten Cafés, schön renoviert auch die Kathedrale in der türkischen Altstadt von Nikosia, und ihre Moscheen.

Gut essen, sicher und komfortabel ankern

Aigaion: Wohl verlässlichste Adresse für gutes Fleisch und traditionelle zypriotische Küche in der Hauptstadt. In Zypern immer gut: Seftalia, von den Franken importiert, ist gut gewürztes Faschiertes in Lammbauchmembrane gewickelt. Haloumi, der für die Fangemeinde wirklich köstliche zypriotische Käse. Gut sortierte Weine, Innenhof für den Sommer. Ektoros 40, Nikosia.
Fettas Corner:
20 verschiedene Arten von Mezedes – eig. „Happen“, in Zypern aber ziemlich üppig, immer geschmackvoll arrangiert. Auf jeden Fall die Ripperln probieren! Hauseigener Wein. Ioanni Agroti 33, Pafos.

Platos Bar: Weltläufige Atmosphäre, internationale Getränke in Nikosias verträumter Altstadt. Platonos 8–10, Nikosia.
Weaving Mill: Tees, Billard und Bücher. Alternative, entspannte Atmosphäre, ebenfalls in der Altstadt von Nikosia, abseits der lauten Ledra-Straße, in Rufweite zur „grünen Linie“. Lefkonos 67–71, Nikosia.

Limassol Marina Die Seebären unter den Touristen sollten den neuen Luxusjachthafen von Limassol mit seinen 650 Liegeplätzen anlaufen. Swimmingpool, Restaurants und viel Platz zum Spazieren lassen die ewig schaukelnden Planken vergessen. Menschen, die ihre Jachten immer im Blick haben wollen, können sich auch Apartments dazukaufen.

http://limassolmarina.com

Schlafen mit „ununterbrochener Stromversorgung“ und Essen im Niemandsland

Buch: „Zypern“, Merian Live, Klaus Bötig, 9,99 Euro

Veranstalter: Sun Trips, Berliner Nordzypern-Spezialist, verfügt über ein umfangreiches Programm und kam auch für die Kosten des Autors auf. suntrips.de
Ruefa/Zell am See veranstaltet von 12.–19. Oktober eine Wanderreise in Nordzypern. 980€ p. P./DZ, Tel.: 06542/471 47; ruefa.at

Schlafen: Bellaview Hotel, sicher eines der besten Hotels in Nordzypern, malerisch am Fuß des Fünf-Finger-Gebirges gelegen. Sagenhafter Blick über einen großen Teil der Nordküste der Insel, inklusive Sonnenuntergang. 21 Zimmer und Gourmetrestaurant. Das Hotel wirbt mit „ununterbrochener Stromversorgung“! Bellapais Yolu 2, Bellapais, Girne, 0090/39/281 611 55
bellaview.net

Korineum Golf Country Club: Der Luxus hat nun auch in Nordzypern Einzug gehalten. Das einzige Golfresort auf Nordzypern hat erst vor Kurzem geöffnet, ebenfalls am Fuß des Fünf-Finger-Gebirges gelegen. Die Zimmer der Fünfsterneanlage genügen hohen Ansprüchen. 18 Löcher verteilt auf 65 Hektar Land, das mit Olivenbäumen und Karob-Bäumen bestanden ist. Zum Strand muss man aber mit dem Auto fahren. Esentepe, Girne, 0090/39/260 015 00
korineumgolf.com

Essen: Zypriotische Spezialitäten im Innenhof der ehemaligen Karawanserei Büyük Han gibt's im Sedir Café. Leider ist das Lokal nur tagsüber geöffnet. Die Karawanserei aus dem 16. Jahrhundert wurde vor Kurzem aufwendig restauriert, 52 Räume sind bestückt mit Bildern, Kunsthandwerk u. Ä., Asmir Alti Sokagi, Nicosia

Home for Cooperation: Lohnenswert ist auch das neue Café mitten im Niemandsland zwischen leer stehenden Häusern. Hier koordiniert die Deutsche Kerstin Wittig verschiedene NGOs wie die „Peace Players“, um Initiativen zur Zusammenarbeit der geteilten Insel auszuarbeiten. Kostenloses Wifi, köstliche Kuchen und erhellende Gespräche! 28 Marcou Dracou Street, UN Buffer Zone, Nicosia 1102, 0090/ 35722445740, www.home4cooperation.info

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2013)

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