Gut aussehen, gut leben im milden Westen

Vancouver
Vancouver(c) REUTERS (ANDY CLARK)
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Frühstück im Bett mit dem Chef.“ Klingt etwas ungewöhnlich. Gemeint ist der Executive-Chef, der in diesem Fall eine Blondine in den Endzwanzigern ist.

Frühstück im Bett mit dem Chef.“ Klingt etwas ungewöhnlich. Gemeint ist der Executive-Chef, der in diesem Fall eine Blondine in den Endzwanzigern ist. Allerdings befindet sich diese nicht im Bett. Chefköchin Dana Hauser steht hinter einem Servierwagen in der Tür des Hotelzimmers. Während ein Mitglied des Servicepersonals die Vorhänge zurückzieht, nimmt sie die Haube von dem, was mit Frühstück nur unzureichend beschrieben ist: zwei Kuchen mit Meeresfrüchten und Sauerrahm, garniert mit hauchdünn gehobelten Trüffelscheiben und begleitet von grünem und weißem Spargel. Dazu köstliche, hausgemachte Heidelbeer-Muffins mit Butter und Marmelade, und, weil dies Nordamerika ist, ein Fläschchen Heinz-Tomaten-Ketchup. Daneben, als hätte die rote Soße sich in diesem Umfeld nichts vorzuwerfen, Kaffee, frisch gepresster Fruchtsaft und ein Glas Champagner.

Kein schlechter Start in den Tag, dazu noch Landeskunde in ihrer angenehmsten Form. Denn die meisten Frühstückszutaten stammen vom nahen Granville Island Public Market und einige gar aus dem eigenen Kräuter- und Gemüsegarten des Fairmont-Waterfront- Hotels. Auf einem Terrassendach im dritten Stock gedeihen mehr als 60 Gemüse-, Obst- und Kräutersorten.

Ohnehin ist es keine schlechte Idee, sich der Metropole British Columbias mit dem Gaumen anzunähern. Denn im Leben der Bewohner Vancouvers spielen kulinarische Genüsse eine wichtige Rolle, auch wenn man das diesen getrimmten Menschen kaum ansieht. Vor dem Fenster breitet sich der Hafen aus. Von der Kreuzfahrtmole legt ein Megaliner nach Alaska ab, Wasserflugzeuge starten und landen. Kanadas Tor zum Pazifik ist lebhaft, betriebsam – und sehr entspannt.

Zwei Millionen Menschen leben in der Stadt, die mit Wien und Zürich immer wieder um den Spitzenplatz im Ranking „Lebenswerteste Stadt der Welt“ rittert, die von Mercer alljährlich erstellt wird. 22 Prozent sind Asiaten, auch sonst ist die Mischung so multinational, dass man jeden Abend auf kulinarische Weltreise gehen könnte.

Nach der Arbeit ins Kajak

Schon die Lage ist berückend schön: Im Norden und Osten Berge, im Westen das Meer, im Süden ragt der Vulkankegel des Mount Baker im US-Bundesstaat Washington auf. Dazwischen liegt die Stadt, in der alle Menschen schlank sind und aktiv, tagsüber mit Coffee-to-go herumlaufen und nach der Arbeit aufbrechen zum Kayaking in der English Bay oder zum Skifahren auf dem Grouse Mountain, weil Vancouver so viel mehr zu bieten hat, als man an den Wochenenden schaffen kann.

Das alles ist sehr angenehm, aber auch teuer: „Wir haben die höchsten Lebenshaltungskosten in Kanada, aber die sind es uns wert“, erklärt Taxifahrer Bill. „Wir arbeiten, um hier zu leben.“ Wo sonst schon könne man innerhalb eines Radius von dreißig Autominuten allen erdenklichen Sportarten frönen? Sport ist die zweite große Leidenschaft der Bewohner Vancouvers. So ist es nicht ungewöhnlich, das erste Date auf Rollerblades anzusteuern. Dass „Lulu Lemon“, eine Marke für Yoga-Kleidung, von hier aus einen weltweiten Siegeszug begann, ist kein Zufall. Jeder hier scheint in Yoga versiert – und auch, wer keine Ahnung hat von Lotussitz und Sonnengruß, läuft im Yoga-Outfit umher, das Ausdruck, wenn nicht Uniform des westkanadischen Way of Life ist.

Weil der Lebensstil so entspannt ist, die Menschen Wert darauf legen, gesund zu leben, gut auszusehen und sich gut zu fühlen, nennt man Vancouver auch das kanadische Kalifornien. Ganz weltoffene Westküste eben mit einer kanadischen Extraportion Toleranz – Spannungen zwischen Rassen oder Nationen sind weitgehend unbekannt, die Atmosphäre ist friedlich. „Wenn Terroristen nach Vancouver kämen, dann würden sie hier Urlaub machen“, witzelt Taxifahrer Bill.

Weltoffenheit auch in der Markthalle auf Granville Island, einer Insel im False Creek, einem Seitenarm der George Strait. Hier türmen sich Köstlichkeiten aus vielen Ländern, italienisches Brot, französische Croissants, deutsches Rauchfleisch, Lachs aus Alaska, pazifische Austern und Abalonen, grüne Chili-Schoten aus Thailand, handgemachte Tortellini und Spinat-Gnocchi, frische Heidelbeeren und Ingwerwurzeln.

Nächster Punkt bei der Erforschung westkanadischen Lebensstils: ins Freie streben, aufs Wasser oder auf einen Berg, Hauptsache outdoor. Also: Auf dem False Creek mitten in der Stadt in ein Kajak steigen. An einem fetten Seelöwen vorbei bis zur English Bay paddeln. George Vancouver, der hier vergeblich nach einem Wasserweg zur Ostküste suchte, taufte die „englische“ Bucht 1792. Beim Paddeln gilt: Immer schön rechts halten, denn es ist ganz schön was los auf dem Wasser. Und: Zwischendurch die Paddel sinken lassen und den Anblick der Stadt im Sonnenschein bewundern. Dann aufwärts. Auf den Grouse Mountain, Vancouvers 1231 Meter hohen Hausberg, den man winters nach der Arbeit aufsucht, aber auch in schneefreier Jahreszeit. Die dauert an der kanadischen Westküste recht lang, ist das Klima doch deutlich milder als im Herzen und im Osten des riesigen Landes. Am Beach Drive wachsen sogar ein paar Palmen.

Oben besuchen wir Kooler und Grainder, zwei Grizzlys. Als verwaiste Jungtiere wurden sie in einem Gehege aufgezogen, jetzt residieren sie naturnah auf dem Berg. Die echte Wildnis ist in Kanada aber nie weit weg: Ein paar hundert Meter weiter oben quert doch tatsächlich ein wilder Grizzly gemächlich den Bergrücken. Kein Zaun hält ihn auf Distanz.

Zahmer geht es im Stanley Park zu. Zehn Kilometer lang ist der Rundweg um den Park, ein großer Teil führt am Wasser vorbei. Einheimische erkennt man daran, dass sie ein Sportgerät bedienen, Cricket oder Rugby spielen. Die Inder Vancouvers gehen es ruhiger an und breiten auf dem Rasen Decken zum Picknick in der Sonne aus. Touristen lassen sich vor einer eindrucksvollen Kollektion von Totempfählen fotografieren – und immer wieder vor der Skyline der schönen Stadt. Hotels und Restaurants in Vancouver Seite R 2

Auf einen Blick

Anreise: Lufthansa fliegt ab Frankfurt und München nach Vancouver (im Mai ab 807 Euro). Zubringerflüge ab Wien mit AUA. www.lufthansa.comwww.austrian.com

Allgemeine Auskünfte: Canadian Tourism Commission, www.hellobc.com, www.meinkanada.com.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2013)

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