Selbstversuch: Riverfloating in Finnland

Riverfloating in Finnland
Riverfloating in FinnlandFinne
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Gut verpackt auf dem Rücken den Fluss hinuntertreiben, Wolken bestaunen, den Finnen missverstehen, hinterher warm duschen und saunen: Riverfloating in Finnland.

Tampere. Lufttemperatur: heiße 15 Grad. Wind: ja. Wassertemperatur: sieben bis acht Grad. Ein absolut verführerisches Szenario also für ein Flussabenteuer. Zumindest in Finnland. Genauer: bei Tampere, nördlich von Helsinki. Dort kann der unerschrockene Finnland-Gast, der als sich zu wohl fühlender Esel gerade kein Eis findet, sein Diplom als Koskikellunta, auch Riverfloater genannt, machen. Aber die Wassertemperatur kommt dem Gefrorenen ja eh ziemlich nahe.

Nun denn. Die Weicheier unter den Besuchern aus südlicheren mitteleuropäischen Gefilden verweigern den Versuch und entern ein Schlauchboot – nicht ohne unseren Verkleidungsakt hämisch zu begrinsen. Dazu zieht man die Schuhe aus, legt möglichst allen Schmuck (Ohrringe!) und auch die nicht wasserdichte Uhr ab und schlüpft in einen Fließoverall. Dann kommt die Außenhülle dran, ein oranges Monstrum, wie man es auf Bohrtürmen trägt, und an dem hinten ein kleines Polsterl für den Kopf hängt. Sämtliche Zipps werden verzurrt, eine Gummihaube, die einem die letzte Würde nimmt, wird übergestülpt und würgt wasserdicht. Schließlich wird ein Helm aufgesetzt und ebenfalls würgend festgeschnallt. Handschuhe und Schwimmweste vervollständigen das elegante Aussehen. Und dann wankt man ins Wasser.

Und siehe da, es ist gar nicht kalt, nur leicht kühl, man „schwebt“ auf den Wellen, schaut gen Himmel – und findet sich höchst mutig. Die unablässig grinsenden Bootsfahrer ernten verächtliche Blicke unsererseits, während wir wie Korken auf den Wellen dümpeln, ohne jede Ahnung, wohin und warum.

Die Eleganz des Floatens

Wir sind zu dritt, umkreist von einem kleinen Bötchen, in dem ein Finne mit unklaren Gesten und in einer unverständlichen Sprache für unsere Sicherheit sorgen soll. Wir treiben also herum, von der nicht sehr eindeutigen Strömung einmal dahin und einmal dorthin gezogen, während der Rettungsmann fröhlich lächelnd in verschiedene Richtungen zeigt. Wir paddeln umständlich mit unseren Händchen, die Füße voran, und recken mühsam, gegen den Widerstand der diversen Wülste, den Kopf hoch, um sehen zu können, wohin uns der Finne zu steuern versucht. Für uns alle drei eindeutige, aber offenbar missinterpretierte Zeichen – Finnisch ist auch als Handbewegung schwer zu verstehen – treiben uns in einen ufernahen Strudel, in dem wir drei orangen Mistkäfer Ringelreihen spielen.

Doch da ist er wieder, der fuchtelnde Finne, und zieht uns mit einer Leine in die Strömung zurück. Was der Eleganz des Floatens nicht gerade zuträglich ist, den Unterhaltungswert für die beobachtenden Bootsfahrer jedoch steigert, diesen Memmen! Irgendwie schafft er es, uns wieder von der Leine zu lassen, die wir doch recht dankbar umklammert haben, und weiter geht das Wassergleiten. Wunderbare Wolkenformationen, manchmal ein paar schwappende Wellen, die verschluckt werden müssen, verursacht durch dieses widerliche Zuschauerboot, von dem aus auch noch Fotos und Videos gemacht werden. Und dann die erste Brücke. Mit Brückenpfeilern.

Alle drei orangen Mistkäfer schaffen es quietschend und paddelnd und plätschernd, nicht auf die Betonhindernisse zu knallen, von den aufmunternden Zurufen des fidelen Finnen und der immer dämlicher grinsenden Bootsinsassen begleitet. Nach gefühlten zwei Stunden, die angeblich nur 40 Minuten gedauert haben, nach weiteren zwei Brücken, langen Wolkenmeditationen, mit klammen Händen und feuchtem Genick – trotz Würgegummi schafft Wasser es auch durch engste Kappen – wird man dann vom Beobachterboot aufgefischt, wälzt sich wie ein Walross an Bord und glaubt, in den Augen der Warmduscher eine gewisse Hochachtung aufblitzen zu sehen. Aber das kann auch Mitleid gewesen sein.

Apropos Warmduscher: Diese Option steht dann am Ziel offen, weiters Sauna, Gegrilltes, Wein, Bier und finnischer Tango in der langen rosa Abenddämmerung. Und die Verleihung des Diploms „On suorittanut koskikellunnan Lempäälän Kuokkalankoskessa“, was immer das bedeuten mag. Schön war's!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2013)

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