Down Under: Der Python kommt zum Abendessen

Down Under: Der Python kommt zum Abendessen
Down Under: Der Python kommt zum Abendessen(C) Stefanie Bisping
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Unterm Treehouse-Restaurant lebt ein fünf Meter langer Python. Selten lässt er sich blicken.

Im Winter kommt er gelegentlich hervor, ringelt sich um einen Baumstamm und wärmt sich ein wenig auf. Einsam ist das Tier nicht: „Er hat mehrere weibliche Pythons zur Gesellschaft, aber die sind nur ungefähr drei Meter lang“, erklärt Paul Van Min, Manager der Silky Oak Lodge, vergnügt.

Doch wer im Daintree Forest im Nordosten Australiens angekommen ist, ist meist schon ruhiger geworden angesichts der vielfältigen Schrecken der hiesigen Fauna. Und so glauben wir gleich, dass im Mossman River zu Füßen der Lodge nur Schildkröten und Frösche leben – nicht aber Krokodile, wie Paul versichert.

Der frühere niederländische Tennisprofi kam 2009 aus Melbourne, um das etwas angejahrte Hotel in eine luxuriöse Öko-Lodge zu verwandeln. „Ich hatte die Wahl: entweder weitere zehn Jahre in Melbourne oder etwas völlig Neues.“ Also gab Van Min das Tennisgeschäft und die Mitarbeit bei den Australian Open auf und ging in den Regenwald. Heute wird in der Lodge gefiltertes Fluss- als Trinkwasser genutzt, Abwässer werden aufbereitet; nächstes Projekt ist die eigene Stromerzeugung.

Das Weltnaturerbe Wet Tropics macht nur 0,01 Prozent der Fläche Australiens aus, besitzt aber die größte Artenvielfalt des Kontinents. Der mit 150 Millionen Jahren älteste Regenwald der Welt ist nicht nur eine einzigartige Destination, er bedarf vor allem besonderen Schutzes. Nur logisch ist, dass seine rechtmäßigen Bewohner in der Silky Oak Lodge nicht verscheucht werden. Auch nicht, wenn sie mehrere Meter lang sind. Ein magischer Ort: Kaum schafft es die Sonne durch das grüne Dach. Dass die Lodge auf gerodetem Farmland erbaut wurde, ist nicht mehr zu erkennen. Der Regenwald hat die Stelzen der Häuser längst überwuchert. Am Morgen ist die Luft erfüllt von Vogelstimmen. Auf den Balkonen schaukeln Hängematten. Hier würde man gerne den Tag verstreichen lassen, bis es Zeit ist für einen Drink in der Bar, untermalt von den Geräuschen des Regenwaldes. Im Treehouse-Restaurant wird das Dinner aufgetragen. Einzig der französische Küchenchef Laurent Pedemay wurde importiert; alle Zutaten stammen aus der Umgebung. Der Python bleibt unsichtbar.

Spezieller Vogel

Die Lage im einzigen Gebiet der Welt, in dem mit dem Great Barrier Reef und dem Regenwald zwei Weltnaturerbestätten aneinandergrenzen, macht den Weg zum Ziel. So einzigartig ist diese Landschaft, durch die der Captain Cook Highway an der Küste nach Norden führt, so außergewöhnlich sind Fauna und Flora. Und gefährlich mitunter. „Cassowarys haben schon Menschen getötet“, erzählt Regenwaldguide Glenn über den fast straußengroßen Vogel mit blauem Hals und großen, scharfen Klauen, der für den Erhalt des Regenwaldes wichtig ist und mit geschätzten tausend Exemplaren im Daintree-Forest-Nationalpark als höchst gefährdet gilt. Aufgabe des Riesenvogels ist es, die Samen von 30 verschiedenen Bäumen zu verdauen, damit sie im Boden keimen können. Sind sie nicht damit beschäftigt, bewachen die Männchen Gelege und Jungtiere so eifersüchtig, dass Begegnungen mit ihnen riskant sein können.

Auch sonst herrscht an Tieren kein Mangel. Nördlich von Port Mc Douglas, einer tropischen Kleinstadt, die dem vorgelagerten Riff am nächsten liegt, erstrecken sich zwischen Bergen und Meer Zuckerrohrfelder. In sie sollte man keinen Fuß setzen – nicht nur, weil sie nicht hierher gehören und ökologisch fragwürdig sind, sondern weil Schlangen sich in ihnen sehr wohl fühlen. Zwischen diesen Feldern liegt Mossman, das im Wesentlichen aus einer Zuckermühle und Schienen besteht, auf denen Rohrzucker transportiert wird. Sechzig Prozent der Bewohner sind Aborigines. Mit dem Mossman Gorge Center befindet sich außerhalb ein Stück Regenwald, in dem Angehörige der Kuku Yalanji seit 2008 bei „Traumzeit-Wanderungen“ ihren traditionellen Lebensstil begreiflich machen – mittlerweile 300.000 Besuchern im Jahr. Zuvor hatten die meisten von ihnen in Plantagen gearbeitet.

„Alles hat seinen Platz und eine Bedeutung“, erklärt Robbie Lafragua, genannt Skip, seine uralte Kultur: „Der Regenwald hat eine ungeheure Energie.“ Den Gästen, die Skip durch den reinigenden Rauch eines Feuers führt, bevor er mit ihnen in die Schlucht des Flusses steigt, raubt die Hitze zuerst aber alle Kraft. Dann ruft Skip in den Wald, um die Erlaubnis der Vorfahren für unseren Besuch einzuholen und eilt mit großen Schritten voran. Er erzählt, dass hier einst ein kämpferischer Stamm von Frauen lebte. Sie duldeten Männer erst, nachdem ein männliches Baby, das sie ins Meer geworfen hatten, von Delfinen zurückgebracht wurde. „Das kann tausend Jahre her sein oder zweitausend“, sagt Skip. „Wir leben ohne Zeit.“ Er zeigt giftige Pflanzen und heilende; der Regenwald ist Apotheke, Lebensmittelgeschäft, Baumarkt. Skip demonstriert, wie man Hütten baut und Speere fertigt – sein persönlicher Rekord im Speerwurf liegt bei 131 Metern.

Zu kalt für Krokodile

In der Schlucht dürfen wir ins Wasser tauchen – „Regenbogenwasser“, das heilende Kräfte besitzt. „Zu kalt für Krokodile“, beruhigt Skip, und ohnehin machen die vielen Felsen das Flussbett untauglich für diese Tiere. Dafür gebe es Süßwasseraale, so groß, dass sie 20 oder 30 Leute satt machen, Flusskrebse und Schildkröten. Skip erzählt von dem babylonischen Sprachgewirr der Regenwaldvölker. Vier große Gruppen gibt es zwischen Port Douglas und Cooktown im Norden; jede spricht bis zu 150 verschiedene Dialekte.

Je weiter man nach Norden fährt, desto näher rückt das Great Barrier Reef an die Küste. James Cook segelte 1770 mit wachsender Verzweiflung in diese Richtung, wie die Namen bezeugen, die er verteilte: Mount Sorrow, Desparation Point, Cape Tribulation. Hier erreichte seine Trübsal ihren Höhepunkt, als er nach Wochen des Hoffens, dass die endlose Kette tückischer Riffe enden würde, mit der Endeavour auf Grund lief.

Heute ist Cape Tribulation die nördlichste Stadt, die ohne allradbetriebenes Fahrzeug zu erreichen ist. 1988 erklärte die Unesco den Daintree Forest zum Weltnaturerbe. Es war ein Sieg des Umweltschutzes in letzter Minute, nachdem das Land zuvor immer schneller erschlossen worden war.

Jenseits des Daintree River ist die Natur fast unberührt. Der brückenlose Fluss und die Krokodile sorgten dafür, dass niemand auf die Idee kam, hier Zuckerrohr anzubauen. Auch heute noch ist das Leben hier anders als südlich des Flusses. Strom gibt es nur durch Generatoren oder Solarzellen, Geschäfte und Tankstellen sind rar, das Mobiltelefon bleibt stumm. „Es ist eine besondere Art Menschen, die hier lebt“, sagt Glenn. Viele von ihnen seien auf der Flucht vor irgendetwas – das glaube man in Port Douglas. In den Sprengeln Cow Bay und Cape Tribulation lacht man darüber. Doch während der Regenzeit, wenn alles verriegelt wird, keine Gäste kommen und nichts zu tun ist, kann die Landschaft tatsächlich eine eigentümliche Tristesse verströmen.

Auf dunkelgrünen Bergrücken sacken Wolken, an der Küste erstrecken sich Sandstrände von geradezu unwirklicher Schönheit. Heute kauft die Regierung hier Häuser auf und ersetzt Bananenplantagen durch einheimische Pflanzen. Ziel ist, den Regenwald wieder zu vergrößern. So soll auch der Cassowary vor dem Aussterben gerettet werden. Wir aber sehen ihn erst im Zoo in Cairns.

Tauchstation im Regenwald

Anreise: z. B. mit Singapore Airlines täglich ab Frankfurt oder München via Singapur nach Brisbane; von dort mit Virgin Australia nach Cairns. Tipp: Visit Australia Airpass mit Inlandsflügen des Partners Virigin Australia ab ca. 60 € www.singaporeair.de

Übernachten: beim Daintree-N.-P.: Silky Oak Lodge, DZ um 400 € /Nacht www.silkyoakslodge.com.au; in Port Douglas: große Auswahl an Fewos, z. B. Cayman Villas ab 148 €/ Nacht, www.caymanvillas.com.au

Lesen: Bruce Chatwins Klassiker „Traumpfade“; Bill Brysons unterhaltsames „Frühstück mit Kängurus: Australische Abenteuer“

Informieren: Tourism Queensland, www.queensland-australia.eu/de

Die Kosten der Reise trugen Tourism Queensland und Singapur Airlines.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2013)

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