Kopenhagen: Bei Larsens auf ein Smørrebrød

Kopenhagen Larsens Smrrebrd
Kopenhagen Larsens Smrrebrd(c) www.bilderbox.com (Erwin Wodicka)
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Nein, wir sind keine uralten Freunde. Dies ist auch kein besonders raffiniert ausgedachtes Geschäftsessen. Wir kennen uns seit genau zehn Minuten.

Uffe wendet die Schweinsmedaillons in Mehl, Kirsten arrangiert marinierten Hering auf Schwarzbrot, und wir, der Journalist und seine Frau, sitzen am Küchentisch und trinken Carlsberg. Nein, wir sind keine uralten Freunde. Dies ist auch kein besonders raffiniert ausgedachtes Geschäftsessen. Wir kennen uns seit genau zehn Minuten.

Der 32-jährige Uni-Assistent mit dem Pferdeschwanz und seine ein Jahr ältere Freundin, ausgebildete Molkerei-Ingenieurin, sollen und wollen uns heute Abend dänisches Essen, dänisches Wohnen und ein wenig dänische Lebensart näherbringen. So will es das Konzept der Agentur Meet the Danes, die einmal im Monat zwei bis vier Überraschungsgäste zu ihnen schickt. 200 Paare, Wohngemeinschaften und Familien in Kopenhagen erhalten in Abständen solchen Besuch. „Finanziell lohnt es sich nicht besonders“, sagt Kirsten. „Wir machen es aus Neugier. Dieser spannende Moment, wenn es unten klingelt und man nicht weiß, wer jetzt die Treppe heraufkommt.“

„Gehen wir ins Wohnzimmer“, schlagen die Dänen vor. Ein knarrender, hell geschliffener Dielenboden, Plakate von Kunstausstellungen, ein langer Tisch mit Designerstühlen. Uffe gießt Dill-Aquavit ein, zum Hering ein bisschen Plauderei über Immobilienpreise, Kino, Squash und Politik. Dann tragen die beiden den Hauptgang auf: Moerbrad med bloede loeg, kartofler og agurkesalat. „Das Essen ist gar nicht so wichtig, haben wir festgestellt“, sagt Kirsten. Und erzählt, wie sie ausgerechnet einer Amerikanerin, die noch nie Fisch mit Gräten auf ihrem Teller hatte, eine gebratene Scholle vorsetzten, die Königsdisziplin im Fischezerlegen. Mit dem heutigen Lendenbraten mit Zwiebeln haben sie sich sehr bemüht.

Wie hat sich Kopenhagen in den letzten Jahren verändert? „Nett ist es geworden“, sagt Uffe und lächelt versonnen. „Im Positiven wie im Negativen.“ Ob im alten Rotlichtviertel Vesterbro oder im Schmelztiegel Noerrebro, es verschwinden immer mehr die grindigen Ecken, die Trinker in den Hauseingängen, die muffigen Trödelkeller. Stattdessen moderne Cafés, Bagelshops und Antiquitätenläden. „Oh, und beim Hafen ist alles in Bewegung.“ Begonnen hat es 1999 mit dem Schwarzen Diamanten, dem Anbau aus schwarzem Granit an die Königliche Bibliothek. Jetzt wachsen auch nach Süden hin Bürohäuser und Appartements aus dem Boden. Nicht alles ist gelungen – spitze Zungen sprechen von der „Klagemauer“, die dort entsteht. Einig ist man sich dagegen, was die gute Qualität des Wassers angeht. Inzwischen entdeckten die Kopenhagener gar ihren Hafen neu als Freibad. „Das Stadtleben ist an den Hafen zurückgekehrt“, sagt Kirsten, während sie Kransekager, kleine Marzipanrollen, anbietet. „Aber das seht ihr euch am besten selbst an.“

Architekturbüro im Hausboot

Kajak-Ole erwartet uns an Gammel Strand, dem Kanal gegenüber der Schlosskirche. Hier hat der blauäugige Wikinger seine Kajaks liegen. Eine schnelle Einweisung – und der Kurztrip beginnt: vorbei am gezwirbelten Drachenschwanz-Turm der Börse, über die breite Rinne des Inneren Hafens, hinein nach Christianshavn. Am Ufer des Kanals sind Haus- und Ruderboote vertäut, selbst ein Architekturbüro hat sich auf Planken niedergelassen. Golden blitzt die Wendeltreppe vom Turm der Erlöserkirche herunter, kühl gluckert das Bier in einem der schwimmenden Cafés durch die Kehle. Dann geht es an der abgeschrägten, funkelnden Fassade des Schwarzen Diamanten vorbei wieder zurück.

Auch Steen hat in Christianshavn sein Büro. Der gelernte Historiker lädt zur City-Safari per Rad, jede Tour hat ein bestimmtes Thema: Architektur des 20.Jahrhunderts, Ökologie in der Großstadt, die Stadt des H.C. Andersen.

Die sechs Schwestern aus Malmö wollen sich an diesem Morgen „Jüngste Entwicklungen“ sehen. Über Kopfsteinpflaster holpert die Gruppe nach Holmen, wo bis vor zehn Jahren die Marine hauste. Jetzt sind Konservatorium, Film- und Architekturschule in die alten Backsteinschuppen eingezogen. Ganz in der Nähe liegt die neue Oper, 125 Meter lang und 90 Meter breit. Ein nobles Geschenk – Maersk McKinney-Moeller, der reiche, mittlerweile verstorbene Reeder, vermachte den 200 Millionen Euro teuren Bau seiner Stadt. Kopenhagen ist aber immer noch die Stadt, sich einfach treiben zu lassen. Soll es schneller gehen, nimmt man die neue U-Bahn. Oder einen der „Wasserbusse“. Regelmäßig verkehren sie den Inneren Hafen hinauf und hinunter und passieren dabei Marmorkirche, Schloss Amalienborg und die bunten Häuser am Stichkanal Nyhavn. Doch es passiert schon einmal, dass das Boot an Nordre Toldbot nicht anlegen kann, weil sich ein größerer Menschenpulk gebildet hat. Schulklassen schwenken rot-weiße Fähnchen, Mädchen in weiß-blauer Uniform machen Musik, das Fernsehen ist da. Und die Königin. Ganz in rot winkt Margrethe II. den Menschen zu. Ein Staatsbesuch? „Nein“, winkt ein Graubart in gelber Radlerhose ab, „das ist nur der Anfang ihrer Sommertournee.“ Kopenhagen auf neuen Wegen, schön und gut. Aber so viel Tradition muss in Dänemark sein.

Essen in der Welthauptstadt der neuen skandinavischen Küche – Infos

Homedinner:
Das Abendessen kostet für zwei bis sechs Personen umgerechnet 56 Euro p.P., für sieben bis 20 Leute 50 Euro p.P. Es umfasst zwei bis drei Gänge, Wein, Kaffee. „Dine with the Danes“: +45/232 843 47, meetthedanes.dk

Übernachten:
The Square: Der Bahnhof ist in der Nähe, eine bessere Innenstadtlage zum halbwegs bezahlbaren Preis findet man kaum. Die Zimmer sind nicht allzu groß, aber ebenso wie Lobby und Frühstücksraum schön skandinavisch durchgestylt: rechte Winkel, viel Beige, Braun und Creme. DZ ca. 135€. Radhuspladsen 14, +45/333 812 00,thesquarecopenhagen.com

Hotel Andersen: frisch bunt und fröhlich. Das Hotel wurde erst 2012 eröffnet. Es liegt im angesagten Schlachthofviertel Vesterbro, 200Meter vom Bahnhof entfernt, wo am Wochenende das Leben tobt. Die Zimmer sind individuell gestaltet (in den zwei Farbkonzepten Mermaid und Princess) , bekannte Designer steuern kleine Extras bei. Helgolandsgade 12, 1653 Kopenhagen V,
+45/ 333 143 44, andersen-hotel.dk

Extratipp:
Herold's Varehus“ :
Ab 1923 betrieb Henri Herold seinen Gemischtwarenladen, die ganze Einrichtung stammt noch von damals. Noch viel besser aber ist, dass immer noch einige Waren aus der Anfangszeit im Angebot sind: Gurkenhobel, Kochlöffel, Zahnbürsten aus Holz. Daneben liegen Ausschneidepuppen, Blechspardosen, Stinkbomben und Skelettkostüme, Altes neben Neuem, seltene Antiquitäten neben Ramsch. Der Platz für ein unverwechselbares Kopenhagen-Souvenir! Oeresundvej 21, Di 10.30–17.00, Mi–Fr: 10.30–17.30, Sa.: 10.00–14.00., +45/32 5831 74, heroldsvarehus.dk

Essen und Trinken:
Geranium: Neue skandinavische Küche serviert nicht nur das auf Monate ausgebuchte Noma. Auch im Geranium, mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet, stehen Produkte aus dem Norden im Mittelpunkt einer höchst ausgeklügelten Küche. 22Gänge umfasst das Degustationsmenü, es dauert drei Stunden und ist mit umgerechnet 195 Euro alles andere als billig (korrespondierende Weine dazu 175 Euro, Säfte 80 Euro). Kostproben gefällig? Gesalzene Makrele mit gefrorenem Dill und Rettich. Krabbenschwanzpaste mit Seehasenrogen und grünen Erdbeeren. Per Henrik Lings Alle 4,8, +45/699 600 20, geranium.dk

Madklubben: Es geht auch billiger. Gazpacho, Krabben, Rindertatar, neue Kartoffeln mit Vinaigrette, Graupenrisotto, Rindersteak – in diesem Bistro kostet jeder Gang 50DKK, bei Besonderheiten wie etwa Jakobsmuscheln mit Erbsengrün kommt ein Aufschlag dazu. Das Angebot steht auf den Tischsets, es geht laut und fröhlich zu, und es ist nicht immer leicht, einen Platz zu bekommen. „Ehrlich schmeckt am besten“, lautet das Motto. Store Kongensgade 66, +45/333 232 34, madklubben.dk

Madeleines Madteater: Essen ist Kunst, Essen ist Theater. Kurios. +45/33140555; madeleines.dk

Informationen: visitcopenhagen.de trug die Kosten dieser Reise.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2013)

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