Berlin: Enten, die am Backhendl vorbeipaddeln

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Angesagte Adressen: Auf der Ost-West-Achse zwischen Friedrichshain und Mitte hat sich eine Vielzahl an Bars, Restaurants und Shops angesiedelt. Neues gibt es auch im Szenequartier Kreuzberg.

Wo die Stadt schön schaurig ist und manchmal trist, wird den Berlinern erst richtig warm ums Herz. Die Torstraße etwa, eine immer noch recht marode Ost-West-Achse, erfährt gerade einen Ansturm von Trendsettern, Partylöwen und Fashionistas. Wer sich den Spaß macht, die zwei Kilometer vom Oranienburger Tor bis zum Rosa-Luxemburg-Platz entlangzulatschen, wird etwa zwei Tage brauchen, um all die angesagten Bars, Shops und Restaurants zu entern, die auf dem Weg liegen.

Da ist etwa das total schwarz gehaltene Toca Rouge mit chinesischer Fusionsküche. Burgerfreunde hingegen lieben das Tartane. Im Bistro 3 minutes sur mer bestrahlen Lampen aus dem abgerissenen Berliner Palast der Republik die mit Kaninchenragout gefüllten Teller der Designer-Boheme. Vegane Küche ist momentan der Berliner Küchentrend – gleich um die Ecke der Torstraße kocht ein Guru der Szene: Björn Moschinski hat mit seinem Restaurant eine appetitlich duftende Trutzburg geschaffen, in der aber auch deftige Currywürste oder Kohlrouladen nicht viel anders schmecken als aus der Zubereitung konventioneller gutbürgerlicher Küche. Dazu lässt das gemütliche Interieur staunen, schließlich befindet man sich eigentlich in einem schnöden DDR-Plattenbau, was aber nicht auffällt.

Sättigungstechnisch versorgt kann man jetzt auf der Torstraße weiterziehen. Das bekannteste Café-Büro der Stadt ist das St.Oberholz am Rosenthaler Platz, wo den Gästen die Notebooks an den Fingern angewachsen scheinen. Auf einen Drink einkehren kann man abends in der Neuen Odessa Bar, Selbstgebrautes gibt's im W.Prassnik. Und hier jubelt die Avantgarde: Der Happy Shop verkauft einige Labels exklusiv in Europa. Im No. 74 mimt Adidas den kreativen Einzelhändler und verkauft hinter einer angeranzten Fassade teure Sonderkollektionen. Viele kleine Atelierboutiquen in der Torstraße verkaufen Mode und Zeugs, das es nur einmal gibt: hier.

Futterkrippen der Kunstszene

Aber auch im Szenequartier Kreuzberg tut sich etwas. So öffnete im März endlich wieder das Katerschmaus. Auf dem Gelände des Clubs Kater Holzig sieht es aus, als hätte sich Pippi Langstrumpf ein neues Zuhause gebaut. Viel Holzbudencharakter, dazu die Uferlage an der Spree und ein Restaurant mit qualitativ guter regionaler Küche – mehr braucht es nicht für eine angesagte Futterkrippe der Kunst- und Nightlife-Szene.

Etwas weiter flussaufwärts lockt das Rio Grande mit bester Alpenküche und Tischen auf Höhe des Wasserspiegels der Spree, wahrlich ein erbaulicher Anblick, wenn Enten quasi direkt am Tisch vorbeipaddeln! Backhendl und andere österreichische Spezialitäten sorgen für ein Rundum-Wohlgefühl. Frühstück und Mittagstisch lassen sich spontan ansteuern, für den Abend sollte man reservieren. Im Fabrics im nhow Hotel auf der anderen Spreeseite geht es futuristisch zu: Das Interieur würde im Raumschiff Enterprise kein Aufsehen erzeugen. Hier aber fühlt man sich ein wenig „outer space“. Grüne Pop-Art-Möbel aus dem Entwurf von Stardesigner Karim Rashid, dazu kreative Menüs und Gerichte à la Hummerravioli oder Praline vom Ikarimi-Lachs. Die modernen Interpretationen der klassischen deutsch-französischen Küche schaffen vor den Hammer-Panoramafenstern mit Blick auf die Spree und die Oberbaumbrücke unvergessliche Impressionen.

Wer wissen will, was die Berliner Küche so spannend macht, sollte sich ein elektrisierendes Erlebnis im Volt gönnen. Chefkoch Matthias Gleiß tischt neue Berliner Küche im ehemaligen Umspannwerk auf. Kalbsleber Berlin-Kreuzberg oder Blutwurstravioli mit gebratener Entenleber und Cox-Apfel, aber auch Vegetarisches, saisonales Gemüse und Zutaten aus der Region bestimmen die Speisekarte. Den Berlinern gefällt's, unbedingt reservieren! Der Industriecharme des Ambientes sorgt für ungewöhnliche Eindrücke.

Für einen gepflegten Absacker sollte man derzeit in Berlin unbedingt einige Treppen steigen, etwa in die Bar Lebensstern in der ersten Etage der Villa der ehemaligen Stummfilm-Diva Henny Porten. Sie zählt laut Fachmagazin „Drinks International“ zu den 50 besten Bars der Welt. Noch höher hinaus geht's in Berlins schönster Skybar im 14. Stock des Andel's Hotels mit Blick über die Lichter der Großstadt. Donnerstags legt ein DJ auf. Eine Etage tiefer serviert das Skycafé tagsüber köstliche Torten. Und wer jetzt noch ein Bett für die Nacht sucht, sollte das neue Hotel The Stue im alten Berliner Botschaftsviertel testen. Durch Panoramafenster schaut man auf die Strauße und Bäume im Zoo. Die Einrichtung von Designerin Patricia Urquiola ist erste Sahne, alle Zimmer verfügen über iMacs und Docking-Stationen. Im Hotelrestaurant 5 – Cinco by Paco Pérez essen Sie erstklassig spanisch. Paco Pérez ist einer der besten Köche Europas und hat mit seinem Restaurant Miramar in Llança bereits international begeistert. Ein Erlebnis ist das Degustationsmenü mit 25 (!) Gängen. Danach bietet sich ein Spaziergang durch den finsteren Tiergarten an: schaurig, aber krass!

CHIC ESSEN, TRINKEN, EINKAUFEN, SCHLAFEN, RAUCHEN – BERLINER ADRESSEN

Toca Rouge, Mo–Frab 12, Sa, So ab 17 Uhr, Torstr. 195, Tel. +49/(0)30/847 121 42, www.tocarouge.de

Tartane, tgl. 18–2 Uhr, Torstr. 225, Tel. 030/447 270 36, www.tartane.de

Bistro 3 minutes sur mer, tgl. ab 12 Uhr, Torstr. 167, Tel. 030/673 020 52, www.3minutessurmer.de

Kopps Bar & Restaurant, (Mitte), Linienstraße 94, Tel. 030/432 097 75, täglich offen ab 8.30 Uhr bis open end, Samstag und Sonntag Brunch ab 10.00 Uhr, U8 Rosenthaler Platz, www.kopps-berlin.de

St. Oberholz, Mo–Fr ab 8, Sa, So ab 9 Uhr, Rosenthaler Str. 72a/Ecke Torstr., Tel. 030/240 855 86, www.sanktoberholz.de

Neue Odessa Bar, tgl. ab 20 Uhr, Torstr. 89

W. Prassnik, tgl. ab 19 Uhr, Torstr. 65

Happy Shop, Mo–Sa 11–19 Uhr, Torstr. 67, Tel. 030/290 095 01, www.happyshop-berlin.com

No. 74, Mo–Sa 12–20 Uhr, Torstr. 74, Tel. 030/530 625 13, www.no74-berlin.com

Katerschmaus, Di–Sa ab 19 Uhr, So, Feiertag & Mo Ruhetag, Eingang über Michaelkirchstr. 22, U-/S-Bahn Jannowitzbrücke. Reservierungszeiten Di–Sa 12–18 Uhr, Tel. 030/510 521 34, katerschmaus@katerholzig.de, www.katerholzig.de

Rio Grande, tgl. ab 10 Uhr, May-Ayim-Ufer 9, Kreuzberg, U1 Schlesisches Tor, Tel. 030/610 749 81, www.riogrande-berlin.de

Fabrics im nhow Hotel, Mo–Fr 9–1, Sa 12–2 Uhr, Stralauer Allee 3, Tel. 030/290 299 41 07, U-/S-Bahn Warschauer Straße,

www.nhow-hotels.com

Volt, Mo–Sa 18–24 Uhr, Paul-Linke-Ufer 21, U 1 Görlitzer Bahnhof, Kreuzberg, Tel. 030/610 740 33, www.restaurant-volt.de

Lebensstern, tgl. ab 19 Uhr, Kurfürstenstr. 58, U1 Kurfürstenstraße, Tiergarten, Tel. 030/263 919 17, www.lebens-stern.de

Skybar im Andel's Hotel, tgl. 18–2 Uhr, Landsberger Allee 106, Tel. 030/453 053 2614, www.vi-hotels.com/andels-berlin,

S41, 42 Landsberger Allee

Skycafé im Andel's, tgl. 11–18 Uhr

Hotel The Stue und Hotelrestaurant 5 – Cinco by Paco Pérez, DZ ab 182 Euro, Drakestr.1, Tiergarten, Tel. 030/311 72 20, www.das-stue.com.
Restaurant: Di–Sa 19–23 Uhr, www.5-cinco.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2013)

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