Alentejo: Klippen, Korkeichen und Kiefern

Küstenlandschaft am Fischerweg der neu angelegten Wanderroute Rota Vicentina im Alentejo
Küstenlandschaft am Fischerweg der neu angelegten Wanderroute Rota Vicentina im AlentejoStefan Gruber
  • Drucken

Europas Südwesten ist als Wanderparadies noch weitgehend unentdeckt. Die neue Rota Vicentina bietet zwei Strecken: den Fischerweg an der Küste oder den Histórico im Landesinneren.

Mächtiger kann ein Kontrast nicht sein. Vor den gigantischen Klippen von Zumbujeira do Mar inszeniert der Atlantik Tag für Tag sein dramatisches Wellenspiel. Erst kündet ein drohendes Fauchen von ferne den nächsten Wellenberg an, der sich unter donnerndem Grollen majestätisch aufrichtet, um schließlich im gewaltigen Finale an den messerscharf gezackten Felsen zu explodieren. Selbst das heisere Geschrei der Möwen, die hier an Portugals Südostküste artistisch im Wind tänzeln, wird vom Konzert des Meeres verschluckt.
Ein Blätterdach aus ruhigem Grün und endlose Stille umfängt uns dagegen wenige Kilometer entfernt im Landesinnern. Der Camino Histórico (historische Pfad) pflegt die meditative Seite des Wanderns. Zusammen mit dem Trilho dos Pescadores (Fischerpfad) draußen an der Küste des Alentejo bildet er die Rota Vicentina. Der neue Doppelfernwanderweg führt insgesamt rund 340 Kilometer weit von Santiago do Cacém im Norden bis nach St. Vincent Cape im Süden.

Erfunden hat ihn Rudolfo Müller. Für Besucher aus deutschen Landen ist das O am Ende des Vornamens durchaus verzichtbar. Nur die Schweizer Variante Ruedi hört der 50-Jährige nicht so gern. Dabei käme hier die eidgenössische Kompetenz mit zum Ausdruck, die Müller bei der Anlage des Wanderwegs eingebracht hat. Aber seinem Geburtsland hat er schon längst den Rücken gekehrt. Seit fast 30 Jahren lebt Müller unweit von Odemira und will jetzt mithelfen, dass der Tourismus im Alentejo mehr Schwung aufnimmt.
„Unser Plus ist das Klima“, sagt er und zieht auch gleich den Vergleich mit der südlichen Nachbarregion. „An der Costa Vicentina ist es im Sommer nicht so heiß und im Winter nicht so kalt“, sagt er mit Blick auf die Algarve. Ein wenig neidisch ist er aber schon auf Portugals Urlaubsdestination Nummer eins, andererseits kann „seine Region“ mit jeder Menge urwüchsiger Natur, pittoresken Dörfern und abwechslungsreicher Landschaft punkten. „Das Alentejo bietet nicht nur die wilde Küste, sondern auch sanfte Hügel und tiefe Wälder im Landesinneren“, sagt Müller, der sich ehrenamtlich als Präsident des regionalen Tourismusverbandes einbringt.

Gepäcktransport inklusive


In Sao Teotónio ist an diesem Morgen noch nicht viel los. Die Sonne taucht die Fassade der kleinen Kirche in gleißendes Licht. Das Weiß der Wand hebt sich jetzt besonders gut vom azurblauen Rand ab, der auch viele Fenster und Türen in den Dörfern des Alentejo malerisch einrahmt. Im kleinen Tante-Emma-Laden nebenan kennt jeder jeden. „Das Wetter wird prächtig heute, ideal zum Wandern“, sagt die Besitzerin, als Rudolf Müller noch schnell den Proviant um ein paar Flaschen Mineralwasser ergänzt.

Wenige Schritte nach dem letzten Haus verschwindet die Sonne hinter einem Dach aus dichtem Grün. Uralte Korkeichen säumen den Weg und spenden Schatten. Für die Farbtupfer sorgt der Mäusedorn mit seinen knallroten Beeren, der duftende Erdbeerbaum, aus dessen Früchten man den hochprozentigen Medronho brennt, und der violette Sauerklee. Die weiß-rote Markierung an den eigens für die Rota Vicentina entworfenen Holzstelen weist weithin sichtbar den Weg. An Gabelungen und Kreuzungen hat Müller eine zusätzliche Markierung anbringen lassen, damit sich auch ja keiner verläuft. Ein paar Kilometer weiter wechselt die Vegetation. Der Boden wird sandiger, die schlanke Strandkiefer ist hier zu Hause. Im tiefen Val de Fecho beherrscht der Eukalyptus die Szenerie. Bis zu 15 Meter hoch werden die Bäume, die zur Zelluloseproduktion angepflanzt wurden. Der kleine Bach Ribeira Seca versorgt die durstigen Pflanzen aus Australien mit Wasser.

Der Camino Histórico wird jetzt steiler und windet sich über die Hügel. Wer schon ein paar Wanderkilometer in den Waden hat, ist im Vorteil. Dankbar sind wir jetzt auch für den Gepäcktransport. „Den übernehmen die meisten Hoteliers und Wirte der B & B-Pensionen der Region mittlerweile gern“, erklärt Rudolf Müller. Insgesamt zwölf Etappen hat die Rota Vicentina, „wer zwei Wochen einplant, hat auch noch etwas Zeit zum Entspannen zwischendurch“, rät unser Guide.
Während der historische Weg im Sommer für viele die erste Wahl darstellt, zieht der Fischerweg im Herbst die Wanderer an. Die frische Meeresbrise sorgt für angenehme Temperaturen, die mitunter schweißtreibende Klippentour wird so erträglicher. Keine Bettenburg versperrt hier den Weg, die Costa Vicentina ist Natur pur. Und die duftet auch noch – nach Zistrosen, Wacholder und Rosmarin. Eine Pause muss jetzt einfach sein. Am besten an der Punta Branca. Gegenüber leuchten die weißen Häuser von Praia de Odeceixe über dem weiten Strand. Und von ferne kündet sich fauchend und grollend der nächste Wellenberg an.

Rota Vicentina – wandern, essen, unterschlupfen

An/Abreise: mit Austrian oder Swiss via Zürich nach Lissabon, von hier mit dem Auto oder per Zug nach Santiago do Cacém (ca. 300 €). austrian.com; swiss.com

Wetter: Im Alentejo herrscht mediterranes Klima mit atlantischen Einflüssen. Ideale Wandermonate sind September und Oktober mit Höchsttemperaturen um 25 Grad.

Schlafen: Wer die Rota Vicentina in Etappen erwandern will, findet in den Casas Brancas ideale Quartiere für jedes Portemonnaie (www.casasbrancas.pt). Unter dem Label haben sich 35 Häuser zwischen Porto Corvo im Norden und Carratateira im Süden zusammengeschlossen. Die Preise für ein Zimmer mit Frühstück liegen zwischen 65 und 120 Euro. Der Gepäcktransport wird in den meisten Fällen organisiert.
Herdade da Estacada: herrlich gelegenes Landgut unweit des Flusses Mira bei Odemira mit vier stimmungsvollen Zimmern (80 bis 120 Euro); herdadedaestacada.casasbrancas.pt

Essen: Taberna do Gabao in Odemira. Die gemütliche Kneipe im Ortszentrum bietet deftige, regionale Küche in Perfektion. Herausragend: Feijoada – gekochte Bohnen mit Tintenfisch und diverse Fischsorten frisch vom Grill (Vorspeisen ab 3,75 Euro, Hauptgerichte 10 bis 15 Euro).

Weitere Aktivitäten: Tauchen, Surfen, Mountainbiken, Reiten, Vogelbeobachtungen im Naturpark, Eseltrekking
Weitere Infos: www.rotavicentina.com

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.