Zypern: Die Stehaufmännchen der Sonneninsel

Zypern
ZypernEva Winroither
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Von der Krise gebeutelt, im Schatten der Griechen: Das Image der Insel war schon einmal besser. Doch der Aufenthalt gestaltet sich überraschend reibungslos. Und dank der Kulinarik ist jeder Zweifel schnell vergessen.

Zak Papadopoulos reißt die Augen auf, als er zu sprechen beginnt. „Das zypriotische Essen ist das beste, das es gibt“, sagt er und legt sich die Serviette auf den Schoß. Papadopoulos, Chef von Zypern Tourismus in Österreich, ist ein stattlicher Mann mit krausen Haaren, dem das Genießergen anzusehen ist. Von Berufs wegen muss er natürlich gut über seine Heimat sprechen – doch die Vorfreude auf die Mahlzeit, die Begeisterung, mit der er sich die Hände reibt, die ist echt.

Vor ihm wird sich bald ein ganzer Berg an Speisen auftürmen. Um die 20 Gänge servieren die Zyprioten schon einmal, wenn sie jemanden mit den heimischen Spezialitäten beeindrucken wollen. Meze heißt diese zypriotische Völlerei. Wer nicht aufpasst, der kann sich hier schnell einmal k. o. essen. Unzählige heimische Gerichte – von Salaten über Fisch bis Fleisch – werden serviert. Zu Beginn sind es fast immer kleine Dips – etwa Humus, Tahina, serviert mit Brot. „Marmelade“, nennen die Zyprioten diese Dips trotzdem etwas verächtlich. „Aber Touristen lieben das“, sagt Papadopoulos. Er bevorzugt etwas anderes: Fisch. Am besten nur mit Zitrone und Salz zubereitet. Und Salate. Kaum gesagt, bringt der Kellner schon die nächsten Teller. Den berühmten Halloumi, Mischkäse aus der Milch von Ziegen, Kühen und Schafen.

Papadopoulos sitzt in einem Restaurant in der Stadt Pafos, im westlichen Teil der Insel. Eine Touristenstadt, die durch ein Plateau in eine obere und untere Hälfte geteilt ist. Berühmt ist der Ort für seine römischen Mosaike, die im Haus des Dionysos zu finden sind. Auf ihnen ist das Seeungeheuer Scylla zu sehen, die tragische Geschichte von Thisbe und Pyramos oder Narziss, der sich hier in sein eigenes Spiegelbild verliebt.

„Nicht zu viel Brot essen“, warnt Sotiroula Ioannou, während sie zum gegrillten Oktopus greift. Ihr Rat kommt nicht von ungefähr, alle fünf Minuten wird ein neues Gericht auf den Tisch gehievt: fritierte Tintenfischringe, fritierte Sardellen, gegrillter Thunfisch türmen sich vor uns auf. Wer seinen Magen mit Brot füllt, wird das Essen nicht lange genießen können.

Zypern ist touristisch weit entwickelt. Die Landschaft mediterran karg, eine Symphonie in Braun und Grün, das Meer kristallklar – es gibt wenig Sand, die Strände sind eher steinig. Der Mythologie entkommt man nicht auf Zypern, die Göttin Venus hat hier das Licht der Welt erblickt, die Fahrt zu ihrem „Geburtsort“ Petra Tou Ramiou ist ein beliebter Bootsausflug für Touristen. In den Sommermonaten tummeln sich neben Russen vor allem Briten auf der Insel, was historische Gründe hat. Zypern ist eine ehemalige britische Kolonie, man fährt im Linksverkehr, fast jeder spricht verständliches Englisch. „Die Briten fühlen sich hier einfach wohl“, erklärt Zak Papadopoulos, als er zum kleinen Highlight des Abends greift. Wolfsbarsch, über den Zitronensaft geträufelt wird.

Brot, selbst gebacken

Unter den Briten sei in den vergangenen Jahren der Hochzeitstourismus stark angestiegen, sagt Papadopoulos. Wer es sich leisten kann, fliegt für eine Woche her, heiratet und verbringt noch ein paar Tage am Strand. Die weißen und roten Wedding-Doppeldeckerbusse („Congratulations“) belegen den Trend. Wer wirklich viel Geld hat, heiratet auf der Terrasse des Anassa-Hotels im nordwestlichen Zipfel der Insel, ein Fünfsterneresort, angelegt wie ein kleines Dorf mit mehreren Restaurants, Spas mit Pools und einem langen Sandstrand, an dem Schildkröten ihre Eier vergraben. Im Anassa wird alles selbst gebacken. Vom Brot bis zum Schoko-Croissant und den kleinen Keksen, die zum Kaffee gereicht werden. „Das Hotel befindet sich weitab in einem kleinen Dorf, da zahlt es sich nicht anders aus“, sagt Geschäftsführerin Caroline Filtzinger-Win Lwin.

Dessertwein Commandaria

Zum Mittagessen – auch hier besteht die Meze gefühlt aus 20 Gängen – wird zypriotischer Rot- und Weißwein gereicht, zum Beispiel von Andreas Kyriakides. Das Weingut des Winzers befindet sich etwa eine halbe Stunde entfernt im Landesinneren. Bekannt ist auch der Commandaria, ein Süßwein, der als cremiger Dessertwein die Gelage abschließt. Da ist das Tischgespräch freilich schon bei der Zypern-Bankenkrise im März des Vorjahres angelangt. „Zuerst hat es natürlich viele Stornierungen gegeben“, erzählt Lygia Theodorou-Dermatis vom lokalen Tourismusbüro. „Die Geldknappheit, von der alle berichtet haben, ist von den Medien allerdings stark aufgebauscht worden“, behauptet sie. „Wir hatten immer Geld. Mehr als 100 Euro pro Tag brauchst du ja nicht.“ Na, dann ... Lygia erinnert sich an Kamerateams, die vor den Banken warteten, um die Menschen zu filmen. „Lächeln, habe ich damals gesagt. Lächeln!“

Das Image vom bankrotten Staat konnte sie freilich nicht korrigieren. Die Zyprioten selbst fühlen sich von der eigenen Regierung betrogen. Jeder kennt eine Geschichte von jemandem, der viel Geld verloren hat. Die alte Frau, die ihr Leben lang für ihre Enkelkinder gespart hat und jetzt nur mehr einen Bruchteil ihrer Ersparnisse hat. Oder die Eltern, die das Ersparte für die Therapien ihres behinderten Kindes verloren.

„Aber die Zyprioten sind Stehaufmännchen“, sagt Filtzinger-Win Lwin vom Hotel Anassa. Anders als es den Griechen hier übrigens nachgesagt wird. „Wir Zyprioten sind auch viel pünktlicher“, fügt Zak Papadopoulos rasch hinzu. Griechen und Zyprioten gleichzusetzen, das wird gar nicht gern gesehen. Die Insel wird nach wie vor von vielen Touristen für einen Teil von Griechenland gehalten. Das ärgert den kleinen Staat, der – abgesehen von Juli und August – wohl eher durch seine Ruhe und Abgeschiedenheit auffällt. Einmal aus den teils etwas trashigen Stadtzentren draußen, ist Zypern Natur pur, mit zahlreichen Gebirgszügen gesegnet, auch wenn die Insel für den Wassersport bekannt ist. Der Gipfel des Mount Olympus, des höchsten Berges der Insel, liegt auf 1952 Metern im Troodos-Gebirge, das als die grüne Lunge Zypern gilt.

In den Troodos-Bergen ist ein Besuch des Klosters Agios Ioannis Lambadistis ein absolutes Muss. Es vereint mit den beiden Kirchen Agios Herakleidios und Ioannis Lambadistis und einer lateinischen Kapelle drei Kirchen unter einem einzigen Holzdach. Die sogenannte Scheunendachkirche ist Unesco-Weltkulturerbe und über und über mit Fresken versehen, zum Teil aus dem elften und zwölften Jahrhundert, spätere aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Wer an Kunstgeschichte und Religion interessiert ist, wird im kirchenreichen Zypern seine Freude haben.

Aber zurück zur Kulinarik. Auch im Landesinneren lässt sich vorzüglich speisen. Halloumi, Salat, zypriotische Würste, Huhn, Rind und zum Abschluss Lammspieße. Etwa im Restaurant des Hotels Casa Panayiotis. In Erinnerung bleiben die mit Béchamel überbackenen Melanzani und die mit Frischkäse gefüllten Champignons. Auf dem Weg zurück zur Küste fallen Johannisbrotbäume am Straßenrand auf: Aus ihren Früchten wird Sirup hergestellt, der über frisches Obst gegossen wird. Quasi als Dessert. Das hat die Runde um Zak Papadopoulos aber meist ausgelassen. Kein Platz mehr im Magen nach all den Gängen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2014)

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