Tischerlziagn & Klaubauf-Gian. In Osttirol herrschen raue, jahrhundertealte Gebräuche.
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ie verbreiten Angst und Schrecken. "Kleibeif" (Ein zahl: Klaubauf) tragen Furcht erregende Masken und zottelige Fellanzüge. Ihre Hochzeit haben sie rund um den Krampustag Anfang Dezember. Dann setzen die Burschen aus Ainet und vom Lienzer Moarfeld ihre hölzernen Masken auf und schlüpfen in die schwarzen Overalls.
Bevor es los geht müssen noch die "Schellen" um die Taille gebunden werden, damit alle schon von weitem das nahende Grauen hören. Doch Kurt Glanzer und Kilian Brugger versichern, dass sich niemand zu fürchten braucht vor den grauslichen Gesellen, obwohl es kräftig und heftig zur Sache geht in der Krampus-Nacht.
Beim "Kleibeif-Gehen" in Osttirol gilt ein ehernes Gesetz: Gewinnen muss immer der "Tuifl". Wenn dieses Gesetz gebrochen zu werden droht, wenn sich also herausstellt, dass einer der zivilen Raufer stärker ist als sein maskiertes Gegenüber, kommt das Rudel zu Hilfe und sorgt für die Wiederherstellung der "Ordnung". Kilian und Kurt versichern, dass die Kleibeif nur mit solchen Burschen zu raufen beginnen, die sie kennen oder die mit ihrem Gehabe Raufhändel provozieren.
Wie viele spektakuläre Bräuche ist auch das Lienzer Klaubaufgehen zur Tourismusattraktion geworden. Tausende säumen die Straßen der Osttiroler Bezirkshauptstadt, wenn "der Nikolaus kommt". Doch das Interesse gilt nicht so sehr dem Heiligen Herrn mit seinen Engerln und Geschenken. Gespannt warten die Menschen auf die Kleibeif, deren Herannahen sich durch Lärm und wüstes Gebimmel ankündigt. Die Zuschauer können sich sicher fühlen hinter den Absperrgittern. Doch die Fratzen der Masken, die im schummrigen Licht lebendig werden, sorgen für Gänsehaut.
Wenn die Kleibeif hinunter ins Tal kommen, haben sie den Hauptteil des rauen Brauchtums schon absolviert. Beim Tischerlziagn nämlich gilt es, den Tisch aus der guten Stube ins Freie zu zerren. Hausherr und Familie wehren sich dagegen, den Mittelpunkt des Familienlebens und das Symbol des friedlichen Zusammenlebens zu verlieren. Dabei kommt es naturgemäß zu Handgreiflichkeiten.
Mit Raufereien in seiner guten Stube hätte heute wohl kein Bauer mehr rechte Freude. Deshalb hat sich der Kern des Brauches, die Rauferei, ins Freie verlagert. Anstelle des Stubentisches muss ein Möbel herhalten, das man eigens für diesen Zweck grob zusammengezimmert hat.
Wie Ethnologen berichten, war das "Klaubaufgehen" in früheren Zeiten noch weitaus vielfältiger. Anfang des vorigen Jahrhunderts traten dabei noch mehr Figuren auf, wie etwa der Arzt, der Apotheker. Auch die Masken haben sich verändert. Die Kunst des Schnitzens wird von Generation zu Generation weitergegeben. Während man früher Anleihen nahm bei alten Sagen und Legenden, lassen sich die Schnitzer heute von Zeitungsfotos oder aktuellen Horrorfilmen inspirieren. Die Masken zeigen Wut, Schmerz oder Verzweiflung. Von ihrem Blick getroffen, erschauert man vor ihrer bizarren Hässlichkeit.
Es soll schon vorgekommen sein, dass ein Raufer bei den Handgreiflichkeiten mit einem der höllischen Gegner Blessuren davongetragen hat. Das aber kann niemanden davon abhalten, den Brauch in seiner archaischen Wildheit zu erhalten.
Wer bei der medizinischen Versorgung nach den Ursachen der Verletzungen befragt wird, murmelt dann etwas von "auf dem Glatteis ausgerutscht" oder "gegen den Türstock gestoßen". Niemandem fiele es ein, einen Klaubauf dem Strafrecht auszusetzen.