Schmorhase in der Barockwelt

Malta
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Wohin auf Malta? Valletta ist Malta und umgekehrt – über einen Rausch an Munizipalität, der sich in einem Überfluss an Festivals und Kirchen ausdrückt, und über das einzige Wild der Insel, das auf den Tisch kommt: Hase.

Dafür, dass Valletta mit 7300 Bewohnern nur die siebenundzwanziggrößte Stadt von Malta ist, tut sich auf der überfrachteten Landzunge von 1000 mal 600 Metern einiges. Der Stadtnukleus mag spärlich besiedelt sein – doch in der Agglomeration leben fast zwei Drittel der 420.000 Einwohner.

Das ist beruhigend für das Jahr 2018, wenn Valletta als Kulturhauptstadt in den europäischen Fokus rücken wird; ein Städtchen neben dem anderen wird seine Ideen darbieten. Jenseits der Minimetropole erhebt sich das mondäne Sliema aus dem Meer, direkt dahinter liegt das ziemlich kontinentale Floriana, auf der anderen Seite ragt gar jenes grimmig befestigte Gebilde in die Höhe, das unter „three cities“ kursiert. Zu allem Überfluss tragen die charmanten drei Städte jeweils zwei Namen: Birgo, nach dem erfolgreichen Abwehrkampf gegen die Ottomanen wird auch Vittoriosa genannt; Lisla, die „Insel“, heißt Senglea; und Bormla, die verbindende Landmasse, Cospicua.

Da verwundert es nicht, dass die drei Städte auch in ihrer Gesamtheit einen Namen besitzen: Cottonera. Alle Klarheiten beseitigt? Gemeinsam stellten sich die Cottoneraner ihren Feinden entgegen, durch Mauern und Hafenanlagen geschützt, errichtet von den Johannitern, die auch Malteser heißen. 1530 hat ihnen Kaiser Karl V. Malta und Gozo, dazu Tripolis, als Lehen übergeben.

Zähe Christen

Von ihrer neuen Basis aus überfielen sie muslimische Schiffe. Tripolis ging verloren, in Malta hielten sich die zähen Christen. Was folgte, war eine so grundlegende Durchseuchung der Insel mit der katholischen Idee, dass heute die weltweit höchste Quadratmeterdichte an Kirchen, eine für jeden Tag im Jahr, wie es romantischerweise heißt, vorzuweisen ist.

Das ist nur der minimalhistorische Abriss einer Geschichte atmenden Insel. In Malta hat so ziemlich alles Tradition – man findet Aufschriften wie „traditional maltese wifi“. Der Hang zur totalen Historisierung ist auf die Unzahl von Völkern, Staaten, Reichen und Orden zurückzuführen, die über diesen strategisch perfekt gelegenen Ort geherrscht haben.

Für alle, die auf diesen Brocken Kalkstein im Mittelmeer erstmals einen Fuß setzen, ist die Überraschung groß: kein Wald, kein Fluss, kein Berg – dafür diese vielen konkurrierenden Städtchen. Der Rausch an Munizipalität hat aus den Bewohnern Maltas Festivalkönige gemacht. Eines der spektakulärsten ist das Barockfestival.

Nach Neujahr, wenn die Lüfte nach den Regengüssen klar sind, und man am Horizont die Insel Sizilien sieht, treffen sich die Barockfreaks und feiern Bach, Händel und Vivaldi an dazu passenden Orten wie der St. John's Co-Kathedrale und dem Teatru Manoel. Auf Maltesisch, einer hinreißenden Sprache, heißt die Kirche übrigens Kon-Katidral ta' San Ġwann. Das semitische Maltesisch basiert auf dem Koran-Arabischen, mit Anleihen aus dem alten Sizilianisch, aus Französisch, Spanisch und Englisch. Während Malteser in der arabischen Welt halbwegs verstanden werden, tun sich die Inselbewohner umgekehrt mit modernem Arabisch eher schwer. Umso mehr verstehen die durch viel Wasser gut isolierten Malteser vom Feiern – das ganze Jahr über geht an den Wochenende die vor allem religiös grundierte Post ab. Im April messen sich aber auch Feuerwerker in ihrer pyrotechnischen Jahresmeisterschaft, im Mai präsentiert sich Mdina mittelalterlich, ebenfalls im Mai feiert Gozo, die eigensinnige Nebeninsel, ihr Unterhaltungsfestival „Lejlet Lapsi Notte Gozitana“, im Juni die erste Ernte mit einer Leistungsschau – immerhin 20 Prozent des Inselgemüses kommt aus lokaler Produktion.

Gefangener mit Tagesfreigang

Und weiter mit den Partys: Sowohl die Malta Music Week als auch das Folkfest („Ghanafest“) bringen Rhythmus auf die Insel. Im Juli folgen Jazzfestival, Bierfestival und Kunstfestival, im September die Museumsnacht „Notte Bianca“ am Vorabend des Marienfestes von Gudja und des Franziskusfestes in Tas-Sliema. Im Oktober lädt Birgu zu einem Kerzenlichtabend und Mdina zu einem Grand Prix, dazu veranstaltet der Royal Malta Yacht Club eine Regatta, im November lädt zum zehntägigen „Mediterranea“ wieder Gozo ein.

Die christlichen Feste werden auf der Ordensinsel so inbrünstig zelebriert, als wäre die Religion gefährdet. Im Februar feiert man das „Feast of St. Paul's Shipwreck“. Paulus, früher Saulus, verbrachte auf dem Weg zu seinem Tribunal in Rom als Gefangener mit Tagesfreigang drei Monate auf Malta und agitierte so effizient, dass die Einwohner am Ende glühende Christen wurden. Klar, dass auch Weihnachten in einem der katholischsten Länder der Welt (Scheidungen wurde erst vor zwei Jahren legalisiert) ein – darf man es so ausdrücken, wenn es stimmt? – Fest mit Kultstatus ist. Wäre das alles, wäre es noch viel zu wenig. Jedes Örtchen lässt sich etwas einfallen, ob es nun die Esel- und Pferdesegnungen in der alten Hauptstadt Rabat/Mdina sind, ein Mandarinenfestival hier oder ein Erdbeerfest dort, Malta ist voller Events.

Liebhaber von Hase und Kaninchen pilgern ganz ohne Festival seit Langem nach Malta. Als größtes Wildtier der Insel war „Rabbit“ aus der Küche nie wegzudenken. Landgasthöfe bieten ein klassisches Menü an: erster Gang als Spaghetti mit Hasensauce, zweiter Gang je nach Wunsch als Haseneintopf oder Schmorhase. Man mag das übertrieben finden, doch wer Hase mag, wird die Gangfolge mögen. Wer Urbanität schätzt, liegt hingegen beim Stadttor richtig. Stararchitekt Renzo Piano macht den Stadtgraben nutzbar und plant ein neues Parlamentsgebäude auf Stelzen. In den Ruinen des 1877 zerstörten Opernhauses entsteht ein Open-Air-Theater. Die Meinungen der Malteser sind geteilt. Ob sie ein neues Wahrzeichen brauchen? Nicht lieber doch ein weiteres Festival?

watchlist malta – Feiern, Essen, Logieren

Unterkunft: vor den Toren Vallettas in einem der beiden ersten Häuser der Insel, im nobel-mondänen Grand Hotel Excelsior oder im legendär romantischen Hotel Phoenicia. excelsior.com.mt; phoeniciamalta.com
Festival: In Vorbereitung auf Valletta als europäischer Kulturhauptstadt 2018 wurde das Barockfestival entwickelt. Spektakulärster Aufführungsort ist das von den Ordensleuten erbaute Manoel-Theater aus dem Jahr 1731. Steil, luxuriös, proppenvoll mit Logen bis unter die Decke. vallettabaroquefestival.com.mt; teatrumanoel.com.mt
Restaurants, Cafés: Bottegin, Bistro, Palazzo Xara, St. Paul' Street, Rabat. Hier proben und spielen lokale Bands, es wird gegessen, getrunken. Samstag: Vormittagstreff der jungen Locals. Das Palazzo-Restaurant tischt Malta-Spezialitäten wie Kaninchen oder Muscheln auf, die Monitore übertragen alle Skirennen aus Europa oder Sotschi.
Café Jubilee, 125, St. Lucia Street, Valletta. Sieht auf den ersten Blick aus, als wäre es jahrzehntelang voll geräumt worden, mehr Bilder trägt keine Wand. Doch das ist pures Retrodesign, es hat noch keine 15 Jahre auf dem Buckel. Die Küche ist britisch-italienisch: Homemade Soup & Pies, Bruschetta und der Malta-Frühstückshit Ftira – flaches fladenartiges Toastbrot mit Bacon, Egg, Mushroom.
Rubino: eine Legende aus dem Jahr 1906, neben dem Manoel-Theater in der Old Bakery Street fällt es nur Eingeweihten auf; klassische maltesische und italienische Küche, 45 Sitze auf drei Stockwerken. rubinomalta.com
Trabuxu: Der beste lifestylige Weinkeller der Stadt in der South Street, ein 400 Jahre altes Gewölbe mit Bistro und obenauf ein paar Luxuszimmer, trabuxu.com.mt
Anfliegen: Air Malta fliegt im Winter dreimal pro Woche und im März viermal pro Woche ab Wien nach Malta, ab April täglich. Bis 9. 2. bietet die Airline einen Rabatt von 25 Prozent für Flüge (bis 31. 3.) ab Wien. airmalta.com
Infos: Fremdenverkehrsamt Malta; 01/585 37 70; urlaubmalta.com Der Autor wurde von der Malta Tourism Authority eingeladen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2014)

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