Australien: Kinder und Koalas

Aufgepäppelt. Beutelbären in Brisbane: Im  Lone Pine Koala Sanctuary werden sie gesund.
Aufgepäppelt. Beutelbären in Brisbane: Im Lone Pine Koala Sanctuary werden sie gesund.(c) Lone Pine Koala Sanctuary (www.koala.net)
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Ein Reisetagebuch nach drei Wochen Familienurlaub in Australien: Verniedlichungsticks, Häuser auf XXL-Lastwägen und Ortsnamen wie Woolloomoolloo.

Geradeaus. Australien-Newbies vergessen gern Lebensmittel einzukaufen und rechtzeitig zu tanken.
Geradeaus. Australien-Newbies vergessen gern Lebensmittel einzukaufen und rechtzeitig zu tanken. (c) Stephan Brünjes
(c) Stephan Brünjes

Zuerst gab es eine Menge Zweifel: der weite Flug, dann lange Autofahrten, um möglichst viel vom Land zu sehen, die Temperaturen. In unserem Sommer hat Australien Winter, im Klartext: kurze Tage, lange Hosen. Passt so ein Urlaub zu uns Liegestuhlfans? Schließlich der Preis: Für drei Wochen Down Under gäbe es drei normale Sommerurlaube. Trotzdem: Wir waren längst unheilbar vom Aussie-Virus befallen, eingeschleppt aus Canberra von unserer 17-jährigen Tochter Kerstin nach ihrem Schüleraustausch. Angesteckt hat sie auch ihren drei Jahre jüngeren Sohn Timm. Also haben wir einen strengen Familiensparkurs beschlossen, lang gegrübelt und geplant. Der Beschluss: eine Autotour von Sydney die sonnige, warme Ostküste hinauf. Mit hoffentlich bis zu 23 Grad. Danach noch ein Flugabstecher ins Herz Australiens, zum Uluru, dem roten Felsen. Es wurden 20 Tage mit mindestens dreimal so vielen Höhepunkten.

1. Tag: Sydney. Wir starten, wo Australien gestartet ist: im Stadtteil The Rocks, benannt nach den Felsen, die Captain Arthur Phillip vorfand, als er 1788 seine Schiffe ankern ließ, um hier eine Kolonie für aus England verbannte Sträflinge aufzubauen. So wie John Cadman, ein Pferdedieb und seine Frau, deportiert für den Diebstahl einer Haarbürste. Sie hausten in Cadmans Cottage, dem ältesten noch erhaltenen Haus dieses historischen Viertels an der George Street. Die ist samstags Kulisse für den Rocks Market und seine Trödelkuriositäten. Timm ersteht ein Bumeranglineal. Dazu vielleicht noch eine Kängurupfote zum Rückenkraulen? Nein, zu grauslich. Dann auf zum Highlight des Tages: BridgeClimb, eine Klettertour auf den „Kleiderbügel“, Sydneys Spitzname für die berühmte Harbour Bridge. Meine Frau besichtigt lieber die Oper. Die Kinder und ich steigen in graue Spezialstrampelanzüge. Handys, Geldbörsen, Uhren – was von der Brücke den Autofahrern aufs Dach fallen kann, muss unten bleiben, die Brille am Strampler befestigt werden. Per Seil an die Brücke angeleint wie Hunde kraxeln wir ins Stahlskelett hinauf, geführt von Katherine, unserer supervergnügten Gruppenleiterin. Kerstin, beim Start noch ängstlich, strahlt mit jedem Schritt mehr: „Boah, da unten, die Oper, die Autos und Schiffe so klein!“ Das Superpanorama für unser Gipfelfoto in 134 Metern Höhe. Wieder unten zwickt es in Timms Kreuz: „Papa, ich hab (B)Rückenschmerzen.“

3. Tag: Hunter Valley. Jössas, Automatik! So ein Auto bin ich noch nie gefahren. Dazu noch Linksverkehr. Angespannt, teilweise in bedenklichen Schlangenlinien steuere ich den ziemlich breiten Leih-Van durch Sydneys Vororte, begleitet von erstaunlich wenigen Hupkonzerten. Einfach relaxed hinterm Steuer, diese Aussies. Kerstin schmunzelt: „Zu Hause wirst du bestimmt genauso viel Geduld mit mir auf dem Verkehrsübungsplatz haben.“ Ankunft im Hunter Valley – in der „Restaurantfalle“: keine Vorräte eingekauft, kein Imbiss in der Nähe, nur San Martino, ein Edellokal. Wir bestellen die billigsten Gerichte, stillen den Resthunger per Käseplatte und starten am nächsten Morgen das Programm „Essen und sparen“. Zum Frühstück ein australisches Nationalgericht: Weet Bix. Sieht aus wie ein faustgroßer Strohballen und schmeckt, gebadet in Milch und Honig mit Bananenstückchen, unerwartet gut. Und abends? Heute Instant-Couscous, veredelt mit frischem Gemüse, morgen Fish & Chips.

4. Tag: Port Stephens. Das Hotel ist ein Albtraum, dafür der Strand davor ein Traum ohne Alb. Feiner Sanduhrensand, dümpelnde Segelboote und ein Baum mit Kletterseilen und Schaukeln, den Timm erobert. Bis ein Pelikan ufernah wie ein Wasserflugzeug landet. Sofort schnappt Timm seine Kamera und verfolgt ihn ebenso behutsam wie beharrlich. Wir Eltern sehen schon seit Tagen mit Freude: Abtauchen unterm MP3-Kopfhörer ist out, Tiere fotografieren in, seit er Cockatoos, Rosellas und all die anderen bunten Vögel entdeckt hat. Dann gibt’s kein Entkommen: Steve, einer der vielen aufgekratzt fröhlichen Australier, packt uns in seinen roten Bus, schaukelt ihn in halsbrecherischer Fahrt durch die Dünen, zum Sandboarding: Auf Skateboards ohne Räder sausen wir 50 Meter hohe Dünen runter – Schlittenfahren auf australisch, schließlich ist hier Winter.

6. Tag: Byron Bay. Im Radio coole Surfmusik, der Sound dieser Reise. Schleppend der Takt, er ist längst unser Rhythmus geworden. Nur 100 km/h Höchstgeschwindigkeit auf dem Highway, der oft zur Schlagloch-Dorfstraße wird? Vor uns unüberholbare XXL-Laster mit Häusern drauf? Macht nix, sind wir eben später am Etappenziel, dem östlichsten Punkt Australiens. Keine nervigen „Wann-sind-wir-endlich-daaaa?“-Fragen vom Rücksitz, stattdessen Gekicher über Kurri Kurr, Mullumbimby und andere Ortsnamen der Aborigines. Seit Tagen Nummer eins der Kinderhitliste: Woolloomoolloo, ein Stadtteil Sydneys, zu Deutsch: kleines Känguru.

8. Tag: Brisbane. „Tazzie“ (für Tasmanien), „Salties“ (für Salzwasserkrokodile) oder „Esky“ (von Eskimo, für Picknick-Kühlboxen) – nichts und niemand ist sicher vor dem Verniedlichungstick der Aussies. Wir auch nicht, nur „Brizzie“ kommt uns nicht über die Lippen. Denn Brisbanes City ist laut, hässlich und schmuddelig. Niedlich sind nur die Tiere im Lone Pine Koala Sanc-
tuary, ursprünglich eine Aufpäppelstation für verletzte Koalas. Besucher dürfen die verschlafenen Beutelbären auf den Arm nehmen, eine Chance, die sich weder der Papst noch die Queen entgehen ließen. Kerstin und Timm fallen dabei ins Kuscheltieralter zurück: „Wie süß, die wollen wir mit nach Hause nehmen!“

10. Tag: Fraser Island. Die größte Sandinsel der Welt: 120 Kilometer lang, 14 breit. Fast jeden davon hat Peter Meyer schon abgefahren. Seit 18 Jahren lebt der Sohn deutscher Eltern hier als Fotograf und Ranger. „Erst wenn ihr Sand in der Unterhose habt, seid ihr in meiner Welt angekommen“, begrüßt er uns und startet seinen Jeep zur Achterbahnfahrt durch den Regenwald, über tief zerfurchte Sandwege – Straßen gibt’s hier nicht – zu einer Kolonie Flughunde, die kreischend kopfüber in den Bäumen hängen, weiter zu einer Python, die zusammengerollt im Unterholz eine Maus verdaut. „Den in Bio, das wär’ cool“, raunt Timm seiner Schwester zu, denn Meyer erklärt einmal lustig, einmal spannend, wie die Pipi-Muschel sich in den Sand eingräbt und warum ein Baum zum Serienkiller wird: Die sogenannte Würgefeige umschlingt mit ihren armdicken Tentakelwurzeln andere Bäume, gräbt ihnen die Nährstoffe ab und lässt sie so absterben. Wir träumen davon, auf dieser Robinson-Crusoe-Insel zu stranden. So wie die Maheno, ein Schiffswrack, das seit 1935 am Strand fotogen vor sich hinrostet.

16. Tag: Townsville. Nach einigen 500-km-Etappen durch Wälder, endlose Zuckerrohrplantagen und nun schon insgesamt 3000 Kilometern ist klar: Wir sind jetzt in den Subtropen und schwitzen sogar ein bisschen. Jeder dritte Flussname verrät, wer da unter der Brücke wartet: Alligator Creek. Wir sagen lieber den Haien guten Tag, im Glastunnel des Reef HQ, des größten, natürlichen Korallenriffaquariums Australiens. Fred Nucifora, der Riff-Experte, erklärt, dass das Naturwunder Great Barrier Reef, 2300 Kilometer lang und sogar aus dem Weltraum zu sehen, nur besteht, weil die Korallenpolypen von Algen bevölkert werden, die sie mit Zucker versorgen. Steigt die Wassertemperatur – etwa infolge des Klimawandels – nur um 1,5 Grad, liefert die Alge Gift, woraufhin die Koralle sie rauswirft, anschließend ausbleicht und abstirbt.

18. Tag: Great Barrier Reef. V
or Cairns schnorcheln wir durch einen Unterwasserwald aus Korallen aller Formen und Farben: rote Bäume, graue felsartige Gebilde, beige Schwammkorallen und blassgrüne Riesenartischocken. Dazwischen paddeln plumpe Schildkröten, bunte Aquariumsexoten und natürlich Nemo, der Clownfisch. Wieder an Land, sind wir uns einig: Von Pisas schiefem Turm bis zum Alpendreitausender – Europas Attraktionen können mit denen Australiens nicht mithalten.

20. Tag: Uluru. Vor drei Wochen Oper und Harbour Bridge, die ersten beiden Nationalikonen, und jetzt noch Nummer drei: Uluru, der 348 Meter hohe rote Riesenfelsen mitten in der Wüste, ein Heiligtum der Aborigines. Lee ist zwar keiner von ihnen, erzählt aber all ihre Mythen während unserer Zwölf-Kilometer-Wanderung um den Uluru. Rasch steigt die Sonne auf und lässt den Riesenstein rostrot strahlen. „Der rostet wirklich“, sagt Lee und gibt kurz Geologienachhilfe. Kaum ist er fertig, sieht der Uluru aus wie ein Riesen-Schoko-Muffin. Wir kommen mit dem Fotografieren gar nicht so schnell hinterher, auch weil vielerorts Knipsverbot herrscht – an Kultstätten der Aborigines. Macht nichts, viel lustiger sind eh die Felsenbilder, die wir abends aus der Ferne schießen: Während meine Frau und ich beim „Diner in the Desert“ Krokodilhäppchen testen, reißen die Kinder vorm Uluru den Mund auf, beißen scheinbar rein: „Komm, Kerstin, wir essen ihn einfach auf, dann fällt der Abschied von Australien nicht so schwer!“

Tipp

Gut: Weet Bix, gebadet in Milch und Honig mit Banane.


Obligatorisch: Schlüsselanhänger, ein Stofftier und ein Haifischzahn als Mitbringsel.


Beste Reisezeit: Wer auf Schulferien angewiesen ist, sollte im Spätsommer reisen, dann geht an der Ostküste der Winter zu Ende, bei immerhin schon gut 20 Grad, aber kühlen Nächten.
Noch besser: der australische Frühsommer.


Anreise: Von Wien zum Beispiel über Bangkok mit Austrian, über Dubai mit Qantas oder München mit Lufthansa.

Visum, Versicherung, Geld & Co.: Visum für Australien ist nötig, am besten Monate vorher beantragen, Reiseveranstalter bieten das bei der Buchung mit an. Achtung: „Normale“ Auslandskrankenversicherungen decken oft nur Reisen bis zu 30 Tagen ab, wer länger unterwegs ist, sollte Extraversicherungen abschließen, auch für Reiserücktritt und -abbruch. Bezahlen mit der EC-Karte geht in Australien selten, am besten mehrere Kreditkarten mitnehmen.

Unterwegs in Australien: Besonders schön ist die beschriebene Route von Sydney die Küste hinauf nach Cairns: 2630 Kilometer voller Traumstrände und -buchten, Leuchttürme und Postkartenpanoramen.

Touren: Wer keine Zeit mit Quartiersuche vergeuden möchte, sollte eine Tour mit Mietwagen und vorgebuchten Hotels wählen, zum Beispiel bei Coco weltweit reisen/Jedek Reisen: Pacific Coast Touring Route, 16 Tage von Sydney nach Cairns mit Hertz (Kat. B) mit Belegung von 4 Personen 1272 Euro p. P.; 0512/36 57 91-0, coco-tours.at; Jedek Reisen, 01/369 66 02-26; jedek-reisen.at

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