Barcelona: Kultbier beim elektronischen Picknick

Auf dem Tur ́ o de la Rovira, dem mit 262 m höchsten Berg, treffen sich die Jugendlichen.
Auf dem Tur ́ o de la Rovira, dem mit 262 m höchsten Berg, treffen sich die Jugendlichen.Dirk Engelhardt
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Hängende Gärten in einer Bierbrauerei, ein Büroturm, der sich in ein Luxushotel verwandelt, ein neues Designmuseum, ein Gaudí-Erstlingswerk - in Kataloniens Hauptstadt gibt es viel Neues.

Den Hotelcoup des Jahres landete die Hyatt-Gruppe, die den Torre Agbar, das neue Wahrzeichen von Barcelona, für rund 150 Millionen Euro erwarb. Bisher waren die Hauptmieter des Büroturms, den der Stararchitekt Jean Nouvel im Jahr 2005 entwarf, die Wasserwerke von Barcelona. Allabendlich leuchtet das gurkenförmige Gebäude in den Farben Rot und Blau und wurde zu einem beliebten Fotomotiv für Touristen. Hyatt plant, den Turm mit einer Investition von rund 35Millionen Euro zum Luxushotel umzubauen.

Das Viertel Poblenou, in dem der Turm steht, wurde in den letzten Jahren zum Mediapark 22@Barcelona entwickelt. Heute residieren hier Firmen wie Indra, RBA, Vodafone, Mediapro, TSystems und Atos Origin. Es ist aber immer noch genügend Platz für Künstlerateliers, zum Beispiel La Escocesa, eines der bekanntesten, eine alte Farbenfabrik, die heute Graffitikünstlern Raum bietet.

Gegenüber dem Torre Agbar, direkt am hässlichen Kreisverkehr Glories, hat vor Kurzem der neue Flohmarkt Encants seine Pforten geöffnet. Breiteten vorher die Händler auf einer Brachfläche ihre Waren einfach auf der Erde aus, haben sie jetzt ein halb offenes, verspieltes Designgebäude für sich. Ein verwinkeltes, hohes Dach auf dürren Trägern, das von unten mit riesigen Spiegeln beklebt ist, schützt die Ausstellungsfläche.

Spaniens Städteziel Nummer 1

Zwischen Torre Agbar und dem neuen Flohmarkt ragt der Neubau des Designmuseums halb über die Straße, der ebenfalls vor Kurzem eröffnet wurde. Die alten Räume in der Altstadt, gegenüber dem Picasso-Museum, waren längst zu klein geworden. Neben den spektakulären Bauten von Gaudí sind es solche Attraktionen, die die Hauptstadt Kataloniens zu einem Touristenmagneten machen. Spanienweit liegt Barcelona auf Platz eins der Städteziele. Mit 3,2 Millionen Besuchern (2012) liegt die Sagrada Família mit weitem Abstand auf Platz eins der touristischen Highlights. Im Moment diskutiert man in der Stadt, wie viele Häuserblocks rund um die Kathedrale abgerissen werden sollen, um einen besseren Blick auf die Kirche freizumachen und die Eingangstreppe würdig zu gestalten. In diesem Jahr kommt für die Gaudí-Fans ein weiteres Kleinod hinzu. Konnte man das Erstlingswerk des Architekten, die Casa Vicens im Stadtteil Gràcia, bisher nur von außen bewundern, da sie in Privatbesitz war, wird das Palais Ende dieses Jahres für Besucher geöffnet. Genaueres wird der Investor Mora Banc noch bekannt geben.

Eine andere Hauptattraktion, der Park Güell, von Gaudí gestaltet, ist neuerdings kostenpflichtig. Acht Euro müssen Touristen bezahlen, wenn sie den famosen Ausblick von der Terrasse des Marktplatzes, der nie in Funktion ging, von den Trencadis-Bänken genießen wollen. Stark angestiegen ist auch die Zahl der Besucher von Kreuzfahrtschiffen: Waren es vor 14 Jahren 570.000 Kreuzfahrtgäste, die in Barcelona an Land gingen, stürmten 2012 bereits 2,4 Millionen Passagiere die Stadt. Im internationalen Vergleich liegt Barcelona europaweit nach London, Paris und Rom auf Platz vier mit 5,8 Millionen Touristen. Im Gegensatz zu Paris, wo die Zahl der Touristen sinkt, steigt sie in Barcelona immer noch steil an.

Festivals und Restaurants

Festivals wie das jährlich stattfindende Sónar, ein Festival der elektronischen Musik, locken junge Gäste in die Stadt. Einen gelungenen Sonntagnachmittag im Sommer verbringt man am Hang des Montjuïc beim Piknic Electronik (http://piknicelectronik.es/en/), wo man isst, trinkt, chillt und die musikalische Beschallung durch bekannte DJs genießt.

Restaurants gibt es in Barcelona im Überfluss. Das Bewertungsportal Trip Advisor etwa listet in Barcelona rund 5500 Restaurants, die Zahl dürfte weit darüber liegen. Für jeden Geschmack und jeden Geldbeutel ist etwas dabei, von den vier Restaurants mit zwei „Michelin“-Sternen Abac, Lasarte, Enoteca und Moments bis zu exotischen Restaurants im Viertel Raval, wo man für wenig Geld essen kann. Wer aus der Stadt hinausfährt, zu Joan Roca und seinem Restaurant El Celler de Can Roca in Girona, kann sich rühmen, im besten Restaurant der Welt gegessen zu haben. So jedenfalls stuft es das britische Magazin „Restaurant“ ein, das jährlich eine Liste der 50 besten Restaurants der Welt herausgibt.

In den Bioläden Spaniens ist das wenige Obst und Gemüse oft welk, weil es sich kaum verkauft. Biobewegte werden daher vom Woki Organic Market begeistert sein. Der große Laden an der Plaça de Catalunya, einer von vieren in Barcelona, ist eine Mischung zwischen Restaurant und Supermarkt, in dem sich Essstände auf einer Erdgeschoßfläche mit filigranen Eisensäulen verteilen. Die Tische stehen unauffällig zwischen den Verkaufsregalen. Dekorateure haben hier ganze Arbeit geleistet: Da steht ein Schubkarren mit Eiern vom Bauernhof, aus Kartoffelsäcken lachen frische Kartoffeln heraus, alte Emailschilder geben dem Ganzen einen Hauch von Nostalgie.

Der Woki-Stand ist sozusagen das „Signature Meal“ des Hauses. Es gibt zwei verschiedene Basisgrößen des Reis- oder Nudelwoks mit Gemüse. Jede weitere Zutat kann dann dazubestellt werden sowie verschiedene Saucen von mild bis scharf. Es gibt auch Hamburger, Pizza, selbst hergestellte Tortellini, Ravioli und Lasagne, verschiedene Salate, Steaks und Sushi. Jeder Kunde rechnet per Chipkarte ab, auf der die Speisen und Getränke gespeichert sind und die dann zusammen mit den Einkäufen abgerechnet werden.

Gärung ohne Stress

Auch Bierliebhaber kommen in Barcelona voll auf ihre Kosten. Im Jahre 1851 machte sich ein junger Bursche namens Louis Moritz Trautmann aus dem elsässischen Pfaffenhofen auf den Weg nach Barcelona. Die Stadt begann sich in diesen Jahren industriell zu entwickeln. Im Raval-Viertel fand Trautmann eine kleine Fabrik, die er zu einer Brauerei ausbaute. Inzwischen ist Moritz zum Kultbier avanciert, die Brauerei beliefert ganz Spanien und weitere 15 Länder.

In der Fermentationsmethode unterscheidet sich das Moritz-Bier von den meisten anderen: Um dem Bier den „Stress“ des Drucks in den Gärtanks zu nehmen, kehrte man zurück zu den niedrigen Tanks, was ein geschmackliches Gleichgewicht garantiert. Die Brauerei an der Ronda Sant Antoni wurde vor kurzem renoviert und hat jetzt hängende Gärten, ein kleines Biermuseum und eine Bar, in der man die Sorten alkoholfrei, Moritz (5,4%) und Moritz Epidor (7,2%) probieren kann, die im Haus gebraut werden. Die Tapas, die hier serviert werden, sind allererster Güte, zusätzlich gibt es Spezialitäten aus der Heimat des Gründers.

48 Stunden schwärmen in Barcelona


1. H10-Hotels. Auch die Gruppe H10, eine schicke Hotelkette aus Barcelona und bekannt für ihre mit tollem Design und Kunst veredelten, ultramodernen Herbergen in alten Häusern oder Neubauten, bietet seit dem Vorjahr zwei neue Adressen: das H10 Art Gallery, ein Viersterne-superior-Haus mit 91 Zimmern in der Enric Granados 62–64 und das H10 Rambla Catalunya mit 85 Zimmern und Schwimmbad an der Plaça Catalunya 7, ein Boutiquehotel in einem Stadtpalais aus dem 19. Jahrhundert.
h10hotels.com

2. Jaime Beriestain Restaurant Concept Store. An der Calle Pau Claris reiht sich eine hippe Shop-Neueröffnung an die andere. Die jüngste ist die Kombination von Designladen und Restaurant des chilenischen Designers Jaime Beriestain. Auf mehr als 500 Quadratmetern findet man Kerzen, Bücher, Düfte, Vintagemöbel und handgewebte Teppiche. Abends wird Gin Tonic serviert, dazu legen DJs auf. Pau Claris 167. beriestain.com


3. Teatre Principal. Das Teatre Principal ist das älteste Theater Barcelonas. Es wurde im Jahr 1568 gegründet und liegt am unteren Ende der Rambla. Es war im Gegensatz zur luxuriösen Oper Liceu, ebenfalls an der Rambla, eher das Theater der kleinen Leute. Nachdem es viele Jahre lang leer stand, küsste es ein privater Betreiber aus dem Dornröschenschlaf wach. La Rambla 27.
teatreprincipal.com


4. Desigual. Direkt neben dem Hotel W am Strand der Barceloneta hat sich die Modekette Desigual (zu deutsch: ungleich) ihre neue Zentrale gebaut (Passeig del Mare Nostrum). Hier arbeiten rund 1000 Menschen für die europaweit stark expandierende Kette. In dem riesigen Glasgebäude gibt es auch einen der etwa 15 Shops und Outlet-Stores der Marke in Barcelona. Der Gründer ist übrigens ein Schweizer: Thomas Meier. Das Design erinnert stark an die Marke Custo Barcelona, mit der sich die Firma schon einige Rechtsstreitigkeiten geliefert hat. desigual.com

5. Astoria. Ein plüschiges, elegantes Kino mit einem wunderbaren Saal war das Astoria einst, jetzt dient es als Club-Restaurant. Nach dem Essen beginnt die Burlesque-Show „Circus Cabaret“, später legt ein DJ zum Tanzen auf. Calle París 193–197. astoriabarcelona.com

6.Suculent. Im Suculent im Szeneviertel Raval ist der Name Programm: Suculent heißt auf Deutsch: langsam eintauchen. Dem Brot wird in diesem Wirtshaus besondere Bedeutung zugemessen. Es stammt von einer nahen Bäckerei, die den Sauerteig zwei Tage reifen lässt, was sich im Geschmack bemerkbar macht. In der Wirtsstube, in der sich früher Matrosen und Gesindel trafen, um sich zuzuschütten, versuchten die neuen Betreiber möglichst wenig zu ändern, um den alten Geist zu erhalten. Rambla del Raval 43; suculent.com


7. Boujis. „Der eleganteste Londoner Club nun auch in Barcelona“, damit wirbt das Boujis um die Crème de la Crème des Nachtlebens in Barcelona. In London trifft man dort auf Prinz Harry und Anhang, in Barcelona wird es wohl nicht ganz so aristokratisch zugehen, wenn Lady Gaga in der Stadt ist und feiern will. Tuset 3. boujisbcn.com


8. Meam. Freunde moderner Kunst werden das neue Museum europäischer moderner Kunst (MEAM) im Gomis-Palais im Born-Viertel lieben. Ausgestellt werden Fotografie, Skulptur und Malerei des 20. und 21. Jahrhunderts. Abends kann man durch die Ausstellungsräume spazieren und gleichzeitig Blues oder klassische Musik live genießen. Barra de Ferro 5. meam.es


9. Onda Soleil. In der quirligen Calle Verdi im Viertel Gràcia gegenüber dem Kino findet sich dieser Laden, der die Girlie-Herzen mit 300 BPM schlagen lässt. Modedesigner aus Barcelona verkaufen hier ihre Unikate und das zu Preisen, die fast H&M Konkurrenz machen könnten. Onda Soleil, die sonnige Welle, ein Muss für Modeprinzessinnen! Calle Verdi 37

10. Pork. „Ich bin ein echter Schweinekerl“, brüstet sich der Koch Oriol Roviro, der im neuen Restaurant „Pork... boig per tu“ (Übersetzt: Schwein – wild nach dir) kocht. Wie der Name schon sagt, gibt es hier alles vom Schwein, jenem Tier, das in der katalanischen Küche die Hauptrolle spielt. Doch ein ganz gewöhnliches Restaurant ist das Pork, in dessen urigen Gemäuern ein ausgestopftes und bunt bemaltes Schwein von der Decke baumelt, beileibe nicht: Es wird ohne Strom und ohne Gas gekocht, nach mittelalterlicher Manier in einem Lehmofen! Consolat del Mar 15; porkboigpertu.com


11.Swing. In einer alten Fabrik im Viertel Gracia befindet sich die größte Swing-Tanzschule der Stadt mit neun (!) Unterrichtssälen, die täglich ausgelastet sind. Es gibt Unterricht in Lindy Hop, Blues, Balboa, Charleston und Boogie Woogie. Calle Església 4. swingmaniacs.com


12.Katamaran Orsom. Statt einer banalen Hafenrundfahrt im Ausflugsboot mal mit einem großen Katamaran in See stechen! Die 22,8 Meter lange Orsom legt jeden Abend von der Moll de Drassanes ab. Bei gutem Wind garantiert die Segelfläche von 205 Quadratmetern schnelles Vorankommen und beste Fotomotive auf die abendliche Stadt! Moll de Drassanes. barcelona-orsom.com

Olivenöltour. Der Olivenölexperte Ralf Wigger lehrt auf Touren, gutes von schlechtem Olivenöl zu unterscheiden. tapastoursbarcelona.com

Eatwith. Wer wissen möchte, wie Barceloner privat wohnen, sollte sich in der neuen Internetseite eatwith.com einloggen. Hier präsentieren Barceloner Hobbyköche ihre Gerichte mit Foto und laden jeden gegen Bezahlung ein, diese Gerichte in ihrer Wohnung zu probieren. Kostprobe? Architekt Chema liebt Tortillas. Für 16 Euro kann man in seinem Wohnzimmer verschiedene probieren, inklusive Wein. eatwith.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2014)

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