Städtereise: Venedig auf die schnelle Tour

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Wer per Bahn in die Lagune fährt, trifft im Stadtteil Cannaregio ein. Der hat auch stille Reize.

Venedig. Die Stadtführerin, die vor vielen Jahren aus dem deutschsprachigen Teil von Belgien in diese berühmteste Stadt an der Adria kam, führt zielstrebig auf die Piazza San Marco. Wo sonst beginnt ein Besuch von Venedig? Zwischen dem Dogenpalast und der Bibliothek geht es an den beiden Säulen vorbei. Auf der linken brüllt ein Markuslöwe, rechts zwingt Sankt Theodor einen Drachen nieder.

Mit großer Geste weist die Kunsthistorikerin auf die Lagune, die Kirchen San Giorgio Maggiore und Santa Maria della Salute auf den vorgelagerten Inseln. Weit hinten funkelt der Lido, wo die schicken Leute abhängen. „Von dort her, vom Meer, mit dem Schiff, sind bis ins vorige Jahrhundert alle Reisenden nach Venedig gekommen, Goethe, Mozart, Wagner“, sagt die Führerin und lässt keinen Zweifel daran, dass sie die maritime Form für die stilgerechte hält, sich der einstigen Dogenrepublik zu nähern.

Zwei Stunden Zeit, um San Marco und die umliegenden Sehenswürdigkeiten zu besuchen, den Campanile und die Seufzerbrücke von außen zu betrachten, das Caffè Florian auf der Piazza San Marco: Um fünf vor elf klopfen zwei Bronzehirten mit ihren Hämmern auf die große Glocke oben auf dem Torre dell'Orologio. Jetzt haben wir noch eine halbe Stunde Zeit für die Basilika. Zum Glück ist die Fastenzeit für Besucher günstig: Man muss sich nicht einmal anstellen, um die Mosaiken mit ihrem Goldgrund zu bewundern, die dem Volk seit dem Mittelalter die wesentlichen Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament wie ein Comicstrip erklären.

In Venedig muss man heute nicht standesgemäß wie Geheimrat Goethe anlanden, sondern kann auch ganz ohne Verspätung mit der Bahn in voll klimatisierten Abteilen anreisen. Die ÖBB hat Ende des Vorjahres zusätzlich zu den Nachtzügen und IC-Bussen wieder direkte Intercity-Tagesverbindungen hierher eingeführt. Damit gibt es täglich bis zu fünf Reiseoptionen über Villach nach Venedig. Und die ÖBB-Taurus 3 sorgt für Zeitersparnis: Für Gleich- wie Wechselstrom geeignet, kann sie auch in Italien fahren, der langwierige Lokwechsel entfällt. Um 6.30 Uhr geht es in Wien-Meidling los, um 14.05 Uhr kommt man am Bahnhof Santa Lucia an. Ganz Eilige könnten schon mit dem Nachtzug zurückkehren, doch sollte man schon ein bisschen mehr von der Stadt haben und sie auch kulinarisch erleben. Das heißt in unserem Fall 15 Stunden Fahrt und 15 Stunden Stadt, ehe es um 15.59 Uhr wieder zurück nach Wien geht, wo man um 23.27 Uhr eintrifft.

Wir haben uns vorgenommen, den Stadtteil Cannaregio zu erkunden, vor allem das Ghetto. Von hier haben die jüdischen Viertel in aller Welt ihren Namen. Vor 500 Jahren mussten die Juden Venedigs auf diese winzige Insel ziehen. Italienisch „getto“ bedeutet auch Guss, wegen des Lärms und Schmutzes des Eisenhandwerks war das Ghetto Nuovo nicht attraktiv, aber den Juden bot es Schutz durch die Republik. Bis zu seiner Aufhebung 1796 war es ihr abgeschlossenes Wohngebiet. Man baute hoch, weil der Platz bald eng wurde, zwängte so viel Stockwerke wie möglich hinein. 1943 wurden Venedigs Juden von den deutschen Besatzern deportiert, die meisten von den Nazis ermordet. Inzwischen gibt es wieder eine kleine Gemeinde.

Heute ist das Ghetto fast eine Oase der Ruhe, weil es ein wenig abseits der großen Touristenattraktionen liegt. Zum Abendessen in Cannaregio geht es in die Osteria Bea Vita (Fondamenta San Girolamo), die für Fisch und Meeresfrüchte gerühmt wird. Sie erfüllt die gastronomischen Erwartungen absolut. Am nächsten Tag gibt es noch ein spätes Mittagessen bei Al Cicheto. Die Bar ist gut versteckt in der schmalen Calle Misericordia, aber urig und preiswert: Pasta wie bei Mama und ehrlicher Hauswein. Derart gestärkt geht es am Nachmittag wieder zurück nach Wien.

Die Kosten dieser Reise trugen ÖBB Rail Tours. Der ÖBB-Intercity Wien–Venedig kostet ab 29€. railtours.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2014)

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