Friaul & Socatal: Alte Freunde, neue Freundschaft

 	  Šmartno, village in Goriška Brda area, Slovenia
Šmartno, village in Goriška Brda area, SloveniaŽiga/Wikipedia
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Den Altösterreicher überkommen leicht heimatliche Gefühle, im Gedenkjahr kann er sich auch mit der Realität anfreunden.

Nostalgische Verklärung des Habsburgerreiches findet man nicht nur in Österreich, auch Nachkommen einstiger Untertanen in den Kronländern sind davor nicht gefeit. Die Triestiner etwa sprechen noch gern von der Zeit, als ihre Stadt den bedeutendsten Hafen eines bedeutenden Reiches beherbergt hat. Obstbauern in Cormons schwärmen von den Geschäftsbeziehungen ihrer Großväter, die allmorgendlich ihre Früchte auf dem Bahnhof lokalen Agenten der Kolonialwarenhändler der Reichshaupt- und Residenzstadt angeboten haben. Und vor dem Museum in Kobarid treffen Slowenen in historischen k. u. k. Uniformen gleich gesinnte und gewandete Besucher aus Böhmen. Die Winzer von Collio und Brda schließlich, einst Hoflieferanten und gewohnt, ihre Produktion in toto abgenommen zu bekommen, haben heute zwar kaum Probleme, ihren Wein an den Mann zu bringen, doch so ein Durchhänger von hundert Jahren will erst einmal bewältigt werden.

Den ökonomischen Rückschlag verdanken sie genau wie die vorangegangene, nunmehr verklärte Zeit der Prosperität dem Expansionsstreben der Habsburger, das 1914 am Isonzo sein Ende fand. Wobei: genau hier eigentlich erst ein Jahr später. Das Königreich Italien hielt sich noch fast ein Jahr bedeckt, bevor es sich entschied, auf welcher Seite es in die Auseinandersetzung eintritt, nicht zum Nachteil, wie sich zeigen sollte. Als Sieger ging in der Region das schon faschistische Italien hervor, man habe uraltes italienisches Gebiet zurückerobert, sprach der Duce, was die Slowenen davon hielten, kann man sich denken, dementsprechend gespannt war die Nachbarschaft im 20. Jahrhundert.

Vergessen und vergeben, zum Hunderter hat man sich zusammengetan, Slowenien und Friaul-Julisch Venetien machen dem Besucher gemeinsam eine Reihe von Angeboten, sich dem historischen Datum vor Ort anzunähern. Geografisch wie thematisch verbunden sind sie durch den Pot Miru, Friedensweg auf Slowenisch, auf Italienisch: Sentieri della Pace, hier in Mehrzahl, weil die Front 450 Kilometer lang bis hoch in die Alpen reichte. Im Süden begann sie an der Küste, der Start im malerischen Duino bietet sich förmlich an.

Krater neben Dolinen

Doch der Badeort war nicht umkämpft, viel interessanter war da schon Monfalcone, wichtiger Hafen und Industriestandort, das hat sich bis heute nicht geändert. Ganz in der Nähe des Bahnhofs startet ein Wanderweg hinauf in den Karst, alle paar hundert Meter geben Schilder Auskunft über Verteidigungsstellungen, jeweils mit Angabe der Seehöhe. Bald trifft man auf die ersten Exponate dieses Freilichtmuseums, durch frei gelegte Schützengräben und unterirdische Artilleriestellungen wandert man bis zur Pietrarossa auf 121 Metern. Den historischen Ausblick auf Adria und Küstenstraße verstellt die heute üppige Vegetation. Aber man kann sich leicht vorstellen, wie trostlos und beängstigend der Alltag in den Schützengräben vor hundert Jahren war, als die Granaten neben den Dolinen ihre Krater schlugen.

Nur ein paar Kilometer westlich hat das faschistische Italien sich und seinen Gefallenen ein monumentales Denkmal gesetzt, und dabei gleich sprachlich alles klargemacht. Der Soldatenfriedhof von Redipuglia zieht sich als steinernes Mahnmal den Hang neben einem Ort hoch, der korrekt Sredipolje oder wenigstens Terra di Mezzo, Land der Mitte, heißen müsste. Was, ganz nebenbei, auch ein schöner Denkanstoß wäre, erkennt man doch allein an der Bezeichnung viel von der Situation der Landschaft vor dem Aufmarsch der Armee unter der Führung des Herzogs von Aosta. Der liegt nun hier inmitten der Gebeine von 100.000 gefallenen Soldaten und einer einzigen Frau, der Krankenschwester Margherita Orlando.

Verbissen verteidigt haben die Österreicher und ihre Untertanen auch Görz, immerhin gehörte die Stadt den Habsburgern, seit Maximilian I. um 1500 den zuständigen Grafen von Aquiläas Gnaden zum Ärger der Venezianer beerbt hatte. Die Geschichte der zerrissenen Stadt wird im Museum auf der Burg präsentiert, nun mit Schwerpunkt 1914. Was Gorizia/Nova Gorica auch auszeichnet und zu einem sehenswerten Gedenkort macht, ist, dass einem hier bewusst wird, wie lange die Nachkriegszeit, besonders für die Slowenen, gedauert hat. Auf dem Platz vor dem Bahnhof erinnert ein Denkmal an den EU-Beitritt des Landes und die erlangte Selbstbestimmung.

Wichtigster Verteidigungsposten war dabei der massiv befestigte Gipfel des Sabotin, der sich, am westlichen Ufer der Soča gelegen, als letzter Berg vor dem Collio und der Brda (bedeutet beides Hügelland) als Bastion anbietet. Heute steht oben ein Schutzhaus, der Wirt hat ein kleines Museum eingerichtet, in dem an die Leistungen der slowenischen Soldaten erinnert wird, wie auch beim zehntägigen Unabhängigkeitskrieg 1991. Hier trifft man auch freiwillige Führer, die einen in historischer Uniform durch die in den Fels gehauenen Stellungen leiten. Erst war alles gen Westen ausgerichtet, doch nach dem Trommelfeuer der 6. Isonzoschlacht 1916 nahmen die Truppen des Duca d'Aosta den Berg ein, sahen sich gezwungen, die Ausrichtung um 180 Grad zu drehen, und schafften die Geschütze unterirdisch an die andere Flanke. Dort kann man noch Fundamente der Standseilbahn erkennen, mit denen Nachschub vom Fluss bewerkstelligt wurde, der nun Isonzo hieß.

Flussaufwärts gelangt man nach Kobarid (damals Karfreit am Sontig), das die Italiener dann zu Caporetto machten, und mit einem weiteren Heldendenkmal beschenkten. Die Slowenen hingegen, dem Nationalismus und der Heldenverehrung gegenüber eher skeptisch eingestellt, haben mit ihrem beeindruckenden Heimatmuseum und dem angeschlossenen Friedensinstitut ein sehr in die Zukunft gewandtes Statement gemacht. Natürlich wird auch hier der Erste Weltkrieg ausführlich behandelt, immerhin war Karfreit Ausgangspunkt der elften und letzten Isonzoschlacht. In deren Verlauf die k. u k. Armee die Front, die während der vorangegangenen zehn Waffengänge immer nur um ein paar hundert Meter wanderte, innerhalb weniger Tage an die Piave verschob, immerhin 150 Kilometer. Und eigentlich den Krieg gegen Italien gewann, was aber am Ende des Vielvölkerstaates bekanntlich nichts mehr änderte. Nun, 100 Jahre später, ist das vergeben, nicht vergessen, ganz im Gegenteil. Gemeinsam macht man sich ans Erinnern, freundlich und freundschaftlich, schließlich war man hier am Südrand der Alpen ja fast immer mit den Nachbarn verwandt, egal, auf welcher Seite der Grenze.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2014)

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