Tunesien: Wüste, voll klimatisiert

Tunesien hat endlich eine Verwendung für seine „unnütze“ Wüste entdeckt: Von Kameltrekking bis Ballonfahren bietet sie vielfältigen bis kuriosen Urlaubsspass. In den neuen Wellness-Oasen am Meer wird der Gast den Sand dann wieder los.

Habib Ben Masoud sprudelt seine Schmähs nur so heraus: Ein Rizinusgewächs nennt er wegen der abführenden Wirkung des daraus gewonnenen Öls Toilettenbaum. Der Stich einer giftigen Spinne verursache bloß drei Tage Fieber, meint unser perfekt deutsch sprechender Führer beruhigend. Trockener Nachsatz: „... bevor man stirbt“. Und Ibrahim sei kein Kamel, wird der Guide plötzlich wissenschaftlich, sondern – weil nur mit einem Buckel gesegnet – ein Dromedar. Dennoch zeichne dieses Tier eine Besonderheit aus: „Schau mal“, ruft Ben Masoud mit gespielter Begeisterung, „schau: Ibrahim trinkt Cola!“ Tatsächlich flößt man dem bedauernswerten Schwielensohler im Oasenzoo des Wüstenstädtchens Tozeur zum Gaudium eines sensationslüsternen in- und ausländischen Publikums aus einer bauchigen Flasche bräunliche Flüssigkeit ein. Versteht sich, dass es sich bei dem Gesöff nur um eine koffeinfreie Limonade der Version „extra light“ handelt: gefärbtes Wasser.

„Unter den Römern eine Wehrsiedlung namens Thusuros, entwickelte sich der Ort im Mittelalter zu einem bedeutenden Stützpunkt für die Sahara-Karawanen“, doziert Ben Masoud. Als Zentrum des Djerid, wörtlich: Palmwedel, profitiere die Oase bis heute vom Dattelanbau. Die berühmteste Sorte heißt wegen ihrer Transparenz poetisch Deglet en-Nour, Finger des Lichts, und gehe hauptsächlich in den Export.

Auf Tozeurs Dattelmarkt dagegen würden vor allem mindere Qualitäten für den lokalen Bedarf angeboten. An sich ein attraktives Mitbringsel, kommen Datteln doch selten heil zu Hause an: Zu groß ist die Versuchung, von den süßen Früchten schon am Urlaubsort zu kosten. Naschkatzen sind besser beraten, ungenießbare Andenken zu erstehen: Teppiche, Keramik, Lederwaren.

In Tozeurs „Dar Cherait“, einer Mischung aus Caf¨, Lunapark, Heimatmuseum und Shoppingkomplex, lässt sich gut studieren, welches Handwerk für die Region charakteristisch ist.

Leider dominiert bei den Neubauten in der Altstadt grauer Beton. Das typische, geometrische Ziegelmuster an den Außenwänden der Häuser ist selten geworden. Vor einem repräsentativen Portal veranstaltet Ben Masoud ein Ratespiel: „Was bedeuten die drei Türklopfer hier?“ Die sind für Vater, Mutter und Kind, blödelt einer von uns. Doch es stimmt: Jeder der in unterschiedlicher Höhe angebrachten Klopfer klingt anders, die Bewohner erkennen am Ton, wer Einlass begehrt: ein Mann, eine Frau oder ein Es.

Schön ist außerhalb des geschlossenen Siedlungsgebietes der charakteristische Stock­werksaufbau von Oasen zu sehen: Unter den obersten Dattelwedeln wachsen in der mittleren Etage Fruchtbäume, die Granatäpfel, Feigen und Pistazien tragen, während im Erdgeschoß Gemüse und Futterpflanzen gedeihen. Voraussetzung für all diese Vegetation ist natürlich Wasser. Es wird mit Pumpen hochgeholt, nach einem althergebrachten Schlüssel gerecht auf die Felder verteilt und – immer knapper. Wofür viele Bauern durchaus zu Recht den neuerdings deutlich angeschwollenen Besucherstrom verantwortlich machen.

Tatsächlich steigt, seit Tunesien seine „unnütze“ Wüste touristisch vermarktet, der Fremdenverkehr dort auch kontinuierlich an. In den letzten Jahren entstanden zahlreiche Viersternhotels mit Swimmingpools – im ariden Landesinneren der pure Luxus.

Vor allem Tozeur und Douz avancierten durch ihre Lage am Rand der Mega-Sandkiste Sahara zum Ausgangspunkt für zahlreiche Aktivitäten: Kameltrekking, Ballonfahren, Geländewagen-Safaris, Sandskilauf oder -segeln ziehen immer mehr Salonabenteurer an. Es soll sogar Leute geben, die das gebuchte Zimmer für eine Nacht leer stehen lassen, um – sozusagen hinterm Haus – einmal im Beduinenzelt zu schlafen. Lagerfeuer, Hammel am Spieß und vielleicht ein kleiner Skorpion inklusive.

Fantasia im Sand

Dies ist umso attraktiver geworden, als der Gast den Staub von solchen Soft Adventures danach in neuen Wellness-Oasen abschütteln kann. An der ganzen Mittelmeerküste von Tabarka nahe der algerischen Grenze bis nach Zarzis gegenüber der Insel Djerba in Tunesiens Süden bieten Kurhotels Thalassotherapie an. Die Nutzung von Meerwasser zur Heilbehandlung geht auf die Antike zurück. Schon reiche Römer ließen sich in ihrer Provinz Africa mit Massagen, Schlammpackungen, Inhalationen und Sprudelbädern verwöhnen. Heute ergänzen moderne Fitnessprogramme das traditionelle Repertoire. Doch vor dem Relaxen führt uns ben Masoud noch einmal in die Wüste. Von Expedition oder Wagnis kann bei einer Durchquerung des Schott el-Djerid allerdings keine Rede mehr sein, seit ein schnurgerader Highway auf die andere Seite des Großen Salzsees führt. Unterwegs bewundern wir an einer Raststätte Wüstenrosen – wunderschön auskristallisierte rosa Gipsgebilde – und „toilettes climatis©es“, wie ein Spaßvogel auf die Wellblechverschläge hier in the middle of no­­w­here gepinselt hat.

Das Ziel heißt Douz, wo jeden Donnerstag Markt gehalten wird. Im Dezember findet in Douz auch das berühmte Sahara-Fest statt, zu dem sich Berber aus Tunesien und der Nachbarschaft versammeln. Schrille Musik begleitet einen Tanz prächtig geschmückter junger Frauen; Reiter feuern im Galoppieren museumsreife Flinten ab. Fantasia nennt sich das Fest ganz zu Recht. Poeten rezitieren Liebesgedichte; ein Hase lässt sich weder von den auf ihn gehetzten Windhunden, noch von zweibeinigen Verfolgern auf Mopeds einfangen; Dromedare mit Brautsänften defilieren vorbei. Nur die Bräute, die bleiben hinter ihrem Schleier.

Breitband-Oase der Sinne

Beste Reisezeit: Herbst und Frühjahr; im Winter können die Nachttemperaturen in der Wüste bis zum Gefrierpunkt sinken.
Währung: 1 Euro = ca. 1,4 Tunesische Dinar
Verständigung: Französisch kann jeder, in den Touris­tenzentren sprechen viele auch deutsch
Tunis Air fliegt donnerstags und sonntags Wien–Tunis ­sowie samstags Wien–Monastir; außerdem gibt es zahlreiche Charterverbindungen, auch in den Süden

Empfehlenswerte Hotels im Landesinneren
Tozeur: Palm Beach Sofitel; palmbeach.tozeur@gnet.tn
Oase Tamerza: Tamerza Palace;
tamerza.palace@planet.tn
An der Küste (mit Thalassotherapie)
Hammamet: Royal Azur abdessalem.mekni@orangers.com.tn
Sousse Abou: Nawas Boujaafar
boujafar@abounawas.com.tn
Monastir: Miramar Skan¨s  miramar.skanes@planet.tn
Djerba/Midoun: Yadis Thalasso Golf
hotel.yadis@planet.tn
Zarzis: Odyss©e Thalasso odysseeresort@planet.tn
Veranstalter: Tunesien hat nahezu jeder Veranstalter im Programm, wie etwa Taurus, Delphin, FTi, Gulet, Neckermann, TUI;
Individualreisenden helfen lokale Agenturen weiter: etwa New Space Travel newspace@gnet.tn und Douz Voyages douz.voyages@tunet.tn
Reiseführer: Aubert, Djerba und Südtunesien, Dumont Vlg.
Infos: Tunesisches Fremdenverkehrsamt 1010 Wien, Opernring 1/R/109, Tel: 01/585 34 80
tunesien@magnet.atwww.fva-tunesien.de

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