Rom für Fortgeschrittene

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Rom für FortgeschritteneReuters
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Was man am Tiber sonst noch so machen kann.

Die zwei Päpste sind heiliggesprochen, die Pilgerscharen haben sich verflüchtigt, die Tickets sind günstig, das Wetter ist schön, es gibt viele Mai-Feiertage. Nichts spricht dagegen, wieder einmal nach Rom zu fliegen und es von einer anderen Seite kennenzulernen. Verblüffenderweise zählt Rom ja zu jenen europäischen Städten, die am günstigsten anzufliegen sind – dank der Konkurrenz von Austrian, Alitalia und Niki kann man manchmal sogar Tickets zu Preisen buchen, die sonst nur plakatiert werden.

Samuel Johnsons berühmter Satz „Wer dieser Stadt müde ist, ist des Lebens müde“ ist zwar auf London gemünzt, passt aber noch besser für Rom. Spätestens nach dem dritten Besuch stellt sich dann aber doch oft die Frage, was man mit seiner Zeit anfangen soll. Das Pflichtprogramm haben Sie ja längst erledigt: Sie haben das Forum Romanum gemeinsam mit tausenden anderen Touristen besucht, Sie haben nach flughafenmäßigen Sicherheitskontrollen Einlass in die Peterskirche gefunden, nach stundenlangem Schlangestehen auch in die Vatikanischen Museen. Sie haben in Trastevere typisch römische Speisen, untermalt von mexikanischer Musik gegessen. Sie haben im Modeviertel bei der Spanischen Treppe die Armani-Gucci-Prada-Shops geplündert und im Traditions-Caffè Greco einen lauwarmen Sackerltee für wohlfeile zehn Euro konsumiert und, und, und.

Was machen wir dieses Mal? Nehmen Sie einen Aperitif mit der In-Crowd, besuchen Sie das Haus der Kaiserin, beten Sie, wo früher nur der Papst beten durfte, bestaunen Sie fragwürdige Reliquien, betreten Sie den Palast des Staatspräsidenten, schaudern Sie in einer unterirdischen heidnischen Kultstätte, trinken Sie einen Caffé mit dem Geist Pasolinis und essen Sie Gemüse, das nur in Rom wächst ... Ein paar Anregungen:

48 Stunden unfassbare Pracht

Theaterregisseur Robert Quitta ist oft in Rom. Und entdeckt immer wieder Unbekanntes. Diesmal Antikes – aber auch Lammbries.

1. Centrale Montemartini. Sensationelles Museum, gefüllt mit Beständen der Kapitolinischen Museen. 400 erstklassige Werke aus den Ausgrabungen nach der italienischen Einheit. Einzigartige Atmosphäre dank des Kontrasts zwischen der Industriearchitektur des ehemaligen E-Werks und antiken Skulpturen. Absolut sehenswert. centralemontemartini@comune.roma.it

2. Palatin. Nur wenige Besucher des Forum Romanum würdigen den Palatin, obwohl er nur wenige Schritte entfernt und dasselbe Ticket auch für ihn gültig ist. Warum? Mysterium. War er doch die Residenz der römischen Kaiser und der Ursprung der Wörter Palazzo, Palais, Palace, Palast. Die einstigen Paläste sind fast bis auf die Ziegelmauern zerfleddert, aber dafür kann man im Grünen fast allein lustwandeln. Ein besonderes Erlebnis ist die kürzlich renovierte Casa di Augusto, die Wohngemächer des Kaisers und die Casa seiner Gattin Livia (Wandmalereien !).

3. Mercati Traiani. Die erste Shoppingmall avant la lettre, jetzt ein exquisites, nicht überlaufenes Museum, spezialisiert auf Ausgrabungen aus den imperialen Foren. Nicht versäumen: die Terrasse mit einem überwältigenden Blick über das ganze archäologische Gebiet (jetzt Fußgängerzone) bis zum Colosseum. Via IV Novembre, 94, mercatiditraiano.it

4. Mithraen. Eine Sekte aus der Zeit des Römischen Reiches, die sich in unterirdischen Gewölben trifft, ihren Anführer Pater nennt und bei einem gemeinsamen Mahl Brot und Wein miteinander teilt? Nein, falsch geraten: Das waren die Anhänger des Sonnengottes Mithra. Einige der ursprünglich 800 Mithra-Heiligtümer in Rom sind noch erhalten, besonders erwähnenswert die in San Clemente, Santa Prisca, in den Caracalla-Thermen und unter dem Circus Maximus. Ein Besuch dieser intimen Stätten (max. 80 Anwesende) ist eine hautnahe, unvergessliche Erfahrung. basilicasanclemente.com

5. Santa Croce in Gerusalemme. Ja, okay, der Petersdom soll über dem Grab des Apostel Petrus errichtet worden sein. Aber in dieser Kirche befinden sich von Kaiserin Helena aus Palästina importierte, wirkliche, echte Reliquien: kleine Teile des Kreuzes Christi, der Querbalken eines der Schächerkreuze, zwei Dornen aus der Dornenkrone und ein heiliger Nagel. Beeindruckend, ob man daran glaubt oder nicht. Piazza di Santa Croce in Gerusalemme; santacroceroma.it

6. Borgo Pio. Das Viertel zwischen Petersdom und Engelsburg wirkt wie die Kulisse für einen Mittelalterfilm, wegen seiner geografischen Nähe zum Vatikan wimmelt es von Heerscharen echter Priester, Monsignori, Mönche, Nonnen, Kardinälen etc. Pittoresk. Mit vielen guten Restaurants, in denen selbige Würdenträger ebenfalls beim Tafeln anzutreffen sind.

7. Sancta Sanctorum. Ursprünglich residierten die Päpste nicht im Vatikan, sondern im Lateran. Vom alten Palast übrig geblieben ist die Privatkapelle des Kirchenoberhaupts, die Sancta Sanctorum. Ausschließlich kostbarste Materialen (gelber Marmor!), alle aus antiken römischen Palästen recycelt. Ein intimer, exklusiver, ursprünglich nur für eine Person bestimmter Ort. Atemberaubend. Tja, vor dem Auftreten argentinischer Armenprediger muss das Amt des Pontifex durchaus erstrebenswert gewesen sein. Piazza di S. Giovanni in Laterano 14; scalasanta.org

8. Quirinale. Einst die Sommerresidenz der Päpste, dann Sitz der italienischen Könige, jetzt des Staatspräsidenten: der Palast auf dem Quirinals-Hügel. Was ihn so besonders macht? Abgesehen von den riesigen Ausmaßen die Tatsache, dass man kleine Teile davon nur kurz, sonntags von 8.30–12, besichtigen kann. Aber das bissl Schlangestehen lohnt sich, weil man, vor allem in den nicht „verbürgerlichten“ Teilen, einen Eindruck davon bekommt, in welch unfassbarer Pracht die Päpste, die wahren Nachfolger der Cäsaren, gelebt haben. Beeindruckendst.

9. Casa di Goethe. Er hat's erfunden, diese ganze Rom-Sehnsucht: Johann Wolfgang von . . . Kein Wunder, soll der Weimar-Flüchtling doch hier im reifen Alter von 39 Jahren erstmals sexuell erweckt worden sein. In diesem Haus, an der zentral gelegenen Via del Corso, lebte er zwei Jahre lang im Atelier des Malers Tischbein. Sehr informative Dauerausstellung, sehr interessante Wechselausstellungen. Via del Corso 18, casadigoethe.it

10. La Campana. Angeblich ältestes Lokal Roms (1528), in dem schon Caravaggio verkehrt haben soll (hoffentlich hat er hier niemanden umgebracht). Dessen ungeachtet erstaunlich naturbelassen, total unschick, auch wenn es von vielen Intellektuellen besucht wird. Hort der römischen Hardcore-Küche: Abbacchio (Milchlamm), Animelle (Lammbries), Coda alla Vaccinara (Ochsenschwanz) und Ähnliches. Nichts für Innereien-Phobiker. Vicolo della Campana, 18, Roma; ristorantelacampana.com10.

11. Bar Necci1924. Im Künstlerviertel Pigneto gelegen. Man ist hier fast autark, macht fast alles selbst: Cornetti, Gelati, Pasta etc. War eines von Pasolinis Lieblingslokalen. Eine echte Oase im Moloch Rom, vor allem im Sommer dank des großartigen Gastgartens. Biologisches Essen nach Osteria-Rezepten von „früher.“ Probieren Sie danach den selbst gebrannten Enzianschnaps. Via Fanfulla da Lodi, 68, necci1924.com

12. Hotel Locarno. Prächtiges Jugendstilhotel in der Nähe der Piazza del Popolo, noch heute in Privatbesitz. Federico Fellini, der um die Ecke wohnte, hat hier verkehrt. Wohnen kann man natürlich auch, aber seit ein paar Jahren total angesagt ist der „Aperitivo“, die Happy Hour im überdachten Innenhof. Hier trifft sich Reich & Schön und prominent & wichtig bei köstlichem Fingerfood, das von wunderhübschen Hostessen vorbeigetragen wird. Dennoch und trotzdem sehr angenehm. Via della Penna, 22, Roma; hotellocarno.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2014)

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