Südafrika: Jung-Mandela ist immer und überall

SOUTH AFRICA MANDELA BIRTHDAY
SOUTH AFRICA MANDELA BIRTHDAY(c) EPA (KIM LUDBROOK)
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Als zumeist jugendliche Ikone begleitet der „Gigant des Humanismus“, Nelson Mandela, den Südafrika-Besucher überall im Land und erinnert an den 50. Jahrestag seiner Einkerkerung und den 20. seiner Wahl Präsidenten.

Schade, dass ich es nicht getan habe. Aber ich habe das Geld gebraucht. Beinahe hätte ich den Kerl rausgeschmissen aus meinem Wagen“, empört sich Isaac, der schwarze Taxifahrer, auf dem Weg vom Johannesburger Flughafen in die City über einen Deutschen, der auf dem Beifahrersitz ständig von schwarzen Südafrikanern als „Kaffern“ gesprochen habe.

„Eines der schlimmsten Schimpfworte der Weißen aus der Apartheid-Zeit“, ruft Isaac. „Das Wort ist heute bei Strafe verboten – auch ein Verdienst von Nelson Mandela!“ Da ist er zum ersten Mal, der Freiheitskämpfer, Friedensnobelpreisträger und Vater der Nation. Keine halbe Stunde nach unserer Ankunft im Kap-Staat sitzt er quasi mit im Auto, denn Isaac zeichnet nun sein persönliches Heldenbild von Mandela – mit vielen Worten und beidhändig gestikulierend, das Auto per Knie-Lenkung durch den stockenden Verkehr bugsierend.
Ein smarter, junger Anwalt sei er gewesen, mit durchdringendem Blick – damals in den Fünfzigerjahren –, ein Womanizer und Frauenschwarm und dazu begeisterter Tänzer. Vor allem aber der zunehmend entschlossene Kämpfer gegen die Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit der Rassentrennung und für die schwarze Mehrheit in Südafrika, die damals von den weißen Machthabern aus den Städten in suburbane Ghettos, euphemisierend Townships genannt, verbannt wurde, miese oder gar keine Schulbildung bekam und andere Busse, Eingänge, Lokale oder Parkbänke als die Weißen nutzen musste.

Sechs Meter hoher Boxer

Genau so wie von Taxifahrer Isaac beschrieben prangt ein Foto Mandelas mitten in Johannesburg am „Chancellor House“. Hier hatte er seine Anwaltskanzlei im ersten Stock des bis vor wenigen Jahren verfallenen Eckgebäudes. Besucher schlendern heute die renovierte Schaufensterfront entlang und gehen dabei den in Texten und Bildern skizzierten Lebensweg vor allem des jungen Mandela mit.


Dreht man sich anschließend um, dann steht Südafrikas Nationalheld erneut vor einem – diesmal fast sechs Meter groß, als Schattenboxer – die Fäuste als Deckung vorgestreckt zum gegenüberliegenden Gerichtsgebäude. „Die Pose ist ein Symbol für Mandelas Auftritte in diesem Gebäude, sowohl als Anwalt wie später auch als Angeklagter“, erklärt Marco Cianfanelli, der Schöpfer dieser aus schwarzen und grauen Metallplatten geschaffenen Skulptur mit 3-D-Effekt.

Die Vorlage ist ein berühmtes Foto: der junge Nelson Mandela als Boxer auf dem Dach eines Johannesburger Zeitungshauses. Er begeisterte sich für Faustkämpfe – warum, das steht auf dem Betonsockel der Skulptur: „Im Boxring spielen Status, Alter, Hautfarbe und Reichtum keine Rolle.“

Der Schattenboxer ist bereits Cianfanellis zweites Mandela-Monumentalwerk. Nummer eins erscheint Südafrika-Reisenden weithin sichtbar an der Landstraße R103 etwa 90 Kilometer südlich von Durban. 50 Metall-Stelen, bis zu neun Meter hoch, ergeben die Illusion des Mandela-Kopfes, exakt dort, wo der junge Freiheitskämpfer 1962 verhaftet wurde, um 1964 mit dem Richterspruch „lebenslänglich“ auf die Gefängnisinsel Robben Island vor Kapstadt verbannt zu werden – ein Ereignis, das sich heuer zum 50. Mal jährt.

Nein, die Südafrikaner erschaffen keinen Jurassic Park des Personenkults, kein „Big Father is watching you everywhere.“ Aber bei einer Reise durch das Land ist Mandela stets in der Nähe. Sein Konterfei ist ubiquitär – auf Geldscheinen, Mauern und Straßenpollern, als eine Art guter Geist taucht er immer wieder auf.

Raffgierige Nachfolger


So wie bei der Tour mit Lungi durch den einst schlagzeilenträchtigen Ex-Township-Zusammenschluss Soweto: Sein Vater sei Jazzmusiker gewesen und habe oft für Mandela gespielt, erzählt der Tourguide mit leuchtenden Augen, die so gar nicht passen wollen zu dem in diesem Teil Sowetos zwischen Wellblechhütten herumliegenden, stinkenden Hausmüll. „Corruption“ zischt Lungi und beteuert, Mandela hätte so etwas nicht zugelassen – aber seine Nachfolger seien unfähig und raffgierig, sodass hier das vom Staat bereitgestellte Geld für Müllbeseitigung in dunklen Kanälen verschwände.

Und nicht nur das: Ein paar Meter weiter neben gartenlaubenartigen Soweto-Einheitshäuschen mit Asbest-Dächern stehen moderne, dreistöckige Mehrfamilienhäuser. Nelson Mandela habe sie bauen lassen und den Bewohnern Sowetos versprochen, sie könnten dort mietfrei wohnen, sagt Lungi.

Nun aber wolle die Regierung doch Miete, die keiner zahlen könne bei 25 Prozent Arbeitslosigkeit, weswegen alles leer stehe. Unklar, ob man solche Geschichten glauben kann. Klar aber, warum Lungi und andere so oft vom jungen Kämpfer Mandela erzählen, viele Bilder ihn so zeigen: Es ist die Sehnsucht der Südafrikaner nach einem unverbrauchten und geradlinigen, glaubhaften und charismatischen Politiker.

Kein Zufall also, dass Nelson Mandela auf dem größten, deckenhohen Foto in seinem ehemaligen Haus in Soweto genau so zu sehen ist: ein offen-optimistisch dreinschauender Bartträger, an dem sein Hund hochspringt. Dieses Bild behält im Kopf, wer durch die zum Mandela-Museum umgebauten Räume schlendert, vorbei an zahllosen Ehrendoktor-Urkunden, Winnie Mandelas Bett und einer Ruhe-in-Frieden-Gedenk-Ecke.

Nach einem langen Mandela-Tag schnell noch etwas einkaufen kurz vor Ladenschluss – in Sandton. Hierhin, 20 Kilometer nördlich von Johannesburg, zog nahezu die gesamte Geschäftswelt inklusive Börse, als die Acht-Millionen-Metropole in den Neunzigerjahren zu einem Moloch von Verbrechen und Verwahrlosung verkam.
Bis heute wohnt man als Tourist besser und sicherer in Sandton, hat – anders als in den maroden Geschäftsstraßen der sich mühsam wieder herausputzenden City – eine moderne, saubere Shoppingmall um die Ecke. Wir fahnden nach einer Flasche Cola und Knabberzeug und finden als Erstes wieder ihn: Nelson Mandela, diesmal sechs Meter hoch in Bronze und offenbar gut gelaunt. Mit geradezu bubenhaftem Gesicht steht er im Innenhof des Shoppingcenters, Arme angewinkelt, als wolle er gleich lostanzen, seinen typischen Madiba Jive. Die Fäuste geballt, nicht zum Kampf, sondern zum Spaß.

Cola und Cracker kommen abends auf den Hoteltisch, als Spielbegleiter der südafrikanischen Fußballnationalmannschaft im Fernsehen. Die derzeit eher hölzern spielenden Kicker haben neben ihrer üblichen Rückennummer noch eine fünfstellige vorne auf dem Trikot: 46664. Es ist Mandelas Häftlingsnummer. Für Häftling 466, der im Jahre 1964 auf die Gefängnisinsel Robben Island deportiert wurde. Da ist er letztmalig für heute, der junge Mann – offenbar zum Mitreisen gebucht, von jedem, der Südafrika besucht.

TOUREN AUF MANDELAS SPUREN

Erleben: Der Schweizer Veranstalter Private Safaris (privatesafaris.ch) bietet im September und November eine 17-tägige Rundreise durch Südafrika an, die den Spuren Mandelas folgt: von der Gefängnisinsel Robben Island über Petermaritzburg, wo er verhaftet wurde, bis in Mandelas Geburtsort Mvezo. Zudem gibt es Abstecher in Nationalparks und in private Wildlife-Parks. Geführt wird die Tour von dem Schweizer Alex Hofacker, der seit mehr als 30 Jahren Südafrika bereist, für die südafrikanische Botschaft gearbeitet hat und Mandela mehrere Male getroffen hat.

Soweto: Wer Anhaltspunkten auf das Leben Nelson Mandelas nicht nur zufällig begegnen will, sollte eine Tour durch das ehemalige Township Soweto buchen. Besonders gute bietet Soweto Bicycle Tours – hier kann man die auch heute fast ausschließlich von Schwarzen bewohnte Vorstadt per Radtour oder im dreirädrigen, benzingetriebenen Tuk-Tuk-Mobil erkunden, unter Führung von Guides, die zum Teil aus Soweto stammen. Preise umgerechnet zwischen ca. 22,50 und 35 Euro.

Andere Anbieter: Jimmy's Face to Face Tour (face2face.co.za) oder Imbizo (imbizotours.co.za).

Heimischer Südafrika-Veranstalter: Your Africa: yourafrica.co.za/yourafrica/index.cfm/tours/johannesburg/201 3-day-tours-johannesburg/ 0800/1189118

Wohnen: Verlässlichen Standard, aber eben auch Standardatmosphäre, im ganzen Land bieten Hotelketten wie Protea (proteahotels.com), Southern Sun (southernsun.com) oder City Lodge (citylodge.co.za). Wer vor allem in ländlichen Regionen unterwegs ist und Übernachtungsmöglichkeiten am Wegesrand sucht, sollte auf Schilder mit der Aufschrift „Bed en Ontbyt“ (Afrikaans für Bed and Breakfast) achten.

Essen: Verglichen mit Europa ist Essengehen in Südafrika sehr preiswert. Für gutes Essen in einem guten Restaurant zahlt man inklusive Getränken oft umgerechnet 50 Euro. Südafrikanische Spezialitäten: Braais, die Barbecue-Variante vom Kap, die noch mehr einer heiligen Handlung gleichkommt als bei den brutzelverrückten Australiern. Für Option zwei braucht es Überwindung: „Pap“, eine weiße Maismasse, die mit dem Finger zu Bällen gerollt und dann zusammen mit billigen Fleischstückchen vom Rind eingenommen wird.

Infos: South African Tourism; http://country.southafrica.net/sat/content/de/de Die Kosten beider Autoren trug South African Tourism.

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