Elba: Exil für Herrscher, Zuflucht für Promis

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Im wilden Nordwesten der drittgrößten Insel Italiens verbrachte der exilierte Kaiser Napoleon I. vor 200 Jahren zwei heiße Liebesnächte, und Königin Beatrix von den Niederlanden vergaß ihre Kamera. Wanderfreunde kommen im Nationalpark auf ihre Kosten, Badefreunde in versteckten Buchten.

Napoleon liebte die große Geste. Das war nicht anders, als er nach der verlorenen Völkerschlacht von Leipzig mit einer kleinen Flotte am 4.Mai 1814 in den Hafen von Portoferraio auf Elba einlief, den letzten Flecken Erde, der ihm von den Siegermächten Russland, Preußen und Österreich noch zugestanden wurde. Bereits am Vortag hatte er vor der Küste Anker werfen lassen, was dazu führte, dass an Land die Gerüchte ins Kraut schossen. Der Grund für die verzögerte Landnahme war jedoch ein banaler: Die neue napoleonische Fahne mit den drei Bienen war noch nicht fertig genäht, und ohne sie wollte der Imperator seinen Fuß nicht an Land setzen. Umso pompöser der Empfang am folgenden Tag: Geschützt unter einem Baldachin, flankiert von einem Meer aus Flaggen und begleitet von Salutschüssen nahm er sein Exil in Besitz.

Familiär, intim, diskret

Solche Geschichten erzählt niemand spannender als Professor Giuseppe M. Battaglini, Präsident des Centro di Studi Napeoleonici, der sich anlässlich der Feierlichkeiten zum 200.Jahrestag der Ankunft Napoleons auf der drittgrößten Insel des Mittelmeers besonders ins Zeug legt. Will man hingegen mehr von Charakter und Leuten erfahren, sollte man sich lieber an Zufallsbegegnungen oder einen Taxifahrer halten, was sich aber als ein ziemliches Lotteriespiel erweisen kann, da es auf der ganzen Insel nur 15 davon gibt. Fabrizio ist einer von ihnen, und von ihm erfährt man, dass Elbas Bewohner den Vergleich mit Korsika, Sardinien oder gar dem kaum eine Stunde Fährfahrt entfernten toskanischen Festland wenig schätzen. „Auf Elba ist alles viel familiärer, intimer und weniger hektisch“, stellt er klar und erläutert seine Behauptung anhand eines Beispiels: „Wenn man auf dem Festland mit seinem Auto die Straße blockiert, dann wird sofort gehupt. Wenn das Gleiche hier passiert, nimmt jeder an, dass man Probleme hat und bietet Hilfe an.“

Das gilt insbesondere für die Region von Capo Sant' Andrea im Nordwesten der Insel, die touristisch noch wenig überlaufen ist und ihren Reiz aus dem Kontrast von türkisfarbenem Meer und zerklüfteten Bergen, Felsküsten und versteckten, kleinen Sandstränden zieht. Besonders spektakulär präsentiert sich das Panorama in Poggio, einem kleinen Bergdorf auf 600Metern Höhe, das sich gleich einem Adlernest in den Steilhang krallt. Wie aus einer Loge fällt der Blick hinunter auf das Hafenstädtchen Marciana Marina mit dem Zentrum aus pastellfarbenen Häusern, dahinter bis zum Horizont das türkisblaue Meer.

Doppelt genießen lässt die Szenerie durch die Glasfront des Restaurants Publius, das mit Köstlichkeiten wie Gnocchi aus Kastanienteig oder Kakaoravioli aufwartet. Panorama und Kulinarik sind zwei Gründe, warum Prominente wie die Modemacherfamilie Trussardi, Rod Steward oder der ehemalige italienische Ministerpräsident Bettino Craxi hier Station gemacht haben. Der andere ist die auch im Rest der Insel gepflegte Diskretion. Die niederländische Königin Beatrix etwa habe im Publius einmal inkognito diniert, verrät der Inhaber, und erst später bemerkt, dass sie die Kamera liegen gelassen hat. „Natürlich haben wir sie – über Mittelsmänner – diskret an ihre legitime Besitzerin retourniert“, erklärt er mit verschworener Miene.

Liebesnächte im Zelt

In diese Gegend flüchtete auch Napoleon, wenn ihm die Geschäfte in der Hauptstadt lästig wurden. Eine halbe Gehstunde oberhalb des Nachbarortes Marciana, versteckt in den Bergen, befindet sich die Wallfahrtskapelle Madonna del Monte, einer seiner Lieblingsplätze. Dort ließ er sich ein Zelt aufstellen, in dem er Anfang September 1814 zwei Tage und Nächte voller Leidenschaft mit seiner polnischen Geliebten, Maria Walewska, verbrachte, die ihn im Insel-Exil besuchte. Leibhaftig gegenüber stehen wir dem Imperator und der Comtesse dann noch einmal in Pozzo in der Casetta Drouot, dem Haus von Napoleons Gouverneur, Antoine Drouot, das ein italienischer Mäzen gekauft, restauriert und mit Originalmöbeln des ausgehenden 18.Jahrhunderts ausgestattet hat. Das Feldbett etwa soll mehrere napoleonische Schlachten miterlebt haben, zudem wurden die übermalten originalen Fresken wieder freigelegt. Der inszenierte Empfang durch seine kaiserliche Hoheit ist Teil des Jubiläumsveranstaltungsreigens (siehe Infobox) und wird stilgerecht – inklusive Feingebäck und Rosolio-Likör – durch die Schauspieltruppe der Tappezzieri durchgeführt.

Weniger Kulturbeflissene werden hingegen die zahlreichen revitalisierten und gut ausgezeichneten Wanderwege der Umgebung schätzen, deren einer – hoch oben entlang der Küste durch zuweilen alpin anmutendes Gelände – über Zanca nach Sant' Andrea führt. In dem etwas versteckt liegenden, sich in eine idyllische Bucht schmiegenden ehemaligen Fischerdorf betreibt Fabrizio Testa mit seiner Lebensgefährtin einen sogenannten „albergo diffuso“, eine kleine, aus mehreren Gebäuden bestehende Hotelanlage mit 20Zimmern, die von Mai bis Oktober geöffnet ist. „Wir haben dafür nach und nach einige der verlassenen Gebäude aufgekauft und in moderne Appartements umgewandelt“, erzählt der rührige Unternehmer. Das Resultat sind diverse in die Natur eingebettete Wohneinheiten mit je eigenem Charakter, die in ihrer Schnörkellosigkeit und ihrem Unprätentiös-Sein den generellen Charakter der Insel widerspiegeln. Das hätte möglicherweise auch Napoleon, der sonst eher die große Geste schätzte, gefallen...

SCHLAFEN, ESSEN, TRINKEN UND KULTUR

Allgemein: Der Nordwesten Elbas ist im Gegensatz zum Süden und Osten der Insel noch relativ unberührt und großteils Naturschutzgebiet . Mit seiner Fauna und Flora ist er ein Paradies für Naturliebhaber und Wanderer, dank kurvenreicher Straßen aber auch ideal für Mountainbiker. Da Taxis und öffentlicher Verkehr eher dünn gesät sind, empfiehlt es sich, einen Mietwagen zu nehmen. www.elba.org

Anreise: Flug ab Wien mit Fly Niki oder Austrian Airlines nach Florenz, weiter mit Bus, Bahn oder Taxi nach Piombino. Von dort Überfahrt nach Portoferraio mit Moby- oder Toremar-Fähre.
Direktflüge in Kleinflugzeugen nach Elba/Marina di Campo gibt es unter anderem über München oder Zürich. www.flyniki.com, www.flyintersky.com, www.mobylines.de, www.toremar.it.

Übernachten: Boutique-Hotel Ilio, Sant' Andrea: Das familiengeführte Dreisternehotel verfügt über 20 Zimmer, verteilt sich auf mehrere restaurierte Wohngebäude in einer schönen Bucht und liegt fünf Gehminuten vom Strand entfernt. Die Einrichtung orientiert sich am toskanischen Landstil.
Isola Verde, Marciana Marina: Hotelappartements in luxuriöser Ausstattung, Swimmingpool und Animation. www.hotelilio.com, www.hotelisolaverde.it
Essen und trinken: Ristorante Publius, Poggio: kreative toskanische Küche der Oberklasse. Vom Restaurant hat man einen fantastischen Blick auf das 600 Meter tiefer gelegene Marciana Marina und das Meer.
Enoteca della Fortezza, Portoferraio: Slow-Food-Spezialitäten und lokale Spitzenweine in den alten Gemäuern der historischen Festung von Portoferraio. www.ristorantepublius.it, www.enotecadellafortezza.com

Veranstaltungstipps: 300 Tage, vom 4. Mai 1814 bis 26. Februar 1815, währte das Exil Napoleons auf Elba. Anlässlich des 200-jährigen Jubiläums finden über das gesamte Jahr verteilt zahlreiche Veranstaltungen statt: Zu den Höhepunkten zählt eine Segelregatta am 14. August, die Feuerspiele von Portoferraio am 15. August sowie die Inszenierung von Napoleons Begegnung mit der Comtesse Maria Waleska bei der Wallfahrtskirche Madonna del Monte in Marciana am 1. September. Der Abschied Napoleons von der Insel wird am 26. Februar 2015 in Portoferraio nachgestellt. www.napoleoneimperatoreelba2014.it

Die Reise erfolgte mit freundlicher Unterstützung von InterSky und Fly Niki.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2014)

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