Der Bolide wartet vor der Bar

Palazzo di Varignana
Palazzo di Varignana(c) http://www.palazzodivarignana.it
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Emilia-Romagna. In Bologna sich als Formel-1-Pilot erproben und einen Boxenstopp im Palazzo di Varignana einlegen.

In Sant'Agata Bolognese strahlen die Besucher wie die Besuchten um die Wette. Erstere verleihen ihrer Begeisterung allerdings auch lautstark Ausdruck, während durch die zwölf Zylinder der aufpolierten Boliden – die Zweiteren – nicht das leiseste Raunen geht. „Non si tocca“, nicht berühren, nur bewundern, lautet die Vorgabe von Lamborghini für all jene, die die Produktionshallen besichtigen möchten.

Von Hand gefertigt

Die Atmosphäre dort drin ist andächtig, fast wie in der Kirche. Nur Barfußpilger mit einer ausgeprägten Motorenallergie würden der Faszination dieser zu Heiligtümern mutierten Automobile widerstehen können. Höchstens ein Dutzend dieser sportiven Nobelkarossen, die mit wenigstens 500 Pferdestärken ausgestattet sind, werden hier im „Haus des Stiers“ täglich von Hand gefertigt.

Dass der italienische Ingenieur, Auto- und Hubschrauberkonstrukteur Ferrucci Lamborghini seine rasante Karriere einst mit der Entwicklung von Traktoren begann, sieht man den straßentauglichen Rennwägen jedenfalls nicht an. Und zum Fahren sind die Ausstellungsobjekte im und um das Museum leider nicht gedacht. Wer davon geträumt hat, einmal rasch eine Runde mit einem Aventador oder Gallardo zu drehen, der muss weiter träumen – oder sich einfach auf den Fußmarsch in die Bull Bar zwei Straßen entfernt begeben. Dort weht ein ähnlich kurvenschnittiger, aber um vieles profanerer Wind. Diese kleine Bar, die mitten im grauen Gewerbegebiet von Bologna liegt, unterscheidet sich nicht durch ihren Kaffee oder die Tramezzini von der Konkurrenz, sondern durch den Gastgarten. Wo anderswo Blumenkisten oder Aschenbecher abgestellt sind, parken hier zwei Lamborghini, ein Ferrari und ein Maserati. Und neben Croissant und Cappuccino serviert einem Andrea auch gern die passenden Autoschlüssel dazu. Ganz ohne Berührungsängste kann man sich hier dem Luxusauto nähern. Selbst anfängliches Begrabschen ist erlaubt. Und wer will, darf sich – meist in Begleitung – auch gern ans Steuer setzen. Unter fachkundiger Anleitung wird einem der Weg Richtung Formel-1-Gefährt geebnet. „Piano“, langsam, wiederholt Matteo bei nahezu jeder Kurve. Ein Aventador LP 700-4 mit 700 PS ist halt kein lahmer Gaul.

Kultstätten des Motorsports

Berühmt ist die Emilia-Romagna vor allem für Kulinarisches, man schätzt die Mortadella, die Tortellini und den Aceto Balsamico. Das Interesse gilt da meist der Stadt Bologna, der „Fetten“ – man kommt etwa, um in der Libreria Ambasciatori in der Nähe der Piazza Maggiore vorbeizuschauen. Diese Buchhandlung ist eine Niederlassung von Eataly, war früher übrigens eine Kirche, danach ein Pornokino und ist heute ein Mekka für Genießer. Auch für das Kulturelle steht Bologna, die alte Universitätsstadt mit ihren Kilometern an Arkaden. Tiefrot sind aber nicht nur die alten Dachziegel, sondern auch die nicht ganz so alte politische Gesinnung.

Dass ihr Umfeld zudem als ein Hoheitsgebiet für den Motorsport gilt, ist allerdings weniger bekannt. Neben Lamborghini sind hier nämlich auch Marken wie Ferrari (in Maranello), Maserati (in Modena) und Ducati (in Bologna) daheim. Besonders ein Besuch in der Geburtsstätte der zweirädrigen Rennmaschinen in Borgo Panigale erweist sich nicht nur für überzeugte Ducatisti als überraschend belebend und wenig museal. Was vermutlich an Livio Lodi liegt, der verantwortlich für diese beachtliche Sammlung ist, die unter anderem 40 siegreiche Zweiradlegenden aus den Jahren 1947 bis 2007 inkludiert. Livio stellt eine Art wandelndes Archiv der Firmengeschichte dar. Mit ein wenig Glück oder viel Beharrlichkeit führt einen der redselige Glatzkopf persönlich durch die ausgedehnte Anlage. Zum derzeitigen Star der Fertigung ist jedenfalls die 1199 avanciert, von der nur 500 Stück montiert werden. Mit 200 PS, leicht wie ein Superbike und zum Schnäppchenpreis von mehr als 60.000 Euro. Aber die flotte Maschine hat halt einen Namen, der selbst in der Zweiradszene seinesgleichen sucht. So manche Formel-1-Piloten sollen ein derartiges Prestigeobjekt besitzen.

Boxenstopp im Varignana

Und wo parkt man die italienischen Luxusfahrzeuge in adäquatem Rahmen? Zum Beispiel auf einem historischen Anwesen in hügeligem Idyll, an einem Ort wie dem Palazzo di Varignana, der knappe 20 Kilometer von Bologna entfernt liegt. Optisch wie akustisch ist diese vor einem Jahr eröffnete Hotelanlage fern vom touristischen Mainstream angesiedelt. Der 1705 von der Adelsfamilie der Bentivoglio erbaute Palast wurde im Sinne des Denkmalschutzes fachkundig restauriert, mit noblen Suiten ausgestattet und einem 1800 Quadratmeter großen Varsana-Spa-Bereich versehen. Wer es bei aller Eleganz rustikal haben möchte, kann in einem Zimmer im ehemaligen Heuspeicher (Il Fienile), schlafen.

Obwohl in Italien überall alte Palastarchitektur zu Hotelzwecken umgebaut wird, besitzt eine derartige Anlage für die umliegende Region nach wie vor Seltenheitswert. Allein der Park umfasst mehr als 30 Hektar. Die Eigentümer, das Unternehmen Crif aus Bologna, haben mehrere Millionen Euro für die Adaptierung dieses Ensembles hingeblättert. Das Ergebnis kann sich sehen, mitunter auch hören lassen, denn hier werden immer wieder Konzerte und Events auf die Beine gestellt. Vor allem beeindruckt die Aussicht – der Blick streift über die sanften grünen Hänge am Fuße des Appenins.

UNTERWEGS MIT 700 PS

Bull Bar Test Drive, www.bullbar.biz
Lamborghini, Via Modena, 12,
T +39 051 681 7611
Ferrari, Viale Alfredo Dino Ferrari 43, Maranello, T +39 0536 949713
Maserati-Fabrik, Viale Ciro Menotti, 322, Modena, T +39 348 361 4650
Maserati-Sammlung, Museo Panini,Via Corletto, 320, Cittanova (Modena)
Museo Ducati, Via Cavalieri Ducati, 3 – Borgo Panigale, Bologna
Info:www.emiliaromagnaturismo.it

Hotel: Palazzo di Varignana Resort & Spa, www.palazzodivarignana.it

Die Reise wurde von Palazzo Varignana Resort & Spa unterstützt

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2014)

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