Die Kunst des Klapperns

THEMENBILD:  STEIERMARK-WAHL / LAeNDERPORTRAeT / KLAPOTETZ
THEMENBILD: STEIERMARK-WAHL / LAeNDERPORTRAeT / KLAPOTETZAPA/HANS KLAUS TECHT
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360 Grad Österreich: Kaum etwas ist typischer für die Südsteiermark als Klapotetze. Nur wenige können die lauten Windräder noch bauen, die gegen Vögel eigentlich kaum helfen.

Es sagt viel über die Landschaft der Südsteiermark aus, dass sie auch bei schlechtem Wetter schön ist. Vielleicht sogar noch schöner als bei Sonnenschein, weil die Luft nach einem Sommerregen viel reiner ist, die Wiesen sind grüner und die Weinberge scheinen zum Greifen nahe. Man versteht wieder den Herrn vom Tourismusverband in Gamlitz, der meinte: „Was brauchst a Toskana, wenn ma das hier haben.“

Mehr noch haben, weil es solche Weißweine in der Toskana eben nicht gibt. Den Tement, die Brüder Polz mit ihrem Sauvignon Blanc Hochgrassnitzberg, Gross mit dem Chardonnay, den sie hier Morillon nennen, oder auch den Sauvignon Blanc Welles Reserve 2008 vom Weingut Lackner-Tinnacher (wenn man das Glück hatte, einen zu ergattern). Außerdem haben die Italiener den netten Brauch nicht, dem man hier in der Südsteiermark jedes Jahr nachgeht: Immer zu Jakobi (25. Juli) stellen die Winzer Klapotetze auf – viele hundert Jahre alte, laut klappernde Windräder, um die Vögel aus den Weingärten zu verscheuchen. Es ist deshalb eine schöne Tradition, weil die Klapotetze gegen die Vögel genau gar nichts helfen.


Brauchtum erhalten. „A bissl helfen s' vielleicht schon. Aber in erster Linie geht es darum, ein Brauchtum zu erhalten“, erklärt Erich Silberschneider. Ein Klapotetz (der, die, das – alles ist erlaubt, „wie man sagen will“) ist ein aus Holz gemachtes Windrad. Ursprünglich kam er aus Slowenien, der Name leitet sich vom Wort „klopotec“ (klappern) ab. Die Steirer haben das Wort eingedeutscht und aus den im Nachbarland üblichen sechs Flügeln acht gemacht.

Die Windräder, die derzeit überall in der Südsteiermark stehen, sehen nicht viel anders aus als jene, die erstmals Ende des 18. Jahrhunderts beschrieben sind. Und sie werden heute auch nicht viel anders gemacht, als damals. Wenn man sie noch macht. Die Kunst, einen Klapotetz aus 33 einzelnen Holzteilen zusammenzubauen, stirbt nämlich langsam aus. Zwei, drei Weinbauern in der Südsteiermark beherrschen das Handwerk vielleicht noch. Einer davon ist Erich Silberschneider aus Eichberg-Trauenburg. Seit 42 Jahren baut er große und kleine Klapotetze.

„Es is mehr a Hobby“, erklärt Silberschneider. Von Beruf ist er Weinbauer, wobei der Sohn mittlerweile die meiste Arbeit macht. „Mein Onkel hat mir beigebracht, wie man Klapotetze baut, und es hat mich fasziniert“, erzählt der 59-Jährige. Wenn er heute in seiner Werkstatt zum Holz greift, dann hängt nirgends ein Konstruktionsplan oder eine Anleitung mit Maßangaben. Dass am Ende die Proportionen passen, sich der Klapotetz dreht und tatsächlich klopft – „des is alles im Kopf“, sagt Silberschneider. Und das Ergebnis von vielen Jahren Erfahrung, die er dem Sohn weitergibt, damit das einzigartige Handwerk in der Familie erhalten bleibt.

Sechs verschiedene Holzarten braucht der Südsteirer, um einen richtigen Klapotetz zu bauen. Drei würden's wahrscheinlich auch tun, vielleicht sogar nur Fichte, aber das ist dann eben kein richtiger Klapotetz.

Das Holz hat Silberschneider aus dem eigenen Wald. „Wir haben a Glück mit dem Mischwald bei uns in der Gegend“, sagt er. Wie wahr. Alles wächst hier, was man zum Bau benötigt: Akazie, Esche, Fichte, Birke, Apfel, Vogelkirsche.

Angefangen wird mit dem Gestell, aus Esche natürlich, zäh und widerstandsfähig. Die Kurbelwelle ist aus der glatten Akazie, die gibt eine gute und langlebige „Grundl“. Für die Halterung des Schlagbretts wird Apfel- oder auch Birnenholz verwendet, für die Flügel leichte Fichte. Der Schwanz des Klapotetz ist aus Birkenholz gemacht, wenn man die steirische Vogelscheuche in den Weingärten aufstellt, hängen viele Bauern zusätzlich einen Birkenbesen an das Ende, damit sich das Rad besser in den Wind dreht – aber auch für die Optik.

Das Wichtigste ist das Schlagwerk: die Klöppel – immer acht Stück, egal wie groß das Windrad ist – und das Schlagbrett. Die Klöppel sind aus Esche gefertigt, das Brett aus Vogelkirsche. Das erzeugt den ganz speziellen, typischen Klang der Klapotetze, den man im Herbst überall in der Südsteiermark hört und den die Vögel angeblich überhaupt nicht mögen.


Nur ein Netz hilft. Es ist ein aufwendiges Handwerk, egal, ob Silberschneider einen kleinen Klapotetz für den Gemüsegarten baut oder einen großen mit vier, fünf Meter langen Flügeln. Er braucht nur länger. „Zwei Tage arbeite ich an einem großen schon.“ Die kosten dann auch ein paar hundert Euro. Die kleinen gibt es ab 25 Euro. „A paar hab' ich immer herumliegen, aber sonst mach ich sie nur auf Bestellung.“

Aufgestellt wird der Klapotetz deshalb zu Jakobi, weil dann bald die ersten Trauben – Weißburgunder – zur süßen Verlockung für die Vögel werden. Zu Martini, am 11. November, wird er wieder abgebaut.

Früher hat man Klapotetze sehr gezielt aufgestellt. Vögel sind nämlich Weinkenner. Sie gehen am liebsten auf die feinen Trauben Sauvignon Blanc und Muskateller. Bei diesen Stöcken standen die lauten Vogelscheuchen. Heute sind die Flächen gewachsen, eigentlich bräuchte man überall Klapotetze. Aber die Vögel gewöhnen sich an fast alles, deshalb sind Klapotetze heute in erster Linie Brauchtum. Und was hilft wirklich gegen Vögel? „Eigentlich“, sagt Silberschneider, „nur Netze.“

Steckbrief

Erich Silberschneider ist einer der letzten Steirer, die noch einen Klapotetz bauen können. Der 59-Jährige hat das Handwerk von seinem Onkel gelernt. Die Klapotetze kommen ursprünglich aus Slowenien, dort haben sie allerdings nur sechs Flügel. Die steirische Version hat acht.

Privat

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2014)

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