Schwarztee am Schwarzen Meer

Trabzon
Trabzon(c) Wikipedia
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Die meisten Türken haben die Schwarzmeerküste und die Schönheit ihres ruralen Hinterlandes noch nicht entdeckt. Fein, so bleiben die Wandertouristen allein.

Die Wolken hängen tief bis hinunter zu den Schultern, Tau legt sich auf das Gesicht. Kaum etwas ist sichtbar, die Welt hat sich in ein bleiches, wolkiges Weiß verwandelt. Umso mehr ist der Gast ganz Ohr. Motorengeräusche, lautes Geschwätz, emsiges Treiben, alte, türkische Lieder. Im Teehaus beeilt sich der junge Mann, das noch heiße Gebräu in den dünnen Gläsern zu servieren, und während wir den Dunst des Tees wegpusten, warten wir darauf, die Augen einsetzen zu können.
Das Lokal Hafsa Sultan Konaği befindet sich auf einer hoch gelegenen Terrasse. Der Duft des Schwarztees liegt herb in der Nase, und als sich der Nebel langsam verzieht, steht plötzlich ein mächtiger Orangenbaum in der Mitte des offenen Restaurants. Der Wirt Atilla Alp Bölükbaşi – der gleichzeitig auch ein engagierter Fotograf seiner Heimatregion ist – zeigt nicht ohne Stolz auf das Gewächs. Hinter ihm, auf einem kleinen Beistelltisch, steht ein altertümlicher Plattenspieler, und die Volkssängerin Ajda Pekkan singt über die Unmöglichkeit der Liebe. Es ist Morgen in Trabzon.
Der Himmel wirkt zum Greifen nah in der nördlichen Türkei, hier an der Schwarzmeerküste, die sich ihrer Tee- und Haselnussplantagen rühmt. Die Unberührtheit dieser Gegend ist bekannt im ganzen Land – dennoch verirren sich wenige türkische Touristen in diese Region fernab aller Krisenherde, mit dem sommerlichen Planschvergnügen an der Ägäis- und der Mittelmeerküste kann sie nicht mithalten. Und auch der herbstliche Wanderdrang der Binnentouristen hält sich in Grenzen. Eher trifft man Europäer mit Wanderstöcken im Pontischen Gebirge. Trabzon und Umgebung sind noch ein Geheimtipp, und auf der Terrasse von Bölükbaşi hofft man, dass es lange so bleibt, will man doch den neu gewonnenen Anblick auf die leuchtenden Berge und Teile der Stadt mit niemandem teilen.

Haus des Sultans

In Trabzon, dem historischen Trapezunt, wechseln sich Hügel, Bäume und Häuser im Stadtbild ab. Den Hafen hat der römische Kaiser Hadrian im zweiten Jahrhundert anlegen lassen, man ist stolz auf die frühere Bedeutung Trabzons als wichtiger Handelsknoten. Von der fast zehn Kilometer langen Stadtmauer, die in der byzantinischen Epoche gebaut wurde, ist nicht viel übrig. Teilweise wurden neue Häuser mit den alten Gemäuern gebaut. Besonders stolz ist Bölükbaşi, der umtriebige Gastgeber mit dem hellen Bart und der rahmenlosen Brille, darauf, dass in der steilen Gasse, in der sich sein Lokal befindet, Sultan Süleyman I. – Beiname: Der Prächtige – auf die Welt gekommen sein soll.
Mit den Osmanen ist das byzantinische Erbe aus dem Blickfeld geraten, nach Gründung der Republik hat sich das geändert. Das will uns der Fahrer Savaş zeigen, der uns im Teegarten aufgabelt und zur Kathedrale fährt, die mit ihrer großen Schwester in Istanbul den Namen und das Schicksal teilt: Hagia Sophia. Umgeben von einem großzügigen Garten samt kleinem Friedhof, liegt die Kirche in der Nähe der Schwarzmeerküste. Am hinteren Eingang ziehen sich mehrere Männer die Schuhe aus, ehe sie einen Raum des sakralen Gebäudes betreten, der mit Teppich ausgelegt ist. Vor zwei Jahren wurde die Hagia Sophia, die während der osmanischen Herrschaft zu einer Moschee und anschließend zu einem Museum umgewandelt wurde, erneut eine Moschee. Ein schwerer Vorhang trennt den Gebetsraum vom Rest der Räume, die nach wie vor als Museum fungieren und wo noch gut erhaltene Darstellungen etwa aus dem 13. und 14. Jahrhundert zu sehen sind (Hochzeit zu Kanaa, Erzengel, mehrere Jesus-Bildnisse). Der Imam predigt, daneben wacht Jesus.

Würziger Wind auf der Ebene

An der Schwarzmeerküste erleben türkische Studenten und Städter ihr eigenes Roadmovie, wenn sie sich mit dem Auto auf den Weg machen, um den Frauen mit den großen Körben auf ihren Rücken zuzuschauen, die in den Plantagen Teeblätter zupfen. Die Straßen zwischen den Städten Trabzon und Rize sind gut asphaltiert, etliche Hotels sind in den vergangenen Jahren aus dem Boden geschossen. Wenn nicht gerade Herbst ist, dann ist die Landschaft von einem so satten Grün, dass man sich in den Wald setzen und schweigen will.
Von Ruhe ist bei Savaş, dem herzlichen Mann mit stattlichem Schnauzer, nichts zu spüren, er will in die Berge, und zwar sofort. Im Pontischen Gebirge stehen etliche neue Ferienunterkünfte, die alle etwas gemeinsam haben: Sie sind aus Holz, ausgestattet mit dem nötigsten und vor allem gemütlich-rustikal. Familien aus den nahen Städten verbringen hier ihr Wochenende, Wandertouristen übernachten auf ihren Touren. Savas führt uns über die Serpentinen des Zigana-Passes ins Landesinnere. Während eines kurzen Stopps auf einer Hochebene mit einigen wenigen Bauernhäusern lässt er uns draußen den würzigen Wind einatmen. Eine Bäuerin mit rundem Gesicht, die ihre Hühner füttert, eilt herbei und fragt, ob wir schon gegessen und getrunken haben. Das nächste Mal solle man doch vorher Bescheid geben, so gehe das nicht, so könne man keine Gäste empfangen! Savaş gelobt Besserung. Die Stille auf dem Plateau, das jetzt im Herbst alle Brauntöne zeigt, ist fast schon verstörend, selbst die Hühner gackern leise.
Die Unterkunft Zigana Yayla besteht aus mehreren rustikalen Holzbungalows. Die Nacht ist tiefschwarz und der Morgen wieder weiß durchzogen vom Nebel. Im Frühstücksraum riecht es nach Schwarztee, frisch geschnittenen Gurken und samtigem Käse. Während des Frühstücks erzählt Savaş vom nahe gelegenen Kloster Sumela, lang braucht er nicht schwärmen, wir wollen es sehen. In eine nackte Felswand hineingebaut liegt das ehemalige griechisch-orthodoxe Kloster mitten im idyllischen Nirgendwo. Im Lauf der Zeit wurde die Anlage, die im vierten Jahrhundert entstand, weiter ausgebaut, aber immer wieder zerstört. Seit der Republiksgründung leben hier keine Mönche mehr, es ist ein großes Freiluftmuseum. Wände und Decken sind mit vielen gut erhaltenen Fresken geschmückt, doch da und dort fehlen den Figuren die Gesichter, „geldgierige Antiquitätenhändler haben sie aus den Wänden gestemmt“, sagt Savas, „und Jugendliche mussten natürlich ihre Namen in die antiken Malereien ritzen . . .“

SARDELLENLABERLN, HASELNÜSSE, SCHWARZTEE

Flug: Turkish Airlines über Istanbul. turkishairlines.com
Übernachtungen in Ferienhäusern und Bungalows in den Bergen:
Hotel Zigana: rustikales Bungalowdorf in Maçka auf 1700 Metern Höhe. +90/462/542 6262
Haşimoğlu Bungalows: kleine Anlage in der Nähe von Rize, gemütliche Holzbauten, +90/464/ 657 2037
Kayabaşi Yaylakent: Bungalows verstreut auf einer weitläufigen Ebene, gute Wandermöglichkeiten. Nahe Trabzon in Akçaabat. +90/462/321 0058
Essen: Gute Lokale servieren selbst gemachte Hamsi Köfte, Sardellenlaberln, eine Spezialität der Region. Natürlich kommt man um den Schwarztee nicht herum, zumal sich die Plantagen der Nation hier befinden. Snacks: Großartige Haselnüsse, die hier angebaut werden. Die Autorin wurde vom Türkischen Informationsbüro unterstützt. 01/512 21 28-29, turkinfo.at

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