Tapas-Grundkurs

Tapas
TapasStanislav Jenis
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Spanien kulinarisch. Was ist eine Tapa, und woher kommt sie? Ein köstliches Glossar.

Eine „kleine Portion irgendeiner Speise, die als Begleitung zu einem Getränk serviert wird“. So definiert das Wörterbuch der Real Academía Española Spaniens größtes Kleinod. Die eigentliche Wortbedeutung von tapa ist schlicht und ergreifend – Deckel. Der volkstümlichen Legende nach war es ein findiger andalusischer – baskischer, Madrider . . . – je nach Standort – Kellner, der einst das Bier oder Sherry-Glas mit einer belegten Scheibe Brot bedeckte, um die Fliegen abzuhalten. Der royalen Version nach war König Alfons X. der eigentliche Erfinder. Vielleicht, weil er selbst nur kleine Mahlzeiten vertrug. Oder aber, weil er verordnete, dass zu jedem Glas Wein Essen gereicht werden müsse – um dem weitverbreiteten Alkoholismus Einhalt zu gebieten.

Verbreitung und Kultur. Woher die Tapa nun auch tatsächlich kommt – sie ist jedenfalls da, allgegenwärtig: Grundnahrungsmittel und Delikatesse, Wahrzeichen und Tourismusschlager. Ganz besonders elaboriert ist die Tapas-Kultur auch heute noch in Andalusien, neben Sevilla, vor allem Granada, im Baskenland und in Asturien und – noch nicht ganz so berühmt, aber ein Tapa-Paradies dazwischen – in Zaragoza im Aragón.

Die Liebe zur Tapa entspricht der spanischen Mentalität. Die Bars sind die erweiterten Wohnzimmer: ein schnelles Glas, ein kleiner Happen und dazu die wichtigsten Neuigkeiten. Je größer und lauter die spontane Runde, umso besser. Dann auf ins nächste Lokal. Außerdem gehört gemeinsam von einem Teller zu essen in Spanien zum guten Ton. So wie die Paella eigentlich in die Mitte des Tisches gestellt und von allen aus der Pfanne gelöffelt wird, werden auch die Tapas einfach auf den Tisch gestellt, und jeder greift zu, je nach Konsistenz mit Fingern oder Besteck.

Tradition und Innovation. Mit dem Aufstieg der spanischen Gastronomie von sehr simpler bodenständiger Küche zu einer der raffiniertesten der Welt haben sich auch die Tapas verändert. Hier die traditionelle Tortilla, dort Maki de Calamares en su tinta. Oder der tigre, als Klassiker eine schlichte Miesmuschel mit Zutaten zu einer bechamelartigen Masse püriert, in die Muschelschale gefüllt, paniert und ausgeschlürft. Oder neu interpretiert, ins Glas geschichtet: Lorbeer und Zwiebel, darauf fein gehacktes Muschelfleisch, bedeckt vom Bechamel-Schäumchen, obenauf knusprige Brösel. Von unten nach oben löffeln, bitte. Im Grunde sind ja auch die 40- oder noch mehrgängigen Menüs der Dreisterneküche, wie sie Pionier Ferrán Adrià und Nachfolger wie Quique Dacosta komponieren, nichts anderes als eine lange, durchdachte Reihe von Tapas – nur ohne Theke. Die hat Ferrán Adrià jetzt allerdings auch. Gemeinsam mit seinem Bruder führt er in Barcelona die Tapas-Bar Tickets (www.ticketsbar.es/web).

Bestellung und Abrechnung. Wie geordert wird, hängt von der Region und der Art des Lokals ab. Generell gilt: Am besten dort rein, wo viel los ist, und kurz das Geschehen beobachten. Und entspannen Sie sich, Unsicherheiten nimmt in diesem Land, wo ungezwungener Umgang fast überall der Etikette entspricht, niemand übel.

► Die klassische Tapas-Theke, oft mit Vitrine: Ganz einfach an der Bar aussuchen und dann draufzeigen.

► Selfservice: Das gilt besonders für Pintxo-Lokale, nicht nur in Nordspanien, sondern auch in Gastronomieketten, etwa Lizarrán, die in ganz Spanien zu finden sind. Dort werden die auf Zahnstocher gespießten Brötchen unter Glasglocken präsentiert: Teller von der Theke nehmen und sich selbst bei den Brötchen bedienen. Getränke werden beim Personal bestellt, dieses rechnet – zum Schluss – nach Art und Anzahl der Zahnstocher, die auf dem Teller liegen, ab. Wenn viel los ist, gehen die Kellner auch mit Platten mit frischen, heißen Tapas durchs Lokal und bieten an.

► Lassen Sie sich nicht abschrecken, wenn die Tapas nur auf Schiefertafeln oder Karten angeboten werden und keine herumstehen. Das muss nicht (kann allerdings) heißen, dass hier so wenig los ist, dass es sich nicht lohnt, im Voraus zu kochen. Vielleicht wird ja besonders frisch und kreativ gekocht. Lassen Sie sich von Ihrem Gefühl leiten. Wenn die Tapas mit Fotos angeboten werden, ist im Regelfall Vorsicht geboten.

► Besonders im Süden, in Sevilla oder Granada, werden Tapas gratis auch ohne Bestellung zum Bier oder Wein gereicht. Das sind kleine, aber oft kräftige Speisen wie Eintöpfe oder Reisgerichte. Mit zwei, drei Gläsern Bier, die meist im 0,25-Glas serviert werden, kann man satt werden. Die Speisefolge ist vorgegeben – „eine Einser“ oder „eine Zweier“, schreit der Kellner in die Küche, je nachdem das wievielte Glas eben bestellt wurde. Das Schönste daran ist die Überraschung, was als Nächstes kommt. Es lohnt sich zu fragen, wo dieser Brauch noch gepflegt wird. Auch in Madrid kann man solche Bars finden.

► Egal, wo, wie und zu wievielt Sie essen, versuchen Sie nie, die Rechnung nach individuellem Verzehr zu teilen. Die Rechnung kommt immer für alle gemeinsam, die Summe wird durch die Anzahl der Personen geteilt, und jeder legt seinen Anteil plus Trinkgeld – nicht mehr als fünf Prozent – hin.

Kleines Tapa-Vokabular

Tapeo, picoteo oder chiquiteo: eine Mahlzeit in Form von Tapas.
Tapear: das Verb dazu – also eine Mahlzeit in Form von mehreren Tapas, am besten in verschiedenen Lokalen, einnehmen.
Algo para picar: eine Kleinigkeit zum Knabbern.
Pintxo, pincho: baskische und spanische Schreibweise für Spießchen. In Nordspanien heißen alle Tapas so, auch wenn sie ohne Brot und Zahnstocher auf kleinen Tellerchen gereicht werden.
Montadito: belegtes Brötchen. Besonders im Land Valencia beliebt, variantenreich, aber selten so schön wie in Nordspanien.
Tapa, media (½ ) ración oder ración: Oft werden die Häppchen in verschiedenen Portionsgrößen angeboten. Es gilt auch eine ración noch als Tapa, besonders wenn sie von mehreren Leuten gemeinsam gegessen wird.
Welttag der Tapa: Tragen Sie sich den 29. September in den Kalender ein, das ist der Día Mundial de la Tapa, gefeiert mit Wettbewerben, Touren, Rezepten. Wenn Sie es nicht schaffen, macht es auch nichts. Viele Tourismusämter bieten Pläne mit ausgesuchten Tapas-Routen das ganze Jahr über. Nur selbst suchen ist noch schöner. Tapas entsprechen den Mezze des östlichen Mittelmeerraums und Nahen Ostens. www.diamundialdelatapa.es

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