Benvenuto im Brunello-Land

Toskana, Italien
Toskana, Italien(c) Erwin Wodicka - BilderBox.com (Erwin Wodicka - BilderBox.com)
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Italien. Höchste Eleganz, großes Potenzial und Langlebigkeit – dafür steht der Brunello di Montalcino. Und jetzt wird der Aristokrat unter den Weinen auch bio.

Südlich des idyllischen toskanischen Bergstädtchens Montalcino erstrecken sich die sanften kegelförmigen Hügel und Hänge des Col d'Orcia zwischen dem Fluss Orcia und dem Dorf Sant'Angelo in Colle über 540 Hektar. Nebel, Eis oder Frost sind hier unbekannte Größen. Seit einigen Jahrzehnten ist die glückliche, an jahrhundertealten Burgen und Kirchen, Klöstern und Kunstschätzen reich gesegnete Gemeinde Montalcino, nur 31 Kilometer vom stolzen Siena entfernt, nicht nur ein Mittelalter-Architektur-Mekka, sondern vor allem eines des Weins.

Das war nicht immer so. „Als ich in den 1970er-Jahren hierherkam, waren nur dreißig Hektar dem Wein gewidmet, sonst wurden vor allem Oliven und Getreide angepflanzt“, erinnert sich der Agronom Giuliano Dragoni. Heute sind 140 Hektar von Col d'Orcia Weinanbaugebiet. In den 1970er-Jahren avancierte der Brunello zum Superstar und veränderte die soziale Struktur der Gegend. Im Brunello-Land herrscht Vollbeschäftigung. „Junge Leute mit einer einschlägigen Ausbildung bekommen bei uns auch angemessene Gehälter“, sagt Giuliano Dragoni. „In den vergangenen fünfzig Jahren haben wir uns von einer armen Gemeinde, aus der die meisten wegziehen mussten, zu einem wohlhabenden Ort entwickelt.“

Reisende aus aller Welt strömen in die Keller von Montalcino. Zu danken ist dies US-Amerikanern, die in den 1980er-Jahren nach Montalcino kamen, um das Weingut Banfi aufzubauen. Die Amerikaner pflanzten ungefähr 800 Hektar Weingärten in diesem Garten Eden. Die Ernte auf dem Gut Col d'Orcia dauert etwa zwei Monate. In der toskanatypischen Hügellandschaft wachsen die Rebstöcke zwischen Zypressen und Steineichen auf einer Höhe von hundert Metern über dem Meer bis hinauf auf fünfhundert Meter. Die Ernte findet daher in verschiedenen Durchgängen statt. „Fünfzig Prozent der Flaschen wandern ins Ausland“, sagt Giuliano Dragoni und führt in eine Halle, wo gerade der Wein mit modernsten Methoden gekeltert wird: „Hier, auf diesem Förderband, werden die schlechten Trauben manuell aussortiert.“ Der Sangiovese ist die wichtigste Traube von Montalcino, aus ihm entstehen der Brunello und der Rosso di Montalcino.

Viel Regen, große Trauben

„Das hier ist das Fass 308 des Brunello di Montalcino, hier rinnt gerade der neue Wein durch, damit die Flüssigkeit von den Traubenresten getrennt wird“, erklärt Dragoni. Die festen Bestandteile wandern dann in die Destillerie, um den Grappa herzustellen. Der Agronom Dragoni lässt sich von den Arbeitern in der Halle ein Glas geben und probiert den Brunello der Ernte 2014: „Der intensive, fruchtige Duft und die tiefrote Farbe lassen darauf schließen, dass es ein guter Jahrgang ist.“ Bald kommt der Brunello für drei bis dreieinhalb Jahre in Holzfässer. Erst danach wird er in die Flaschen abgefüllt. Auf der Tenuta Col d'Orcia werden 500.000 bis 600.000 Weinflaschen pro Jahr erzeugt.

Die Sangiovese-Traube ist recht klein, in normalen Jahren wiegt sie 200 bis 250 Gramm. Wegen der starken Regenfälle im Sommer sind sehr große Trauben entstanden. Am Weinberg schon findet die erste Auslese statt. Nur Trauben in Idealgröße werden zu Wein verarbeitet. Die Hügellandschaft von Montalcino ist mit ihren Nord-Süd-Lagen für den Weinbau besonders gut geeignet, weil die Trauben von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang beschienen werden. Außerdem weht immer ein leichter Wind über die Hügel – was gut ist, weil er die Trauben nach dem Regen sofort wieder trocknet und sie so gesund bleiben.

Nur Kupfer und Schwefel sind in der biologischen Landwirtschaft erlaubt. „Wir machten eine Übergangsphase von etwa zehn Jahren durch, in der wir schrittweise den Einsatz von Chemie reduzierten, um herauszufinden, ob hier überhaupt biologische Landwirtschaft funktioniert“, erzählt Dragoni, „die Tenuta Col d'Orcia ist Arbeitgeber für siebzig Familien von Arbeitern und fünfzehn Familien von Angestellten. Das ist eine große Verantwortung.“

Keine Arbeitsplätze zu verlieren lautete die Devise bei der Bio-Einführung. Das letzte Jahrzehnt erwies sich als sehr gut geeignet für diesen Übergang, es regnete wenig. Der Brunello Col d'Orcia 2013 ist der erste biologische Jahrgang, denn das italienische Gesetz sieht vor, dass die Produkte erst drei Jahre nach der ersten biologischen Ernte auch biologisch genannt werden dürfen.

Fabrizio Bindocci, Präsident des Konsortiums des Brunello di Montalcino: „Das Konsortium entstand 1967, als der Wein die Denominazione d'Origine Controllata bekam. 25 Mitglieder hatte das Gründerteam.“ Inzwischen ist die Anzahl der Weingüter, die dem Konsortium angehören, auf 250 angestiegen. Die Marke ist weltweit geschützt. „Vor einigen Jahren brachte ein Italo-Amerikaner in den USA einen Brunello del Sonoma auf den Markt“, erzählt Fabrizio Bindocci. „Er wurde vom Konsortium verklagt und musste die Produktion dieses Weins aufgeben.“ Von den 250 Brunello-Weingütern produzieren manche nur Trauben und verkaufen sie weiter, andere erzeugen den Wein – das Konsortium kontrolliert den Wein, die Weingärten und die Produktionsstätten so streng wie möglich.

Gefälschter Brunello

„Heuer Jahr kam es zu einem groß angelegten Betrug mit einem Brunello der erfundenen Marke Sfera“, erzählt Bindocci. „Die Flaschen hatten ein sehr schönes Etikett, aber der Wein hatte nichts mit dem Brunello gemein.“ Der Schwindel flog in Mailand auf, als der Käufer den Code auf der Flasche in das Prüfsystem auf der Website des Konsortiums eingab. Der Code existierte nicht. Das Konsortium teilt an die Mitglieder Kapseln mit DOCG-Prüfnummern aus.

An der Anzahl der verteilten Kapseln lässt sich errechnen, wie viel roter vergorener Traubensaft aus der Montalcino-Gegend weltweit durch die Kehlen rinnt. Das Konsortium kauft auf dem Markt auch Flaschen seiner Mitglieder, schickt sie in ein Labor zur Analyse und kontrolliert, ob dieser Wein allen Vorschriften entspricht und ob es auch wirklich der Wein ist, den das Weingut eingereicht hat, um die DOCG-Kapseln zu bekommen. „In den frühen 1990er-Jahren kam es zu einem Brunello-di-Montalcino-Hype“, erzählt Fabrizio Bindocci. „Doch die Winzer waren klug genug, den Markt nie zu überschwemmen.“ Jährlich kommen maximal sieben bis neun Millionen Flaschen auf den Markt. 200 Millionen Euro werden mit dem Brunello di Montalcino pro Jahr umgesetzt. „Enzo Ferrari sagte immer, ich produziere ein Auto weniger, als der Markt verlangt. Dadurch bleibt der Preis so, dass der Produzent eine Marge hat.“ Fabrizio Bindocci leitet das Weingut Il Poggione der Familie Franceschi.

Auf dem Weingut Caparzo begrüßt Elisabetta Gnudi Angelini die Gäste mit strahlendem Lächeln: „Von meinen vier Weingütern hänge ich am meisten an Caparzo. Hier steckt sehr viel von mir selbst drin.“ Als Elisabetta Gnudi Angelini 1998 Caparzo kaufte, war es bereits ein sehr modernes Weingut. Eine Gruppe von zwölf Unternehmern aus Mailand hatte es als eine Art gemeinsames Landhaus erstanden. Im Lauf der Zeit kam es zu Unstimmigkeiten in der Eigentümergruppe, die mit dem Verkauf an die Bologneserin Angelini endeten. Elisabetta Gnudi Angelini führte die Marketingstrategie ihrer Vorgänger weiter, behielt das charakteristische grüne Etikett bei und ruft weiterhin jedes Jahr zur Begrüßung des neuen Weins „Benvenuto Brunello“, so wie es die Caparzo-Gründer eingeführt haben.

Dank vieler Einzelinitiativen wie dieser und der gezielten Kommunikationsbegeisterung der Winzer wurde der Brunello zum Ferrari unter den italienischen Weinen. „Alles begann damit, dass im Jahr 1955 Biondi Santi in Bordeaux als erstes italienisches Weingut den Preis für den besten Wein der Welt gewann“, erzählt Elisabetta Gnudi Angelini. „Für mich war es eine Lebensentscheidung, hierherzukommen. Meine Familie besaß eine Pharmafirma, ich verkaufte meinen Anteil, als ich erbte, und konnte endlich das machen, was ich immer wollte.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2014)

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