Ein Bär tapst durch London

A Paddington Bear sculpture sits in front of the Bank of England in the City of London
A Paddington Bear sculpture sits in front of the Bank of England in the City of LondonREUTERS
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London. 50 Statuen des legendären Paddington Bear markieren die schönsten Highlights der Stadt an der Themse.

Vielleicht ist es genau der richtige Film zur richtigen Zeit, der am 28. November in die Londoner Kinos und am 4. Dezember in die österreichischen kommt: Während sich die britische Politik in eine kollektive Psychose zum Thema Einwanderung hineinredet, schildert der große Familienweihnachtsfilm des Jahres die rührende Geschichte eines mittellosen Einwanderers ohne Aufenthaltsgenehmigung. Sein Name? „Paddington“, nach dem Bahnhof im Westen Londons, wo er aus „dem finstersten Peru“ ankommt und nichts besitzt außer einem zerknitterten Koffer, einem fast leeren Marmeladeglas und einem Schild mit der Aufschrift: „Bitte kümmern Sie sich um diesen Bären. Danke.“ Nach Winnie-the-Pooh ist Paddington der wohl berühmteste Bär der Literaturgeschichte, und unter seinen Lesern sind bei Weitem nicht nur Kinder. Die 14 Bücher mit seinen Abenteuern wurden seit Erscheinen des ersten Bandes im Jahr 1959 bisher 35 Millionen Mal verkauft und in 40 Sprachen übersetzt. Sein Schöpfer Michael Bond wurde zu der Geschichte durch einen Bären in der Spielzeugabteilung des Warenhauses Selfridges inspiriert, der allein in einem Regal saß und den er seiner Frau am Weihnachtsabend 1956 kaufte: „Er hat mir einfach leidgetan.“

Vom ersten Buch bis in die Gegenwart erwies sich die Geschichte des kleinen Bären, der in London dank der Familie Brown ein neues Zuhause findet („Ein Zuhause ist mehr als ein Dach über dem Kopf“) und hier seine Abenteuer bestehen muss, als Dauerbrenner.

Ein Bär als Symbol des Landes

Neben Radio- und TV-Versionen stieg man auch rasch ins Franchising ein: 1971 erscheinen die ersten Stofftiere, 1978 öffnet der erste Paddington-Shop seine Pforten und als 1994 die beiden Teile des Ärmelkanaltunnels verbunden werden, überreichen britische Ingenieure ihren französischen Kollegen einen Paddington-Bären als Symbol ihres Landes.

Umso erstaunlicher, dass es erst jetzt zu einer Kinoverfilmung gekommen ist. Dafür ließ man es aber an nichts fehlen: Unter der Leitung des Harry-Potter-Produzenten David Heyman und unter der Regie von Paul King spielen Nicole Kidman, Peter Capaldi, Hugh Bonneville, Sally Hawkins und Julie Walters. Ben Whinsaw – im letzten „James Bond“ der Bösewicht Q – verleiht Paddington die Stimme. Der Bär ist mit modernster Computeranimation eingefügt, erste Trailer des 30-Millionen-Dollar-Streifens versprechen „ein Abenteuer für die ganze Familie“.

Der größte Hauptdarsteller ist freilich London. Die Stadt nützt die Publizität um den Film gewohnt geschickt aus und hat seit Anfang November 50 Statuen des Bären über das Stadtgebiet verstreut aufgestellt: Von der Ankunftshalle des Flughafen Heathrow bis zur Ostlondoner Konzert-Arena O2 stehen Skulpturen in der Originalgröße von 1,07 Meter und gestaltet von Künstlern und Prominenten wie David Beckham, Emma Watson, Zaha Hadid, Sandra Bullock oder Stephen Fry. Der mindestens ebenso ubiquitäre Londoner Bürgermeister, Boris Johnson, darf natürlich auch nicht fehlen, aber auch Chelsea FC oder Rolls-Royce sind dabei.

HEKTISCHE JAGD, ENTSPANNTE RECHERCHE

Bärenhatz. Die Jagd nach den 50 Bären bietet eine wunderbare Gelegenheit, die Londoner Innenstadt näher kennenzulernen (siehe City Map). Eine interaktive Karte (visitlondon.com/paddington/trail-map) hilft bei der Suche, der Routenplanung und erzählt sowohl die Geschichte der Standorte als auch über den kleinen Bären. Wer zu viel auf sein Handy starrt, dem drohen im hektischen Londoner Treiben ähnliche Missgeschicke wie dem tolpatschigen Bären. Die Statuen werden Anfang kommenden Jahres zugunsten einer Kinderhilfsorganisation versteigert.


Bärenruhe. Wer es etwas gemütlicher angehen will, kann im House of Illustration (houseoillustration.org.uk) nahe dem Bahnhof King's Cross Darstellungen des Bären mit brauner Fellmütze, blauem Duffle Coat und roter Hose aus 50 Jahren betrachten. Das Museum of London (museumoflondon.org.uk/london-wall/whats-on/exhibitions-displays/bear-called-paddington/) in der City widmet sich dagegen Memorabilia wie der Orginalschreibmaschine, auf der einst die erste Paddington-Geschichte entstand. Außerdem veranstaltet das Museum Abenteuerspiele und gemeinsame Picknicks in Würdigung der großen Liebe des Bären zu Marmeladebroten. Wer es nobler schätzt, gönnt sich im 31. Stock des neuen Designhotels Shard einen Paddington-Bär-Nachmittagstee, der mit einem Glas Champagner schlanke 45 Pfund kostet (aquashardblog.co.uk/paddington-afternoon-tea). Für einen mittellosen Einwanderer, den die heutige Politik in zwei Minuten des Landes verweisen würde, hat es Paddington wirklich weit gebracht.

Winterschlaf. Übernachtungsmöglichkeiten bietet London jede Menge, insbesondere die Gegend um den Bahnhof Paddington ist eine traditionelle Hotelgegend. Es entstehen aber auch immer mehr moderne und ausgesprochen lässige Quartier im Osten der Stadt, wie etwa das Town Hall Hotel in Bethnal Green. Empfehlenswert sind auch Apartments in der Gegend um Chancery Lane nahe dem British Museum. Gabriel Rath

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2014)

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