Kuba schäumt: Bier als Wohlstandsbeweis

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CUBA DAILY LIFE(c) APA/EPA/ERNESTO MASTRASCUSA
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Kuba. Bier ist auf dem Vormarsch. Gasthausbrauereien sind der neueste, staatlich verordnete Trend in der Rumhochburg. In Havanna wurde eine neue hochmoderne Mikrobrauerei mit Restaurant eröffnet. Weitere sollen folgen.

Blond, Braun oder Schwarz. José Martinez hat die Wahl. Ohne zu zögern greift er zum Glas mit dem schwarzen Inhalt. „Sonst bekomme ich Ärger mit meiner Frau“, grinst er. Martinez' Frau stammt aus dem Oriente, dem Osten von Kuba, Hochburg der schwarzen afrokubanischen Kultur. Der Braumeister bleibt seiner Frau und seinem Lieblingsbier treu. Zumindest, wenn es nach einem gängigen Kalauer auf Kuba geht, der besagt, dass die bevorzugte Biersorte ein Hinweis auf das Aussehen des Partners sei. Kubas Bevölkerung ist ein Gebräu der Kulturen.
Ob Blond, Braun oder Schwarz, auch auf Kuba ist Biertrinken eine Frage des Geschmacks. Und des Geldes. Denn anständigen Gerstensaft kann sich nur kaufen, wer CUC in der Tasche hat. Nicht der nationale, sondern der konvertible Peso, die Zweitwährung auf Kuba, ist das Ticket für höherwertige Konsumgüter. Etwa für frisches Bier im neuen Brauhaus von Havanna, der Cervecería Antiguo Almacén de la Madera y el Tabaco. Untergebracht in einer ehemaligen Lagerhalle für Holz und Tabak, wie das Wortungetüm verrät. Drei Jahre wurde das riesige, heruntergekommene Gebäude am Hafen restauriert und im Frühjahr als Cervecería, Brauhaus mit Gaststätte, eröffnet – als mittlerweile zweite in der kubanischen Hauptstadt.

0,3 Liter für 2,25 Euro

Drei CUC kostet ein kleines Glas Bier mit 0,3 Litern Inhalt, umgerechnet derzeit rund 2,25 Euro. Ein happiger Preis für den Durchschnittskubaner. Und doch sitzen in der neuen Cervecería am Hafen auch Einheimische. Ein Bierchen hier verbinden viele mit einem Abstecher in die benachbarte Kunstmarkthalle Almacenes San José. Oder ins prunkvolle Teatro Martí, das nach fast unglaublichen 30 Jahren Renovierung im Vorjahr wiedereröffnet hat. Das historische Theater ist seitdem der ganze Stolz kulturbeflissener Kubaner, ein Magnet für Freunde der klassischen Künste – und ein Meilenstein in der Altstadtsanierung Havannas.
Entgegen gängiger Klischees bevorzugen bei Weitem nicht alle Kubaner Rum. Der Zuckerrohrschnaps ist zwar Nationalgetränk. Aber Bier ist chic, ein Zeichen eines gewissen Wohlstands. Und: „Bier macht nicht so müde“, erklärt Luis, ein Gast, „an heißen Tagen ist es viel erfrischender.“

Eisgekühlte Tischzapfanlage

Heiße Tage gibt es in Kuba genug. Der Renner im Brauhaus ist der sogenannte Turm, eine eisgekühlte Tischzapfanlage. Und ein Statussymbol für den kubanischen Biertrinker. Mit zwei Freunden sitzt Luis um einen Drei-Liter-Kübel Export. Durstig kippen sie das goldbraune Bier in der Mittagshitze hinunter. Deckenventilatoren sorgen für etwas Abkühlung. Vom Hafen weht unablässig die Meeresbrise durch die sperrangelweit offenen Lagerhallentore.
Die moderne Cervecería versprüht ein Flair zwischen Rockpalast und Kunstmuseum: Stahlträger, viel Glas, dunkel lackiertes Intérieur. Künstler durften sich mit Graffitis austoben. 400 Sitzplätze gibt es. Zwei offene Grillstationen machen auf Eventgastro, Maiskolben und Hühnerkeulen brutzeln über der glühenden Holzkohle. Spezialität ist in Dunkelbier mariniertes Schweinekotelett.
Weitaus angenehmer sind die Temperaturen hinter der fast 40 Meter langen Theke, wo Kellner Bier zapfen. Dort, zwischen kühlen Stahltanks, steht José Martinez. Mit seinen Kollegen produziert der 56-jährige Braumeister bis zu 2000 Liter Bier pro Tag. Zuvor war Martinez Lebensmittelkontrolleur, spezialisiert auf Wasserqualität. Eine verwandte Branche: „90 Prozent des Biergeschmacks wird vom Wasser beeinflusst“, sagt Martinez. Jetzt wird er in der Brauindustrie benötigt. „Eine unsichtbare Hand von oben hat entschieden, dass Kuba mehr Cervecerías braucht“, kommentiert er den staatlich verordneten Trend. Das Tourismusministerium spielte dabei eine entscheidende Rolle. Kubas Wirtschaft hängt am Tropf des Tourismus. Die meisten Gäste kommen aus Kanada, gefolgt von Deutschland und Großbritannien. Urlauber aus diesen Ländern wollen gutes Bier, so die einfache Rechnung.
Also macht Kuba ein Fass auf. Brauhäuser in Varadero, Santiago de Cuba und Trinidad sollen hinzukommen, in dieser Reihenfolge, so der Plan der Regierung. In Trinidad soll zudem die Hotelkapazität stark erhöht werden. Die Altstadt mit ihren Prachtbauten aus der Kolonialzeit, Unesco-Weltkulturerbe, steht noch im Schatten Havannas. Aber Trinidad verfügt seit Neuestem über ein Unikat: die Casa de la Cerveza. Das mit internationalen Marken bestückte Bierhaus ist in einer Theaterruine untergebracht.
Kubanisches Bier gilt als durchaus passabel, wenn man nicht allzu päpstlich europäische Höchstmaßstäbe anlegt. Auch das in Flaschen und Dosen abgefüllte Bier der staatlichen Brauereien gilt unter Touristen als trinkbar. Die Qualität dieser Supermarkt- und Kioskbiere hat einen guten Grund: Die größten Bierbrauanlagen wurden in den Achtzigerjahren mit Technik und Know-how aus der DDR installiert. Allein die Brauerei Cervecería Bucanero produziert jährlich rund 1,5 Millionen Hektoliter Bier. Das ist mehr als zweihundert Mal so viel, wie jährlich auf dem Oktoberfest getrunken wird. Beachtlich für die Elf-Millionen-Insel. Wobei Touristen die Statistik sicherlich nach oben treiben, vor allem in den All-inclusive-Clubs von Varadero oder Cayo Coco.
Ausgerechnet im vergangenen Sommer, einem der heißesten seit 50 Jahren auf Kuba, kam es zu Lieferengpässen. An manchen Stränden ging der Gerstensaft aus. Erhältlich waren nur noch teure Importmarken. Keiner weiß so genau, woran es gelegen hat, die Regierung hält sich in solchen Dingen mit Erklärungen stets zurück. Touristen bekamen von der Bierknappheit allerdings kaum etwas mit – außer sie bewegten sich außerhalb der Hotelanlagen. Die beiden Brauhäuser produzierten unterdessen munter weiter. „Kuba hat eine große Biertradition“, sagt Rubén D. Maceo, „bei uns gibt es nicht nur Salsa, Zigarren und Rum.“ Maceo ist Braumeister in der ersten Gasthausbrauerei Kubas, der Factoria Taberna de La Muralla, auch bekannt als Factoria Plaza Vieja, einem der schönsten Plätze in Havannas Altstadt. Dort wird schon seit 2003 Bier gebraut. Die Factoria wurde, wie die neue Cervecería am Hafen, übrigens mit Technik und Geld aus Österreich aufgebaut.
Eigentlich sollte in das mondäne Eckgebäude ein Textilmuseum einziehen. Aber der Investor, Salm Bräu aus Wien, konnte die Stadtplaner von seiner Idee eines zentral gelegenen Brauhauses überzeugen. Kein einfaches Unterfangen, denn die Altstadtsanierung Havannas – eine Sisyphusarbeit – untersteht Eusebio Leal. Der Historiker gilt als stur und unbeirrbar. Und hat eine Machtstellung und Aura inne, die einem hochrangigen Politiker gleicht. „Die Begrüßung bei Professor Leal war fast ein sakrales Ritual“, sagt Albert Welledits von Salm Bräu. Die Verhandlungen seien hart gewesen, aber am Ende konnte man sich zuprosten. „Du bist der Erste, der mich von einem Projekt abgebracht hat“ soll Leal Welledits gesagt haben.
Doch die Entscheidung war offenbar goldrichtig. Denn die Brauhäuser werfen Gewinne ab. Geld, das Kuba bitter nötig hat. Es fließt zum großen Teil in Sanierungsaufgaben. Die staatliche Firma Habaguanex S. A. betreibt unter dieser Maxime mehrere Hotels und Restaurants. „Die Taberna de la Muralla wurde dafür zur Cashcow“, sagt Albert Welledits. Vermutlich deshalb hat es die Regierung nun eilig, weitere Gasthausbrauereien zu errichten.
Immerhin, es soll keinen billigen Abklatsch à la „in Kuba steht ein Hofbräuhaus“ oder dergleichen geben. Sondern landeskompatible Orte für Touristen und Einheimische. Ob Blond, Braun oder Schwarz.

Altes Havanna, frisch gezapftes kubanisches Bier

Anreise
Ab Wien mit Condor nach Varadero oder mit Condor ab München nach Havanna und Varadero. www.condor.com

Einreise
Benötigt wird eine Touristenkarte, die entweder vom Reiseveranstalter (bei Pauschalreisen) oder vom Konsulat ausgestellt wird.
Beim Einchecken vor dem Abflug kann der Nachweis eines Auslandskrankenversicherungsschutzes verlangt werden.

Cervecerías in Havanna
Cervecería Antiguo Almacén, Esquina Avenida Puerto y San Pedro
Factoria Taberna de La Muralla (auch: Factoria Plaza Vieja), Esquina Muralla y La Habana Vieja

Übernachten
Das staatliche Unternehmen Habaguanex betreibt in Havannas Altstadt mehrere zauberhafte Stadthotels in allen Kategorien, Infos und Buchungen unter www.habaguanexhotels.com.

Privatunterkünfte
Sogenannte Casa Particulares sind preiswert und stellen schnell den Kontakt zu Einheimischen her, zu buchen z. B. unter www.casaparticular.org.

Unterwegs
Mietwagen auf Kuba sind teuer. Eine bequeme Alternative, das Land auf eigene Faust zu erkunden, sind Überlandbusse der Busgesellschaft Viazul. www.viazul.com

Geld
Es gibt zwei Währungen, Touristen bezahlen mit dem Peso Convertible (CUC). Geld kann man an den Schaltern größerer Hotels (bar oder via Kreditkarte) wechseln. In Havanna gibt es nur wenige Geldautomaten.

Der Autor wurde von www.cubainfo.de unterstützt.

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