Snobistischer Selbstversuch mit Singapur Sling

SINGAPORE RAFFLES HOTEL
SINGAPORE RAFFLES HOTEL(c) EPA
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Im Raffles gibt es keine Zimmer, nur Suiten, einen privaten Butler und die Qual der Wahl am wohltemperierten Austernbuffet.

Wer im legendären Raffles-Hotel residiert – niemand würde hier einfach nur „absteigen“ – der ist entweder sehr berühmt, sehr betucht oder zumindest beruflich privilegiert. Was sich bereits bei der Annäherung vom Flughafen her und allerspätestens am Empfangskomitee zeigt. Ein indischer Sikh in Paradeuniform, das gehobene Management in High Heels beziehungsweise Nadelstreif, ein paar adrett aufpolierte und kolonial aufgemascherlte Lift- und Kofferboys sowie der persönliche Butler mit einem gigantischen Orchideenarrangement stehen auf dem penibel gestriegelten Kiesrondeau bereit, um jeden Ankömmling hoheitsvoll in den temporären Adelsstand zu erheben.

Der breite rote Teppich, über den schon William Somerset Maugham, John Wayne, Michael Jackson, Sting, Queen Elisabeth II und David Beckham in das Hotelallerheiligste und zu ihren Zimmerfluchten geleitet wurden, sieht dennoch nahezu jungfräulich aus.

Lautlos enteilt der Butler

Die ausnahmslos im Kolonialstil gehaltenen Suiten hingegen – über Zimmer verfügt die Nobelherberge erst gar nicht – gleichen museal-antik ausgestatteten Prunkräumlichkeiten mit ausreichend Platz für eine nachmittägliche Bridge-Party. Allein – die Blumenvase fehlt! Kurzerhand verfrachte ich das Orchideenbouquet in eines der Waschbecken aus waschechtem Marmor im Ankleideraum, was vermutlich nicht ganz ladylike ist. Aber weder die blattgoldverzierten Kristallkaraffen der wohlsortierten Spirituosenecke noch die akkurat in einer Geraden aufgereihten Kosmetikflakons von Fragonard eignen sich als banales Wasserreservoir für Willkommenssträuße. Der private Butler ist gerade lautlos enteilt, um meinen historischen Wissensdurst durch einen authentischen Singapur Sling zu stillen. Immerhin wurde der berühmte Longdrink aus Cherry-Brandy, Cointreau und Co. vor mehr als 100 Jahren genau hier erfunden.

Einst als vorgeblich alkoholfreie Mogelpackung für ebenso vorgeblich lasterlose Gattinnen gedacht, ist der Cocktail mittlerweile zum kultigen und geschlechtsneutralen Signatur-Drink des ganzen Landes avanciert. Auffallend süß schmeckt er trotzdem. Vermutlich dienen die Erdnüsse, die stets dazu gereicht werden, primär als geschmackliche Gegenmaßnahme.

Kolonialer Klimawahn

Sonntag, zwölf Uhr Mittag. Zeit für den rituellen Sunday-Brunch. Auf einen Schlag füllt sich der historische Billard-Room mit blasshäutigen Ladys und aristokratisch anmutenden Gentlemen auf der Suche nach der ultimativen kulinarischen Offenbarung.

Das Angenehme dabei: Auch ohne Kronjuwelen und Kavalier an meiner Seite sieht mich niemand scheel an. Ganz im Gegenteil. Heerscharen an dienstbaren Geistern – im Raffles steht den 103 Suiten eine 480-köpfige Belegschaft zur Verfügung – scheinen sich aus dem Nichts zu materialisieren, um hurtig einen Fußschemel für die Handtasche zu bringen und das unüberschaubare Gläsersortiment mit Billecart Salmon Brut Rosé Champagner, exklusivem indischen Sauvignon Blanc, einem entsprechend gereiften Roten oder auch nur mit Mineralwasser aufzufüllen.

Außer dem seinerzeit hier erlegten letzten Tiger Singapurs fehlt augenscheinlich nichts, was sündhaft gut, sündhaft teuer oder sehr selten wäre. Zwischen Kobe-Beef, getrüffelter Gänseleber und einer weltumspannenden Best-of-Auslese an Schinkenscheiben wird sogar tischübergreifend distinguierter Small Talk zelebriert. Nur bei der Fachsimpelei über die Vorzüge von Belon-Austern gegenüber irischen oder kanadischen kann ich leider nicht mitreden.

Zudem ist es ein wenig kühl in diesen angelsächsisch temperierten Räumlichkeiten, während draußen die tropische Sonne vom Himmel strahlt. Doch selbst ein Ausflug in die botanische Königsklasse der Hotelgartengestaltung hat keinerlei Hitzewallung zur Folge, denn in antiquierter kolonialistischer Tradition stehen auch draußen mobile Klimageräte herum und versprühen Kältegefühle. Was vermutlich weder Raucherlungen noch Paradiesblumen wirklich erfreut.

Windowshopping

Dabei sein ist alles. Nach dieser olympischen Maxime gestaltet sich mein Einkaufsverhalten unter den architektonisch reizvollen Arkadengängen der hauseigenen Einkaufsmeilen.

www.raffles.com

Während adrette Nobelflaneusen zwischen Vuitton, British India und preislich Artverwandten lustwandeln und gustieren, schlendern die etwas Minderbegüterten gleich mir ziellos zwischen den lauschigen Innenhöfen, Ruheoasen und Balustraden des mittlerweile zum Nationaldenkmal erhobenen Hotels herum. Schauen kostet nichts – und allein die elitäre Anlage ist allemal sehenswert. Selbst für Konsumverweigerer.

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