Kärnten: Die dunkle Seite der Berge

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Die Hohen Tauern sind die Dunkelkammer der Alpen. Dort gibt es kaum Lichtverschmutzung am pechschwarzen Nachthimmel. Für Sterngucker ein idealer Ort, gerade im Winter.

Jetzt haltet's einfach einmal die Papp'n!“ Heide Pichler steht neben dem Gipfelkreuz des Scharecks. „Horcht's einfach einmal 30 Sekunden in euch hinein und hört's, wie still es hier oben sein kann“, sagt sie. Entspannungscoaching auf Kärntnerisch.

Es ist schwarze Nacht in den Hohen Tauern. Eine Gruppe von Touristen und Einheimischen lässt sich den Bergwind um die Nase wehen und schaut in die Dunkelheit. Zu erkennen: fast nichts. Heide Pichler, Inhaberin des Hotels Glocknerhof in Heiligenblut und Hobby-Touristenguide, erklärt, welche Berggipfel man vom Schareck aus sehen würde, wenn man etwas sehen würde. Der Himmel über dem Nationalpark Hohe Tauern ist nämlich pechschwarz. Die dunkle Seite der Alpen ist aber gerade deshalb ideal zum Sterngucken. „Nacht der Sterne“ heißt eine Veranstaltung, die bis Ende März jeden Donnerstag stattfindet. Mit der Schareckbahn geht es nach Einbruch der Dunkelheit hinauf.

Tagsüber herrscht auf dem Skiberg oberhalb von Heiligenblut in Kärnten der hellste Trubel. Die Gondeln schaufeln die Skifahrer nach oben. An der Bergstation bietet sich ein herrlicher Ausblick auf den Großglockner, den höchsten Berg Österreichs. Er funkelt schneeweiß, tief verschneit, wie die Hohen Tauern. Das Skigebiet unterhalb des Großglockners sowie der benachbarte Mölltaler Gletscher gehören zu den wenigen Skigebieten in Österreich, in denen auch in schneearmen Zeiten befahrbare Pisten zu finden sind, Schneemangel herrscht selten. Daher auch kein Mangel an Gästen.

Die Nacht der Sterne beginnt mit einer Kirchenführung in St.Vinzenz, einem der meistfotografierten Bauten Österreichs. Der atemberaubend spitze Kirchturm eifert mit der Großglockner-Spitze um die Wette. Der Name Heiligenblut stammt der Legende nach von einem Fläschchen mit dem Blut Christi, das in der Kirche aufbewahrt wird.

Vor dessen Geburt waren die Frühastrologen der damaligen Zeit wohl ziemlich aus dem Häuschen. Stichwort: Stern von Bethlehem. Der ist zwar selbst in der Nacht der Sterne nicht zu sehen. Dennoch haben Astrologen ihre helle Freude unterhalb des Großglockners. Der Grund: Die Lichtverschmutzung in den Hohen Tauern ist äußerst gering. Dunkelheitsmessungen haben ergeben, dass einer der dunkelsten Orte der Ostalpen, wenn nicht sogar des gesamten Alpenraums, unweit von Heiligenblut liegt: Rund um die Edelweißspitze an der berühmten Großglockner-Hochalpenstraße.

Angeregt wurde die Dunkelheitsmessung durch das Internationale Teleskoptreffen, ITT, auch Star-Party genannt. Die Veranstalter suchten nach einem neuen Standort, nachdem der Nachthimmel am alten Standort oberhalb des Ossiacher Sees durch Zersiedelung und Straßenbau immer heller wurde. Im Fachjargon: zu starke Horizontaufhellung.

Die Region Hohe Tauern gleicht hingegen einer Dunkelkammer. Angesichts der Finsternis am Großglockner und damit der Möglichkeiten, Sterne und andere Himmelskörper zu beobachten, geraten Astronomen ins Schwärmen. Motto: Der helle Wahnsinn. Für Gäste stehen an der Bergstation des Scharecks vier Teleskope bereit, die bei freiem Himmel zum Einsatz kommen. Blick frei auf Kassiopeia, Plejaden, Großen Wagen, Venus und andere Planeten und Sterne.

Die einzige Lichtdreckschleuder, wenn man so will, ist die 9500-Einwohner-Stadt Zell am See in knapp 30 Kilometern Entfernung. Ideale Voraussetzungen also für stillen, romantischen Winterzauber. „Dunkelheit macht die Sinne offener, man wird achtsamer“, sagt Maria Pichler. Sie ist nicht verwandt mit der anfangs erwähnten Hilde Pichler. Im kleinen Heiligenblut gibt es zudem gleich acht Frauen mit dem Namen Maria Pichler. Doch nur eine, die in den Wintermonaten Besuchern in der berühmten Kirche St.Vinzenz von Heiligenblut das Faszinosum Dunkelheit und Stille nahebringt.

„Von mir aus könnte Heiligenblut im Winter fast komplett finster sein“, sagt Maria Pichler, „ohne Straßenbeleuchtung und nur mit Fackeln beleuchtet werden.“ Ein frommer Wunsch. Denn die neuzeitliche Ablenkungssucht hat längst jedes Alpendorf erreicht. The Show must go on: erst Après-Ski, dann After Hour. Selbst im beschaulichen Heiligenblut am Großglockner kommt man atemlos durch die Nacht – wenn man will. Zwischen Hirschenbar und Laterndl, dem Dorftreffpunkt für später, gehen bei manchem Feierwütigen letztlich die Lichter aus.

Unfreiwillige Ironie bei der Nacht der Sterne: Damit die Gondeln abends auf den Schareck fahren dürfen, muss am Hang Flutlicht eingeschaltet werden. So sorgt ausgerechnet das Betrachten der Dunkelheit für zusätzliche Lichtverschmutzung. Aber sobald um 21 Uhr die letzte Bergfahrt absolviert ist, gehen am Berg die Lichter aus. Und Heiligenblut gleicht wieder einem – bitte dies nicht misszuverstehen – schwarzen Loch. Nur im Laterndl gehen auch spätabends noch lange nicht die Lichter aus.

nationalpark-hohetauern.at,
heiligenblut.at, kaernten.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2015)

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