Einstiegsdroge Südisland

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Themenbild(c) ORF (Florian Melzer)
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Island. Newbies auf der Insel von Feuer und Eis wählen am besten den Golden Circle in Südisland, eine Route, an der die größten Attraktionen liegen – unter anderem Tankstellen, in denen man bei jedem Wetter Softeis genießt.

Reykjavík, Mitternacht. In der nördlichsten Hauptstadt der Welt geht die Sonne gerade für drei Stunden unter. Das ist in den Sommermonaten gewöhnungsbedürftig, aber normal. Island ist wie eine andere Welt. Wer für eine Woche krasse Abwechslung sucht, wird dort sicher fündig. So extrem kontrastreich wie die Landschaften und Farben – Wasserfälle, Geysire, Gletscher, kaum Menschen, viele Schafe und Pferde – präsentiert sich auch das Wetter.

„Whatever the weather“ sagen die Isländer gelassen, kleiden sich entsprechend und lassen sich auch bei strömendem Regen nicht von Outdoor-Aktivitäten abhalten. Sie ignorieren den Regen einfach und stellen sich entspannt in die Warteschlange vor Reykjaviks bester Eisdiele, dem Valdis, gleich hinter dem Hafen.

In nur einer Woche kann man in Südisland eine Menge Attraktionen entdecken. Mit einem Mietwagen ist man flexibel unterwegs. Da die meisten Rückflüge erst spät abends starten, spart man sich Reykjavík am besten für den letzten Tag auf. Auf geht es also in die Umgebung zu den beiden hübschen Leuchttürmen in Garđur an der Nordwestspitze der Halbinsel Garđskagi – einer alt, einer neu, beide ein Postkartenmotiv.

Bar in 39 Grad warmem Wasser

Weiter geht es zur bekannten Blauen Lagune. Auf dem Weg dorthin einen kurzen Stopp an der Brücke zwischen den Kontinenten einlegen: Mitten in der Lavalandschaft klafft ein Riss zwischen eurasischer und nordamerikanischer Kontinentalplatte. Das Tagesziel liegt 20 Kilometer südlich von Keflavík in Grindavík – „Baden wie in Milch“. Der Besuch entspannt und entschleunigt bei jedem Wetter: 39 Grad warmes, weiß-blaues, dampfendes Wasser, umrahmt von bizarrer schwarzer Lava, weißer Algenschlamm auf der Haut und ein Getränk aus der Bar im Becken. Einst nur ein Nebenprodukt des nahen Erdwärmekraftwerks, weiß man inzwischen die Heilkräfte des weißen Algenschlamms zu schätzen. Tipp: Flipflops, Handtuch und Bademantel selbst mitbringen!

Einen Wasserfall zum Einstieg gibt es am nächsten Tag – keinen von denen, die noch kommen, und die man vom Autoparkplatz aus schon sieht. Der Glymur-Wasserfall will entdeckt werden und zwar zu Fuß. Am Ende des Hvalfjörđur, des Walfjords, beginnt der Wanderweg zum Glymur, dem mit fast 200 Metern höchsten Wasserfall Islands.

Auf dem Golden Circle, einer beliebten Route in Südisland, liegen die attraktivsten Sehenswürdigkeiten – für Island-Erstbesucher ein Muss. Darunter die Unesco-Welterbestätte Thingvellir, die „Felder der Versammlung“. Dort trafen sich einst alljährlich die verstreut lebenden freien Männer, um Gericht zu halten – mit Volksfest und Heiratsmarkt. Heute durchziehen kommode Wanderwege das Gebiet um den See Thingvallavatn. Der lange Graben zwischen schroffen Felswänden ist ein geologisches Phänomen, das jetzt schon bekannt ist: Island liegt mitten auf der Nahtstelle zweier Kontinentalplatten, die sich voneinander entfernen.

Nicht mehr ganz so einsam ist man östlich des Thingvellir am Geothermie-Feld Haukadalur. Dort schießt der Strokkur alle fünf bis zehn Minuten verlässlich eine kochende, bis zu 35 Meter hohe Wassersäule in die Höhe. Auf das Foto muss man also mit all den anderen Touristen nie lang warten, während es rundherum aus dem Boden dampft und sprudelt. Und bitte: Nein, es bringt kein Glück, Münzen in die bunten Becken zu werfen! Wunderschöner Tagesabschluss ist der Goldene Wasserfall: Besonders im Abendlicht präsentiert sich der über zwei Kaskaden stürzende, alles überbrüllende Gullfoss so eindrucksvoll wie wenige Wasserfälle dieses Planeten.

Bequem erreichbar liegt an der so genannten Ringstraße Nummer eins, die ganz Island umrundet, auch der Sjeljalandsfoss-Wasserfall, hinter dem man sogar am Felsen entlanggehen kann und entsprechend nass wird. Auf dem Weg entlang der Südküste weiter Richtung Osten zeigt im Eyjafjallajökull-Besucherzentrum ein Dokumentationsfilm, welche Folgen der Ausbruch des bekannten Vulkans mit dem unaussprechlichen Namen – äj-ja-fjat-la-jöö-kü-tl, das l am Schluss ist stimmlos – vor fünf Jahren für einen Bauernhof hatte.

Softeis an der Tankstelle

Ziel ist das Örtchen Vík, der südlichste Ort des isländischen Festlands im Myrdalur-Tal. Dort ist die Lavasand-Küste schwarz, das Land saftig-grün. Vom 340 Meter hohen Hausberg Reynisfjall hat man einen schönen Rundblick. Zu dessen Füßen liegt der kilometerlange dunkle Strand und wirkt mit dem grauen Meer und der schäumenden Brandung wie ein Schwarz-Weiß-Foto. Christine aus Bremen, selbst dem Charme Islands verfallen, erklärt im Icelandair-Hotel den Gästen ausführlich, was man in Vík und Umgebung alles machen kann. Zum Beispiel brütet auf dem Kap Dyrhólaey, einer Halbinsel sechs Kilometer abseits der Ringstraße auf dem Weg nach Vík, eine der größten Küstenseeschwalbenkolonien Europas. Nach einem Spaziergang oben auf Dyrhólaey (120 Meter), und unten am Strand schmeckt eine Pizza im Ströndin hinter der einzigen Tankstelle in Vík köstlich, und wer es schafft, gönnt sich in jener Tankstelle ein Softeis. Zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter. Vík soll der Ort mit dem meisten Niederschlag sein. Doch das Wetter an der Küste wechselt sehr schnell, man steht nie den ganzen Tag lang im Nebel oder Regen – urplötzlich ist wieder die Sonne da und zaubert lebhaft schillernde Regenbogen hervor.

Eisberge auf Augenhöhe

Tagesausflug zu einem Gletscher? Von Vík aus machbar: Der Vatnajöküll („Wassergletscher“) ist ein Gigant unter Europas Gletschern, drittgrößter der Welt und Herzstück des mit 12000 Quadratkilometern größten Nationalparks Europas. Sein Eisschild ist bis 900 Meter stark, darunter mehrere aktive Vulkane. Die meisten Besucher kommen von Westen entlang der Küstenstraße durch die Einöde, eine karge, fast vegetationslose Ebene. Urplötzlich tauchen dann die sanften Rücken des Gletschers auf. Unvergesslich nahe kommt man treibenden Eisbergen an der großen Gletscherlagune Jökulsárlón, die hinter Vík, wie könnte es anders sein, direkt an der Ringstraße liegt. Unbedingt mit einem Schlauchboot erkunden, um in die Eisglitzerwelt einzutauchen und auf Augenhöhe der mehr oder weniger großen Eisberge herumzuschippern. Das „Eintauchen“ aber nicht wörtlich nehmen, auch wenn Zodiac Boat Tours alle Passagiere mit Kälteschutzanzug und Schwimmweste ausstattet.

Islands Natur ist oft fremd, überrascht aber immer wieder. Müll findet man keinen – Island-Besucher müssen Naturliebhaber sein und das, was sie vorfinden, zu schätzen wissen. Die Natur, ihre Gegensätze und Vielfalt, bezaubert und fasziniert auch Menschen, die es sonst nicht in Richtung Polarkreis zieht.

EIS ESSEN BEI REGEN, BURGER PROBIEREN, EISBERGE ANVISIEREN

Beste Reisezeit: Mai bis September
Anreise: ab Wien u. a. via Frankfurt mit Lufthansa, im Sommer mit Fly Niki nach Keflavík; Flugzeit circa vier Stunden; Zeitverschiebung MEZ minus zwei Stunden im Sommer. lufthansa.com; flyniki.com
Gut schlafen
Keflavík: Home Guesthouse: fünf Fahrminuten von Ort/Flughafen, unkompliziert auch bei nächtlicher An-/Abreise. booking.com.
Reykjavík: Plánetan Apartments, modern, großzügig und zentral am alten Hafen, planetapartments.is.
Selfoss: ION Iceland, puristisches Haus, Mitglied der Designhotels, einsam gelegen, fantastische Küche, beschilderte Wanderwege ab Hotel, ioniceland.is.
Vík: Icelandair Hotel: im Sommer 2014 eröffnet, modern, icelandairhotels.com/de/hotels/vik.
Gut essen: Hamborgarafabrikkan (Hamburger Factory), best burger in town, 15 Varianten, beliebig zusammenzustellen, unbedingt probieren: fabrikkan.is
Eissalon Valdis: Schlange stehen lohnt bei jedem Wetter. valdis.is
Bezahlen: alles mit Kreditkarte, kein Umtausch nötig; Währung: Isländische Kronen.
Sicher unterwegs: Wer in der Einsamkeit unterwegs ist, kann mit einer App (safetravel.is) seine Route per GPS aufzeichnen lassen. Über einen Notfall-Button, und nur dann, werden die Daten ausgelesen und die Rettung alarmiert. Notruf: 112.
Wetter: Icelandic Meteorological Office: vedur.is
Wegstrecken ermitteln: vegvisir.is
Gut ausgerüstet: Zwei isländische Firmen, spezialisiert auf funktionelle, modische Outdoor-Kleidung: zo-on.is, 66north.is
Gut vorbereitet: Lesereise „Island“, Susanne Schaber, Picus Verlag. Merian live mit Karte zum Herausnehmen.
Blaue Lagune: bluelagoon.com
Thingvellir: thingvellir.is
Goldener Wasserfall: gullfoss.is
Eyjafjallajökull-Besucherzentrum: icelanderupts.is (Mai-September)
Schlauchboot-Tour an der Gletscherlagune Jökulsárlón, Ice Lagoon Zodiac Boat Tours: icelagoon.com
Info: Die Autorin war auf eigene Kosten unterwegs.

Web: www.visiticeland.com, www.iceland.is, www.islandreise.info

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2015)

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