Die kroatischen „Rothäute“ sterben nie aus

Der Schatz im Silbersee
Der Schatz im Silbersee(c) ORF
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Jubiläum. 50 Jahre ist es her, dass Winnetou gestorben ist – in einem der 18 Filme, die in Kroatien gedreht worden sind. Immer noch pilgern viele Fans zu den Drehorten, und heuer wahrscheinlich mehr als sonst.

Sie kommen jedes Jahr an dieselben Orte, schauen sich dieselben Fotos und Filme an und erzählen sich dieselben Geschichten. Am Ende freuen sie sich darauf, dass sie im nächsten Jahr all das wiederholen können. Anfang Juni pilgern sie ins nördliche Dalmatien, treffen sich mit Gleichgesinnten und zelebrieren ihre Idole. Und das geht nun schon seit einem halben Jahrhundert so. Die Plitvicer Seen, die Krka-Wasserfälle, die tiefen Schluchten des Zrmanja-Flusses und die grandiosen Felsskulpturen des Velebit-Gebirges waren in den Sechzigerjahren Schauplätze der legendären „Winnetou“-Filme. Die deutschen Filmteams machten aus dem sozialistischen Osten den Wilden Westen. Hier gab es viel Landschaft und keine störenden Zivilisationsattribute wie asphaltierte Straßen oder Telefonleitungen. Hier konnte Winnetou mit seinem Hengst anmutig durch die Prärie streifen, seine Apachen vor bösen „Bleichgesichtern“ schützen und nach getaner Arbeit mit seinem Blutsbruder Old Shatterhand in den leuchtenden Abendhimmel reiten.

Angefangen hat es 1962 mit dem „Schatz im Silbersee“ – es wurden dann 18 Filme, die in der damals noch jugoslawischen Pampa zur Traumwelt von Millionen wurden. Eigentlich müssten die Fans im oder nahe am Pensionsalter sein. Aber sie werden auch nicht weniger, was vor allem daran liegt, dass die Wildwestdramen im TV ähnlich unsterblich und in einer permanenten Wiederholungsschleife laufen wie die „Sissi“-Filme. Nur mit dem Unterschied, dass es weder Winnetou noch Old Shatterhand gegeben hat und sich der Sachse Karl May für seine Bücher alles ausgedacht hatte, ohne die Jagdgründe der Apachen erblickt zu haben. Aber das haben die Leser ja auch nicht. Heute pilgern die Hardcore-Fans Anfang Juni zu der Veranstaltung „Auf Winnetous Spuren“ nach Starigrad, üben sich beim Reiten und Bogenschießen, sitzen dann müde am Lagerfeuer wie arme „Indianer“, die zu Fuß die Büffel jagen mussten. Sie fahren mit Touristenbooten durch die Schlucht des Zrmanja und treffen sich bei der Winnetou-Ausstellung im Hotel Alan, wo damals auch die Filmteams gewohnt haben.

Das gefällt auch Marin Marasović. Er sitzt in seinem Hotel in Starigrad und erzählt von den Touren, die er mit den Gästen unternimmt. Draußen parken die Landrover Defender, mit denen er die Wildwestnostalgiker durch das Gelände kutschiert, damit sie einmal auf dem Plateau stehen können, wo früher das Pueblo der Apachen aufgebaut war. Das Plateau über dem Zrmanja-Fluss war damals ein Dauerbrenner, diente als Drehort bei „WinnetouI“ und „WinnetouIII“ und diversen anderen Produktionen.

Auch der Canyon Velika Paklenica ist nur ein paar Minuten entfernt und hat in mehreren Filmen als Kulisse gedient. Winnetou-Fans könnten sich hier theoretisch für mehrere Monate mit alten Drehorten beschäftigen. Dafür gibt es Bücher, Broschüren und spezielle Landkarten und natürlich auch geführte Exkursionen, wie sie Marin anbietet.

Straße der Habsburger

Die Reise ins Reich der Apachen geht aber nicht ohne den Ausflug hinauf zum Tulove Grede ganz oben im Velebit-Gebirge. Von der neuen Autobahn zweigt eine alte Schotterstraße ab, die die Habsburger 1832 bauen ließen und die sich mit engen Kehren steil bergauf schlängelt. Die Ruinen der alten Raststation machen unterwegs schon Stimmung, bis dann die Tour neben einer langen Windmauer endet. Auf der Rückseite der Mauer ist ein grauer Postkasten angeschraubt. „Karl May Fanbox“ steht auf dem Deckel. Direkt gegenüber hat einer einen roten Pfeil und das Wort „Winetu“ auf den Fels gepinselt. „Hier sind so viele Geschichten gedreht geworden“, sagt Marin, „hier geht es um große Gefühle.“ Ein kurzer Fußmarsch vorbei an den Felsen bringt die Fans zu den Steingräbern von Nscho-Tschi, Winnetous Schwester, und von seinem Vater. Aber es wird noch schlimmer. Ein Stück weiter oben im Fels dann die Stelle, wo Winnetou starb, wo er sich schützend vor Old Shatterhand warf, als der Bösewicht Rollins auf ihn geschossen hat. Marin hat für seine Touren immer Bücher parat, in denen originale Filmszenen abgebildet sind und er dann zeigen kann, dass sich da wenig verändert hat. Früher sind auch die Schauspieler regelmäßig nach Dalmatien kommen. Pierre Brice war mehrmals da, auch Marie Versini, die seine Schwester spielte. Und auch der Sohn von Old Shatterhand alias Lex Barker kam zu den Treffen. Lex Barker starb schon früh, 1973, nur 54 Jahre alt. Pierre Brice hat vor gut zehn Jahren seine Autobiografie mit dem Titel „Winnetou und ich“ geschrieben.

Ein Ende der Winnetou-Pilgerfahrten ist nicht abzusehen. Vergangenes Jahr war ein Fernsehteam im Land und drehte den Film „Winnetous Weiber“ für die ARD, bei dem deutsche, von der Wildwestromantik infizierte Frauen die Drehorte der heiß geliebten Filme suchten. Dass erstaunlich viele jungen Leute auf Winnetous Spuren unterwegs sind, bestätigt auch Marin Marasović. Er macht sich wenig Sorgen um sein Geschäft als Apachen-Scout. „Heuer haben wieder einige Filme ihr fünfzigjähriges Jubiläum“, sagt er ganz entspannt und nippt am Kaffee, „da wird schon wieder einiges los sein bei uns.“

WINNETOUS SPUREN


Anreise: Mit dem Auto über Graz, Maribor, Zagreb (630 km). Oder mit Croatia Airlines oder Austrian von Wien nach Zadar via Zagreb.

Übernachten:Hotel Rajna. Der Hausherr des Zweisternehotels im Zentrum von Starigrad bietet auch Touren auf den Spuren von Winnetou an. hotel-rajna.com
Blue Sun Hotel Alan: Mittelklassehotel mit All-inclusive in Starigrad. Karl-May-Museum und Winnetou-Ausflüge. hotel-alan.hr


Essen & Trinken: Konoba Kod Bunara Posedarje. Uriges Lokal mit guter regionaler Küche und frischem Fisch.
Informationen: Kroatische Zentrale für Tourismus, Liechtensteinstr. 22A, A-1010 Wien; croatia.hr

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2015)

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