Gegenwartsmönche und viel Gesäuse

BIBLIOTHEK STIFT ADMOND
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Steiermark/Nationalpark Gseis. Das Stift Admont besitzt die größte Klosterbibliothek der Welt und vor der Haustür die Kalksteinformationen des wilden Gesäuses, dessen Naturschönheiten seit 2002 als Nationalpark geschützt sind.

Die großen Flügeltüren zum Bibliothekssaal öffnen sich mit leichtem Knarren und bieten einen überwältigenden Anblick auf den 70 Meter langen Raum mit prachtvollen Folianten auf Regalen, die bis unter die bis zu zwölf Meter hohe Decke reichen. Nach einer mehrjährigen Generalrestaurierung präsentiert sich die Stiftsbibliothek in alter spätbarocker Pracht. Die sieben gewölbten Kuppeln zieren farbige Fresken, mit Musen, die das Licht aufgeklärten Denkens oder die Kunst des Buchdruckens darstellen. Die Stirnseiten dekorieren geschnitzte Reliefs von Josef Stammel, einem begnadeten Barockbildhauer, Schnitzer und Zeichner, dessen Wirken in allen Stiftsräumen zu finden ist. Von ihm stammen auch die überlebensgroßen Figuren von Propheten, personifizierten Tugenden sowie der „Vier letzten Dinge“ – Tod, Gericht, Hölle und Himmel, die bei unterschiedlicher Beleuchtung unheimlich wirken können.

Seit der Gründung ihrer Abtei vor rund 900 Jahren leben die Mönche nach dem Wahlspruch des Ordens „Ora et labora et lege – bete und arbeite und lese“ und den benediktinischen Regeln, die der Einsiedler und Ordensgründer Benedikt von Nursia vor rund 1500 Jahren im Bergkloster Montecassino niedergeschrieben hat. Das Stift Admont nur als erfolgreich zu beschreiben wäre eine glatte Untertreibung. Die 26 Mönche und Padres treffen sich mehrmals am Tag für das gemeinsame Chorgebet und die Messe. Dazu betreuen sie 26 Pfarren, betreiben ein Stiftgymnasium mit 700 Schülern und ein Seniorenpflegeheim. Eine neu erbaute Begegnungsstätte in Graz bietet zusätzlich Wohnungen für acht Studierende. Hinzu kommen die wirtschaftlichen Aktivitäten. In mehr als einem Dutzend Betrieben von der Forstwirtschaft, Holz- und Immobilienunternehmen bis zu Skilift, Restaurants, einem Hotel und dem Weingut im südlichen Slowenien arbeiten rund 500 Angestellte zum Wohle des Stifts.

Made for Admont

Auch die multimediale Stiftpräsentation und der weitere Bereich des Museums zeigen, dass hier keine weltfremden Eremiten leben. Kunst war auch immer Auftragskunst, nicht selten veranlasst durch Kirchenfürsten. So zeigt das moderne kunsthistorische Museum Altäre, Skulpturen und Ornate aus mehreren Jahrhunderten. Unter dem Motto „Made for Admont“ beauftragt das Stift auch Zeitgenössische, mit ihren Werken das Museum für Gegenwartskunst zu bereichern. So erreicht das Kloster eine weltliche und geistige Ausstrahlung mit teilweise verblüffend direktem Bezug zu kulturellen Modeerscheinungen, der auch vor Comics nicht zurückschreckt.

Ein Imagetrailer des Stifts auf YouTube zeigt die Schätze des Klosters, aber ebenso eindrucksvoll die Landschaften der Ennstaler Alpen und des Nationalparks Gesäuse. Steinadler kreisen am Himmel, und wer geduldig wartet, wird auch Gämsen im schroffen Fels beobachten können und bei Wanderungen auf den Almen den Pfiff von Murmeltieren hören. Vom Insektenreichtum der Natur des Gesäuses profitierte Benediktinerpater Gabriel Strobl, der bis 1925 insgesamt 44 Jahre lang den Bestand des Naturhistorischen Museums im Stift aufgebaut und dabei eine kaum glaubliche Insektensammlung von einer Viertelmillion Tieren aus über 50.000 Arten zusammengetragen hatte.

Seit 2002 steht das 11.300 Hektar große Areal des bewaldeten Kalksteingebirges, in dem die Enns im Lauf von Jahrmillionen ein Durchbruchstal mit bis zu 1800Metern aufragenden Steilwänden geschaffen hat, als jüngster Nationalpark Österreichs unter Naturschutz. Das Donnern und Brausen des Flusses in der 15 Kilometer langen Schlucht durch das Gesäusegebirge gab der ganzen Region und dem Nationalpark den Namen Gesäuse (steirisch: Gseis). Die Enns mündet nach ihrem langen Weg durch die Steiermark und Oberösterreich bei Mauthausen in die Donau. Im Nationalpark wird der Wildwasserfluss, der anderswo mehr als einem Dutzend Kraftwerken Energie spendet, nicht reguliert. Wild und durchaus anspruchsvoll für Wanderer und speziell für Kletterer sind die Berge, wie herausfordernd, das zeigt der Bergsteiger-Friedhof in dem von steilen Felswänden eingerahmten grünen Johnsbachtal, für viele „das schönste Ende der Welt“. Der Gottesacker gedenkt der rund 500 seit 1810 verunglückten Bergsteiger, die zum Beispiel „durch Absturz vom Hochthor in den frühen Tod“ oder „durch Steinschlag“ in einer Wand des 2197 Meter hohen Scheiblingsteins ums Leben gekommen sind. Doch wer Ruhe und das intensive Naturerlebnis sucht, kann auf bestens ausgebauten Wanderwegen eine abwechslungsreiche Szenerie erleben, die auf engem Raum verträumte Rastplätze an der Enns, in der Sonne gleißende Kalkfelsen, schattige Wälder in tief eingeschnittenen Schluchten und weißgraue Schotterwüsten verbindet. Ein eindrucksvolles Erlebnis, vor allem im Herbst, wenn sich Morgennebel dekorativ aus den Tälern erheben und den Blick auf die in einem Farbenrausch verwandelte Landschaft freigeben.

STIFT UND NATIONALPARK

Benediktinerstift Admont, A-8911 Admont 1, +43/(0)3613/2312 604, Stiftadmont.at
Nationalpark Gesäuse, Infobüro in Admont, Hauptstr. 35, +43/ (0)3613/ 2116020, Nationalpark.co.at
Unterkunft: Hotel die Traube, Hauptstr. 3, Admont, +43/(0)3613/2440 0, Hotel-die-traube.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2015)

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