Lissabon: Morgenmelancholie mit Delfinen

Delfin-Sichtung
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In der Mündung des Sado-Flusses leben 27 Delfine. Wer sie besuchen will, lernt die grandiose Natur der Halbinsel Tróia kennen. Und wie schön es sein kann, wenn nichts passiert.

Tróia liegt im Trüben. Das Meer ist grau wie der Himmel. Die schwere Ankerkette eines Frachtschiffs hängt schräg ins Wasser. Sie könnte ein Sinnbild sein: Die Zeit steht still, nichts passiert. Nur wir lärmen durch die träge Szenerie. Der Außenborder des Schlauchboots durchpflügt die Stille. Am Heck schäumt das Wasser, das hier halb Meer, halb Fluss ist.

Tróia ist eine 18 Kilometer lange Halbinsel im Süden von Lissabon bei Setúbal. Man kann dort eine alte römische Siedlung besichtigen. Man kann sich einen einsamen Platz irgendwo an diesem kilometerlangen Sandband suchen, das die Halbinsel umgibt. Man kann, wenn man Geld hat, in den wunderbaren Casas na Areia wohnen. Manuel Aires Mateus hat dieses besondere Hotel entworfen, das aussieht, als wären es einfache Fischerhütten im Nirgendwo.

Unser Ziel ist der kleine Jachthafen. Ein Designhotel posiert an der Mole mit seiner verglasten Fassade. Nebenan ist das Casino. Alles sieht modern und teuer aus. Wir wollen hier aber nicht bleiben, sondern steigen in einen schicken Katamaran um.

Szenenwechsel. Lissabon ist voll an diesen Sommertagen. Die Besucher quetschen sich in die alte Tram Nummer 28, die quietschend und ruckelnd vom Chiado durch die Baixa hinauf in die Alfama kurvt. Sie drängeln sich in die Kirche des Jerónimos-Klosters, sitzen zu Hunderten im A-Brasileira-Café oder der Pastelaria Bénard – die schöne Stadt des Lichts ist ein typisches Städtereiseziel. Man kommt für ein paar Tage, bleibt meist in der Stadt, macht allenfalls einen Ausflug nach Sintra oder Cascais und fliegt wieder zurück.

Doch was ist mit dem Süden? Was gibt es jenseits der stolzen Hängebrücke und der riesigen Christusfigur? Um das herauszufinden, bucht man am besten einen Mietwagen. Anders als die Seebäder Estoril und Cascais, die man einfach mit der Bahn erreicht, ist die Verbindung mit Setúbal und den rund 20 Kilometer langen Ständen der Costa de Caparica komplizierter.

Es ist immer noch grau am Sado-Fluss. Wir sitzen auf dem Katamaran, liegen in den Netzen zwischen den Rümpfen und genießen das Platschen der Wellen und das Schweigen. Hier soll es Delfine geben. Wir schippern schon seit einer Stunde durch den Morgen, haben aber noch keinen Tümmler gesehen. Erstaunlich genug, dass es die hier gibt. Pedro Vieira, Guide und Experte im Naturpark an der Sado-Mündung, meint, dass Vergleichbares in Europa nur noch in Irland und Schottland zu finden sei.

Raiz, der Große Tümmler

Falls einer der 27 Großen Tümmler auftaucht, könnten wir ihn mit seinem Namen ansprechen, der Älteste sei leicht zu erkennen, sagt Pedro. Er habe eine hellgraue Finne, sei 43 Jahre alt und heiße Raiz. Der Jüngste ist zwei Jahre alt.
Der Kapitän gibt nicht auf. Er will der gemischten Gruppe aus Journalisten und Touristen unbedingt beweisen, dass es hier Delfine gibt. Wir fahren den Fluss hinauf und wieder hinunter, dümpeln an der Schwelle zum offenen Meer, bewundern die Strände rund um Tróia und fotografieren die Mini-Insel aus hellem Sand, die neben einem Leuchtturm aus dem Meer lugt.

Eine angenehme Melancholie hat die Bootsgäste erfasst. Fast hätte man sich ganz in diesem zeit- und irgendwie schwerelosen Gefühl des Vormittags verloren, als an Bord leichte Unruhe ausbricht. Das Grau des Himmels reißt auf. Erst schimmert ein zartes Hellblau, dann brennt sich die Sonne durch das immer größer werdende Wolkenloch.

Vielleicht haben auch die Delfine auf die Sonne gewartet, denn plötzlich schwimmen sie neben unserem Boot. Ab und zu tauchen sie für ein paar Minuten ab, dann gleiten und springen sie wieder in ihren schönen Wellenbewegungen durchs Meer. Sie scheinen keine Angst vor dem Katamaran zu haben. Der Kapitän ist sich sicher, dass sie das Boot kennen. Liegt es nur an ihrer Schnauze, die aussieht, als würden die Meeressäuger lächeln? Man freut sich einfach, diese Tiere zu sehen. Wir sind sicher, dass auch Raiz, der Senior, dabei war. Eine Weile noch gleitet der Katamaran durch die Flussmündung. Einmal folgen die Meeressäuger uns, dann wieder wir ihnen, und am Ende weiß niemand, was schöner war: das Warten in der Stille am Morgen oder die Delfine endlich zu sehen.

Warten auf die Delfine von Tróia

Anreise: Wien–Lissabon–Wien z. B. mit TAP Portugal (382 €), flytap.com
Vom Flughafen ins Zentrum verkehrt alle 20 Minuten der Aerobus (3,50 €).

Setúbal liegt rund 40 km südlich von Lissabon. Zur Halbinsel Tróia verkehrt ab dem Hafen Setúbal in kurzen Abständen eine Fähre.


Delfin-Touren: Vertigem Azul
Rua Praia da Saúde 11D, Setúbal
Tel. (+351) 265 238 000
vertigemazul.com. [ Lothar Schmidt ]

www.visitlisboa.com, vertigemazul.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2015)

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