Intelligenzbestie Flughafen

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Innovationen. Das Internet der Dinge hält Einzug in die Abflughallen. Flughäfen und Airlines rüsten ihre IT-Infrastruktur mit Beacons und Sensoren aus.

Das nächste große Ding ist winzig klein: Beacons, kleine Minisender, kommunizieren via Bluetooth mit dem Smartphone und erlauben dem Besitzer, auch in geschlossenen Räumen zu navigieren. In den USA verfügen tausende Supermarktfilialen über solche Minisender, die dem Kunden Rabatte auf das Handy senden. Und auch immer mehr Flughäfen statten ihre Terminals mit Beacons aus. Der Miami International Airport hat als einer der ersten Flughäfen weltweit Beacons (engl. Leuchtfeuer, Leitstern) in allen Gebäudetrakten installiert – von der Eingangshalle bis zur Gepäckausgabe. Die IT-Infrastruktur steht sowohl Airlines als auch Shops zur Verfügung.

Beispielsweise können Duty-free-Shops Passagieren Rabattgutscheine auf dem Smartphone offerieren. Die Technik erlaubt es Airlines, ihren Passagieren den Weg zum Check-in zu weisen. American Airlines testen die Technologie derzeit am Flughafen Dallas. Und auch der Low-Cost-Carrier Easy Jet nutzt Beacons, um Passagieren Textnachrichten auf das Handy zu schicken. Wenn sich der Reisende dem Check-in-Schalter nähert, erhält er auf dem Smartphone eine Nachricht, Boarding-Pass und Personalausweis bereitzuhalten. So kann die Abfertigung am Schalter beschleunigt werden. Die Minisender sind an neuralgischen Punkten des Airports installiert. Das Smartphone nimmt den User an die Hand und lotst ihn durch das oft chaotische Gedränge an Flughäfen.

Am Airport Helsinki wurden Dutzende Sensoren in den Terminals installiert, die den Fluss der Passagiere überwachen sollen. Die Technik, die von Walkbase stammt, verfolgt die Position der Passagiere vom Parkplatz bis zum Gate. Wifi-Router und iBeacons empfangen diskret Signale von Smartphones – entweder passiv, indem sich der Nutzer in das Wifi-Netzwerk einloggt oder aktiv, wenn er eine App nutzt. Der intelligente Flughafen weiß, an welchem Ort sich die Passagiere gerade aufhalten. Mit der Standortbestimmung soll der Verkehrsfluss in den Abflughallen optimiert, Staus sollen vermieden werden.

Denkbar wäre etwa, dass Passagiere, die in einer Warteschlange vor der Sicherheitsschleuse stehen, Push-Nachrichten bekommen, sich an die weniger überfüllte Kontrolle zu begeben. Oder Infos über einen Gate-Wechsel auf ihr Handy erhalten. Auf diese Weise können freie Kapazitäten besser genutzt werden. In einem Papier des Technologiemarktführers Sita, der bereits mehrere Airports mit Beacons ausgestattet hat, heißt es: „Der intelligente Flughafen wird proaktiv, kollaborativ und in der Lage sein, den Strom der Passagiere vorherzusagen, um allen Akteuren und Passagieren Informationen in Echtzeit zu liefern. Sita schätzt, dass die Flughäfen weltweit allein im letzten Jahr sieben Milliarden US-Dollar in ihre IT gesteckt haben – Tendenz steigend.

Prognose für die Wartezeiten

Der Flughafen Brüssel-Zaventem wurde unlängst mit Sensoren ausgestattet, mit denen die Fluggäste über ihr Smartphone getrackt werden. Wenn das Gerät nach einer Wifi- oder Bluetooth-Verbindung sucht, empfangen die Sensoren die MAC-Adresse, eine einzigartige Erkennungsnummer der Hardware, und können damit den Standort des Nutzers bestimmen. Das System weiß somit, wie viele Personen sich aktuell in einem bestimmten Sektor aufhalten, und kann eine Wartezeit bis zum nächsten Punkt berechnen. Wenn der Fluggast beispielsweise in der Schlange vor der Sicherheitskontrolle steht, wird ihm die durchschnittliche Wartezeit angezeigt. Auch am Flughafen in Austin (Texas) werden Daten von Access Points und MAC-Adressen dazu genutzt, die Wartezeit am Check-in-Bereich vorherzusagen. Der Passagier kann also dorthin gehen, wo die Wartezeit am geringsten ist. Gleichwohl bestehen datenschutzrechtliche Bedenken gegen diese Praxis. Der Passagier kann auf den Meter genau geortet werden – und wird gläsern. Die Flughafenbetreiber betonen jedoch, dass die Daten anonymisiert werden und keine Rückschlüsse auf Personen zulassen.

Auch die Wearable-Technologie wird immer bedeutender. Letztes Jahr wurden Businessclass-Passagiere der britischen Fluglinie Virgin Atlantic am Londoner Flughafen Heathrow vom Bodenpersonal mit Google Glass begrüßt. Sie müssen ihnen wohl wie futuristische Cyborgs vorgekommen sein. Die Stewardessen scannten mit Google Glass die Boarding-Pässe.

Am Flughafen in Edinburgh kommt die Datenbrille ebenfalls zum Einsatz. Passagiere von Iberia können neuerdings auch mit einer App der Smartwatch Samsung Gear2 einchecken. Das Flugticket trägt man in Zukunft bequem am Handgelenk. Die Flugbegleiter von Japan Airlines am Flughafen in Tokio tragen Smartwatches, um schneller auf Kundenwünsche einzugehen. Mittels Beacon-Technologie kann das Management genau verfolgen, wo sich die Mitarbeiter aufhalten und so Personalressourcen effizienter einsetzen. Ob ein solches Kontrollregime hierzulande zulässig wäre, ist allerdings fraglich.

TOTALE TRANSPARENZ

Mehr als die Hälfte der Passagiere, so schätzen die Analysten von Sita, wird bis 2016 das Mobiltelefon für Fluginformationen und die Abfrage des Gepäckstatus nutzen. 61 Prozent der Airlines werden derlei Status-Updates im nächsten Jahr aufs Handy schicken und 79 Prozent der Flughäfen Informationen wie Wartezeiten an Schaltern und Sicherheitsschleusen zur Verfügung stellen.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2015)

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