Ostfriesland: Frische Brisen für den weiten Horizont

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Schiffe, Leuchttürme und Windmühlen, Otto Waalkes und satte Schafe.

Keine Staus, keine Hektik, bis zum Horizont nur Watt und Wasser. Und dann fallen lassen, in den friesisch-herben Sandstrand, vom Wind zerzauste Dünengräser und Möwengeschrei. Man muss nicht Mann sein und Bier mögen, um diese Landschaft als charmant zu empfinden, Wind und Windmühlen, Meer und Watt.

Ostfriesland ist so erfrischend wie die stete Nordseebrise, die hier meistens weht. Und vor allem ist es – brettleben. Die höchsten Erhebungen sind Deiche, die das Land von der See abschirmen. Bis dahin wandert der Blick, so weit – wie das friesische Sprichwort sagt, dass man schon heute sieht, wer morgen zu Besuch kommt. Um die Friesen kennenzulernen, fängt man am besten in Wilhelmshaven an, der Küstenstadt am Jadebusen, einer großen Meeresbucht voller Nordsee. Die 80.000-Einwohner-Stadt ist wie ein Portal – nach Ostfriesland, zur Nordsee und damit zur weiten Welt. Begründet vom flottenverrückten Kaiser Wilhelm II. lief die kaiserliche Marine von hier aus die Kolonien in Afrika, Asien und Ozeanien an. Heute ist Wilhelmshaven Leitstützpunkt der Deutschen Marine und einer der größten Marinehäfen Westeuropas.

Die Schlicktowner, so ihre Eigenbezeichnung, haben nicht nur viel Watt, sondern auch viel Wasser unterm Kiel: mindestens zehn Häfen ringsum, Vorhafen, Nordhafen, Ausrüstungshafen, Arsenalhafen, Verbindungshafen, Großer Hafen, Handelshafen, Kohlenhafen, Kanalhafen, Innenhafen mit der größten Schleuse Deutschlands und seit 2012 auch den Jade-Weser-Port, Deutschlands einzigen Tiefwasserhafen.

Backbord? Ein Kuchenblech?

Der Hafen mit Superlativ ist auch Namenspatron des wichtigsten Events an der Küste, wenn man das größte Labskausessen der Welt nicht berücksichtigt. Als älteste Traditionssegler-Regatta der deutschen Nordseeküste zieht der Jade-Weser-Port-Cup tausende Menschen an den Bontekai. Das Schöne daran: Mit den Profis können auch absolute Landeier mitsegeln, die Backbord für ein Kuchenblech halten. So etwa auf dem Großsegler Artemis, dem Regattasieger von 2004. Als norwegischer Walfänger war das 1926 erbaute Schiff lang im nördlichen Polarmeer unterwegs. Heute kreuzt der Dreimaster in gemäßigten Gewässern, modernisiert mit Doppelkabinen für zahlende Gäste.

Noch mehr Schiffsgiganten gibt es im Großen Hafen zu sehen, und eines davon hat de facto felsenfest festgemacht: die MS Columbia. Das erst vor wenigen Jahren eröffnete Hotel ist in seiner Architektur einer Megajacht nachempfunden. Auch das Interieur erinnert mit edlen Hölzern und messingpolierten Relings an die Tradition der großen Übersee-Liner. Selbst in Kulinarik und Wellness setzt die Bordcrew thematisch die Segel, im maritimen Restaurant Harbour View, im Seven C's Club und auch im Spa auf Deck eins heißt es: Gehen Sie an Bord für eine Massage-Reise rund um die Welt!

Gleich nebenan liegt die gute alte Dampfschiff-Ära, die Kapitän Meyer: Der letzte mit Dampf betriebene deutsche Seetonnenleger wurde am Bontekai vertäut. Bis 1983 war er als Seezeichendampfer und Versorger für die in der Nordsee stationierten Feuerschiffe und die Insel Helgoland im Dienst. Heute kann man auf dem Museumsschiff in den im Original erhaltenen Kabinen nächtigen.

Es wären nicht die Ostfriesen, hätten sie nicht die originellsten Unterkünfte für ihre Besucher hergerichtet: Heubetten, Schlafen unter Reet oder in Windmühlen, von denen es hier noch etwa 90 gibt. Die Widersacher von Don Quixote sind schon von Weitem über dem flachen Grün zu sehen, etwa die Hager Mühle bei Norddeich, ein fünfstöckiger Bau und mit 30,2 Metern die höchste Windmühle Deutschlands.

Noch origineller nächtigt man in einem Leuchtturm. Einer davon hat zwar kein Bett, lässt sich jedoch besichtigen: Gelb-rot geringelt thront er seit 1888 auf einem Deich bei Pilsum, weltweit bekannt hat ihn ein Ostfriese gemacht: Otto Waalkes. Heute hat der Elfmeter-Turm ein Standesamt. An die 200 Paare trauen sich jedes Jahr in Ottos Leuchtturm. Ostfriesisch originell sind auch Trauungen in einem Badekarren auf Norderney direkt am Strand.

Und in der inseleigenen Hochtiedsstuv steht das Hochzeitsbutzenbett gleich neben dem Schreibtisch der Standesbeamtin.

ORIGINELL SCHLAFEN IN OSTFRIESLAND

Event-Tipp: Jade-Weser-Port-Cup
Traditionssegler-Regatta mit Start am 4. Oktober 2014
www.wilhelmshaven-touristik.de


Unterkünfte mit maritimem Flair

Hotel im Jachtdesign: Columbia
Viersterne-Superior-Hotel mit 145 Zimmern und Suiten, ausgezeichnete Kulinarik: BBQ auf der Terrasse, Fischräucherei, Restaurant Marco Polo mit einem Guide-Michelin-Stern.
www.columbia-wilhelmshaven.de

Schlafen an Bord: Dreimastsegler Artemis. Die größte holländische Bark mit 16 Kabinen mit Dusche, WC; Salon, kleine Küche.
www.tallship-artemis.com

Schlafen am Kai: Kapitän Meyer. Das letzte seegehende Doppelschrauben-Dampfschiff Deutschlands.
www.sk-stoertebeker.de, www.wilhelmshaven-touristik.de

Bett im Leuchtturm:
Leuchtfeuer zur Miete
www.ostfriesland.de

„Bett im Kornfeld“
Friesische Mühlentour: 250 km Radwandertour, 40 ostfriesische Windmühlen; Mühlenunterkünfte.
www.stoertebekerland.de

Trau dich im Schlafzimmer: Hochtiedsstuv
Als Standesamt ausgewiesenes Fischerhaus auf der ostfriesischen Insel mit historischem Butzenbett. Auch ohne Trauung buchbar.
www.stadt-norderney.de

Bed & Badehaus:
Inselloft. Neues Konzepthotel auf Norderney, mit Wohnen, Spa, Deli, Bäckerei und Sauna mit Blick ins Seegrasgrün.
www.inselloft-norderney.de

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2015)

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