Die Pariser Landluft schnuppern

La Recyclerie
La Recyclerie (c) Instagram
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Hühner, Schafe, Küchenkräuter, dazu eine Imkerei und Kantine, in der Möbel repariert werden. La Recyclerie in der urbanen Brache zieht eine aufgeweckte Klientel an.

Die Örtlichkeit von La Recyclerie ist nicht nur für Stadtplaner interessant angesiedelt. Im ehemaligen Bahnhof Ornano, 50 Meter hinter dem berühmten Pariser Flohmarkt an der Porte de Clignancourt, eingepfercht zwischen Stadtautobahn und ein paar verwahrlosten Wohnhäusern, schnuppert nun eine neue Klientel Landluft: Szenevolk, Erasmus-Studenten und ein paar Anrainer, die es selbst noch gar nicht fassen können, dass ihr herabgekommenes Viertel plötzlich so hip ist. La Recyclerie, eine Bürgerinitiative, die ihre Mitbewohner für Klimawandel und Umweltschutz sensibilisieren will, hat sich vor einigen Monaten in dem ehemaligen Bahnhofsareal angesiedelt. Zyniker sprechen eher von ökofreundlichen Idealisten. Mitglied wird man jedenfalls mit 25 Euro im Jahr, mitmachen darf aber jeder.

Bienen, Räder, Yoga

Die alternative Kantine mit Kräutertees, Kaffee und Snacks von Quiche bis Salat erweckt bei den Gästen keine nostalgischen Gefühle. Sie kennen das Ambiente bereits aus diversen Lifestyle-Blogs, die wackeligen Holztische stammen vom Sperrmüll, was hier niemanden irritiert, ganz im Gegenteil. Do it yourself wird hier wörtlich genommen. Zudem wird in der Recyclerie nicht nur zum Umweltbewusstsein, sondern auch zur Selbstständigkeit angehalten.

So schnappt man sich sein Duralex-Glas (made in France), setzt sich auf die Terrasse und sieht dem Imkerklub beim Werken zu: Die Warteliste für die Workshops der Recyclerie ist genauso lang wie bei Louboutin, wenn ein Modell in limitierter Auflage angekündigt wird. Auf dem Programm stehen Workshops zu wechselnden Themenschwerpunkten wie etwa die Herstellung von Naturkosmetika oder biologischer Weinbau. Selbst das Häkeln von Plastiksackerln kann man hier lernen. Bei Mama Petula, einer Art Krankenanstalt für Topfpflanzen, kann man sich Anleitungen zum Gärtnern holen und seinen Gummibaum sanieren lassen. Yoga und Sophrologie finden jedes Wochenende bei Schönwetter im Garten statt, die „Troc party“ jeden ersten Freitag im Monat. Zu dem Event bringt jeder, was er zu Hause nicht mehr braucht, um es zu tauschen. Täglich von zwölf bis 20 Uhr hantiert René in der Reparaturwerkstätte, wo man marode Toaster, Föhns oder Küchenradios abgeben kann – oder sich gleich selbst an der Reparatur beteiligen. Ganz besonders begehrt ist die Fahrradreparatur, die jedes zweite Wochenende im Monat stattfindet.

Der zur La Recyclerie gehörende 4000 Quadratmeter große Garten schlängelt sich terrassenförmig links und rechts der aufgelassenen Bahngleise entlang und hat alles, was ein Pariser Urban Gardener schätzt: Kräuterbeete mit Basilikum, Rosmarin und Thymian, einen Hühnerstall, Bienenstöcke und natürlich einen Komposthaufen. Ein schönes Stück Grün – und Symbol – in einer Stadt mit einer Bevölkerungsdichte von mehr als 21.000 Einwohnern pro Quadratkilometer – und einer im November bevorstehenden internationalen Klimakonferenz. www.larecyclerie.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2015)

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