Slowenien: Salzgärten im Zwischenland

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Salz ist Meer, das nicht in den Himmel zurückkehrt. In den Salzgärten bei Sečovlje wird es noch immer geerntet. Doch Arbeiter wohnen hier keine mehr.

Es ist nicht mehr Land und noch nicht Meer. Bleigrau breiten sich die gefluteten Salzgärten von Sečovlje östlich von Portorož aus. Es sind geometrische Landschaften aus Kanälen und Salzbecken, Dämmen und Wassersperren. Auf den Dämmen balancieren die verfallenen Häuser der Salzgärtner. Umrahmt werden die Anlagen von einer Vegetation, die sich gegen Salz und Sonne wehrt.

Schon vor 700 Jahren wurde Salz so gewonnen, wie es in den Salzgärten gezeigt wird. Das Salzwerkmuseum in einem alten Arbeiterhaus dokumentiert das Leben, ein Schau-Salzgarten das Arbeiten. Ein anderer Teil des 650 Hektar großen Areals dient der modernen Produktion. Die stillgelegten Teile der Salinen wurden zum Naturreservat erklärt. 270 Vogelarten nutzen es als Jagdgründe und Zugvögel als Winterquartier.

Der Weg vom Meerwasser bis zum Salz in der Suppe braucht Sonne, Wind und flache Küstenabschnitte, wie Flussmündungen sie bilden. Dort wurden Becken und Dämme angelegt. Salzwasser gelangt durch Kanäle und Pumpen in Verdunstungs- und Kristallisationsbecken. Von Becken zu Becken steigt der Salzgehalt des Wassers, bis es kristallisiert. Im August beginnt die Ernte, das Salz kam einst in die Hauslager der Arbeiter. Am Saisonende brachten es Boote ins Hauptlager von Portorož.

Das Salz ist reinweiß und hat eine Körnung von ein bis drei Millimetern. Die Kristalle haben Risse, offene und geschlossene Poren. Dadurch kann Salz besser gemahlen werden und ist im Wasser leicht löslich. Da es viel Magnesium enthält, eignet es sich zum Einsalzen von Fischen und für den Pršut. Das Salz aus Sečovlje ist in den Spezialitätenläden ganz Europas zu finden: handgeschöpftes, unbehandeltes Salz, in unterschiedlichen Körnungen, mit Kräutern des Karsts, in dunkler Schokolade.

Der Qualitätsunterschied zu anderen Meersalzen besteht in der Zucht des Sediments Petola auf den Böden der Salzfelder. Petola entwickelt sich aus Algen, die einst von der Insel Pag in die Salinen gebracht wurden. Die Petola-Kruste verhindert die Vermischung von Salz und Schlamm, daher wird sie gehegt und gepflegt.

Bevor der Salzgehalt des Wassers Ende des 19.Jahrhunderts mit dem Aräometer nach Beaumô gemessen wurde, behalfen sich die Salzgärtner mit einer ungeschälten Kartoffel. Ab einem Gehalt von 14 Bô beginnt sie zu schweben. Zwischen 25 und 27 Bô beginnt die Ausscheidung von Kochsalz. Es bleibt das „schwere Wasser“ und scheidet Bittersalze aus. Der Kurort Portorož entwickelte sich aus den Nebenprodukten der Saline. Mit „schwerem Wasser“ und Schlamm werden Erkrankungen behandelt.

Piran ist auf Salz gewachsen. Ihren Wohlstand erwarb sich die Hafenstadt mit der Salzgewinnung ab dem 14.Jahrhundert. Piran lieferte das weiße Gold nach Venedig. Mit den Venezianern wurde der Salzhandel zum Monopol. Davor war dieser in Istrien frei. Das Salz war für den Handel von großer Bedeutung, weswegen Venedig bemüht war, jeden Versuch, in österreichischen Kronländern Salzgärten anzulegen, zu unterbinden. Die Österreicher wiederum verkauften ihr Salz billiger als die Venezianer. Der Schmuggel blühte wie die Kristalle. Jedes Kind an der Küste kennt die Sage von Martin Krpan, der mit einem Sack Salz die Saline heimlich verließ und bis heute unerlöst durch die Welt geistert.

Zwischen den Stühlen

In einem der alten Häuser wird das Leben der Arbeiter und ihrer Familien anschaulich: Holzschuber für die Ernte, Loren zum Transport, windbetriebene Pumpen. Trinkwasser wurde in Tonkrügen aufbewahrt, die in Salz eingegraben wurden, um es frisch zu halten. Die Saison begann im April am Tag des heiligen Georgs, der bis heute mit dem Salinenfest in Portorož begangen wird. Die Familien verließen ihre Dörfer und übersiedelten in die Salzgärten. Die Boote waren beladen mit Töpfen und Bettzeug, Ziegen und Hühnern. Die Salzgärten lieferten Krebse und salzresistente Pflanzen, die zu Kochsalaten verarbeitet wurden. Georgio Petronio, einst Salzgärtner, erzählt: „Es hat an nichts gemangelt. Zweimal wöchentlich wurde Fleisch gekauft, jeden Montag kam der Barbier, Bäuerinnen brachten Milch und Obst. Sogar Speiseeis gab es.“

Die Arbeit in den Salzgärten war ein Nebenverdienst der Bauern, der in heißen, trockenen Sommern viel Salz einbrachte. War die Saison schlecht, regnete es zu viel, sodass weniger Salz gewonnen wurde, gediehen die Feldfrüchte besser. Regen oder Trockenheit: Beides war erwünscht, sodass das Herz der Bauern und Salzgärtner gespalten war: „Immer saß man zwischen zwei Stühlen.“

Es ist still, das Meer ist erschöpft. Der Himmel presst die Hitze auf die Salzgärten, und die Linien des Horizonts schmelzen. Wenn die Luft zu flirren beginnt, scheinen sich die Häuser aufzulösen. Ihre Schatten bleiben und bieten Zuflucht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2015)

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