Madeira: Subtropenparadies auf dem Vulkan

Madeira - Smaragd im Atlantik
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Drachenbäume, Mangos, Maracujas, Ananas, Minibananen – die Vulkaninsel ist ein Paradies für Pflanzen von allen Kontinenten, für Botaniker und Gartler, aber auch für Nebelwaldwanderer, Rodelfans und Weinliebhaber.

Colombo versenkt den Blick in einen Busch. Er ist der Star der Hotelanlage Quinta Jardins do Lago in Funchal auf Madeira. Alleinstehend, männlich, Rentner. Angreifen verboten. Vielleicht denkt die in einem Ei von den Galápagosinseln eingeschmuggelte Riesenschildkröte über den früheren qualmenden Gast nach, Altkanzler Helmut Schmidt. Dieser schrieb einst in der Quinta ein Buch und besuchte sie dabei öfter. Viele Tiere leben wie Colombo in privaten botanischen Gärten auf engem Raum an den Berghängen oberhalb der Altstadt von Funchal.

Die bohnenförmige Insel ist wie fast alle ozeanischen Inseln vulkanischen Ursprungs. Gut 1000 Kilometer von Lissabon entfernt, 500 Kilometer nördlich der Kanaren, 650 Kilometer westlich von Marokko: Madeira war immer weit genug entfernt, um sich selbstständig zu entwickeln. Im topografisch begünstigten Süden wohnen und wirtschaften 85 Prozent der Bevölkerung. Villen, Hotels und Landhäuser mit prachtvollen Gärten verstecken sich zwischen Bananenstauden, Zuckerrohrpflanzungen und Weingärten. Vor allem die Gärten und Parks bieten außer der reichen heimischen Flora noch ausgesuchte Schönheiten der Pflanzenwelt Japans und Australiens, Nord- und Südamerikas. Möglich ist dies durch die Lage der Insel zwischen gemäßigtem Klima und Tropen, gemildert durch die ozeanische Lage, ein Garten im Atlantik. Selbst der Drachenbaum, Quelle des Purpurs und des Reichtums der Phönizier, hat sich auf Madeira erhalten. So unterscheidet sich die Insel von den Mittelmeerinseln, selbst von den Kanaren und den Tropen. Es ist eine eigene Welt.

Den Zusammenhalt stärken

Geschäftsführer Duarte Silva zeigt Hotelanlage und Garten der Quinta Jardins do Lago. Die Führung durchs Haus: eher Pflicht für Silva. Helmut Schmidt wird auch nur beiläufig erwähnt. Dann aber sprudelt es aus ihm heraus: Nach Schildkröte Colombo führt er zu südamerikanischen und afrikanischen Bäumen, Sträuchern und Stauden, die Mangos, Maracujas, Ananas und Minibananen tragen. Schilder mit lateinischen Namen erinnern an botanische Gärten. Am Ende seines Weges stehen Gewächshäuser. „Ein Brand vernichtete einen Landstrich“, sagt Silva. „Jetzt topfen Bewohner des Viertels hier Pflanzen ein.“ Tatsächlich hockt eine Lehrerin zwischen Blumentöpfen auf der Erde. Dieses Projekt ist Silva wichtig, da es den sozialen Zusammenhalt unter den Bewohnern des Stadtviertels stärkt, eine Hotelanlage in eine Siedlung integriert, die sich von rein touristischen Anlagen wie auf Teneriffa abhebt.

Die Wine Lodge der Madeira Wine Company im Zentrum Funchals präsentiert die Weinkultur der Insel, etwa eine gut 400 Jahre alte Weinpresse und Spitzhacken zur Bearbeitung der Weinberge. Die Felder auf Madeira sind oft so klein, dass sie nicht gepflügt werden können – Leben und Arbeit der 4000 Weinbauern auf 2100 Hektar wird so sichtbar. Den kleinen Winzern stehen große Erzeuger gegenüber. Einst gab es 70 auf Madeira, heute sind es noch acht. Die Zeit der Weinlese, den September, feiern die Dörfer mit Festen, Blumen und Girlanden schmücken die Häuser. Im Dorf Santana nördlich von Funchal tanzen in Trachten gekleidete junge Leute zu Musik; sie klatschen und bewerfen einander mit Maiskörnern. Touristen sind eingeladen, mitzutanzen. Eigentlich ist das Bild der Freude paradox, denn fast die gesamte Landarbeit vollzieht sich noch mit der Hand.

Auf der gebirgigen Insel ist die Landwirtschaft oft mit Auf- und Abstiegen von mehreren hundert Metern verbunden: Wenn die Trauben in Körben zur Kelter getragen werden, lasten oft bis zu 75 Kilogramm auf den Schultern. Es ist eine große Summe mühseliger Arbeit im vermeintlichen Paradies. Ausdruck dieses arbeitsamen Lebens sind Volkstänze mit ihrer oft gebückten Körperhaltung, auch das bescheidene Auftreten der Einheimischen dürfte damit zusammenhängen. Während des Tanzes wird gezeigt, wie die Trauben mit den Füßen ausgepresst werden. Durch Vermischen verschiedener Sorten und lange Lagerung in Eichenfässern erhält der Madeira-Wein schließlich seinen charakteristischen Geschmack.

Im Gegensatz zum dicht besiedelten Süden überwiegen im dauerfeuchten Norden die kleinen Bauernhöfe. Es gibt dort kaum Hotels. Viele Häuser an der Küstenstraße sind von Blumen umgeben. Hecken aus Hortensien begleiten Bewässerungskanäle und Chausseen. Buchsbaum- und Efeuhecken ziehen sich bis in die Gebirgsregion in die Höhe. Der höchste Berg ist 1860 Meter hoch.

Unzählige Hortensien schmücken auch den 6,5 Kilometer langen Wanderweg Caldeirão Verde im Parque das Queimadas, der sich gut dazu eignet, die Wanderschuhe am ersten Tag einzugehen. Denn der Weg ist durch geringe Steigungen anspruchslos. Eine Gruppe singender junger portugiesischer Pfadfinder läuft an Kühle spendenden Levadas, Bewässerungskanälen, entlang. Das Wasser perlt an üppig wachsenden Moosen und Farnen hinunter. In den Kurven des Wegs plätschern kleine Wasserfälle, die auf dem Weg Bäche bilden, über die man leicht springen kann. Der Wasserreichtum der Insel liegt an dem aus abwechselnden Basaltdecken, Schlacken- und Tuffschichten aufgebauten, kräftig beregneten Bergland, das einen ungeheuren Wasserspeicher bildet, der dem häufigen Steigungsregen zu verdanken ist. Man fühlt sich hier fast wie in einer Saline, da es überall plätschert.

in meerwasser-lavapools baden, weinfeste feiern, in gärten lustwandeln

SHOPPEN
Old Blandy Wine Lodge:
Die Wine Lodge der Madeira Wine Company im Herzen Funchals ist sowohl Museum mit Einblick in die harte Arbeit der Weinbauern als auch Verkaufsstelle. Avenida Arriaga 28, Funchal
Mercado dos Lavradores: Eine quirlige Markthalle im Zentrum Funchals lädt zu schönen Fotos vom Bauernmarkt ein. Dort gibt es exotische, von der Insel stammende Früchte, Blumen und frischen Fisch. Largo dos Lavradores

SCHLAFEN
Quinta da Bela Vista: Hier verbrachten die schwedische Königin Silvia und Prinzessin Victoria ihren Urlaub. Es ist die älteste Quinta der Insel oberhalb Funchals. Bei großartigem Essen genießt man die tolle Aussicht über die Stadt. Caminho do Avista Navios 4, Funchal, +351/ 291 706 400. belavistamadeira.com
Quinta da Rochinha: Designhotel in Ponta do Sol auf einem hohen Felsen. Mit einem Aufzug fährt man zum Strand hinunter. Funchal liegt mit gut 25 Kilometern nicht weit entfernt. DZ ab 100 Euro. Caminho do Passo 6, Ponta do Sol. +351 291 970200. pontadosol.com
Quinta do Furão: Schön liegt die Quinta do Furão in Santana an der Steilküste in der Nähe des Wandergebietes Parque das Queimadas. DZ ab 140 Euro. Achada do Gramacho 9230−082 Santana. quintadofurao.com
Übersicht über die Quintas: quintasdamadeira.com

FEIERN
Weinfest in Santana: Im September ist die Zeit der Weinlese. Im nördlich von Funchal liegenden Dorf Santana tanzen in Trachten gekleidete junge Leute zu Musik. Touristen sind eingeladen, mitzutanzen. Preis: 25 Euro

ANSCHAUEN
Casas de Colmo: Hübsch anzuschauen: etwa hundert kleine, bunte und strohgedeckte Häuser in und um Santana, die wie Puppenhäuser erscheinen. Sie waren typisch für die Insel, werden aber nicht mehr bewohnt. Parque Temático da Madeira, +351/291570410 , Santana
Garten der Quinta Velha do Palheiro: Einer der schönsten Gärten Madeiras, neun Kilometer östlich von Funchal. Inselartig angelegte Areale mit zum Teil laubenartig überwachsenen Wegen. Eintritt: 10 Euro. Rua da Estalagem 23, São Gonçalo, Funchal, +351/291 790 350. casa-velha.com

AKTIVITÄTEN
Badespaß in Lavabecken: Die Lavabecken erhielten durch Wind- und Wellenkraft ihre poolartige Form. Porto Moniz an der Nordwestspitze der Insel.

INFOS: madeiratourism.com; puracomm.eu

ANREISE: TAP Portugal, Austrian Airlines
PAUSCHAL: u. a. mit Dertour, Kneissl Touristik, Ruefa, TUI

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2015)

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