Wenn Spitzmaulnashörner ins Okawango-Delta übersiedeln

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Spitzmaulnash�rner Diceros bicornis Kuh und Bulle in der N�he des beleuchteten Wasserlochs von Ok(c) imago/imagebroker (imago stock&people)
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Lichtblick Ökotourismus. Das Angebot an Reisen, die Rücksicht auf die Natur und Umwelt sowie die lokale Bevölkerung nehmen, wird immer größer.

Es geht auch anders: Statt Touristen großgruppenweise in die Bettenburgen des Mittelmeers und der Karibik zu fliegen, all inclusive dafür zu sorgen, dass Land und Leute überall so gleich aussehen wie das Essen schmeckt, setzen immer mehr Reiseanbieter auf Begegnungen und Hilfen für die Bereisten und deren Länder. Zum Beispiel der Steirer Christian Hlade, Geschäftsführer und Gründer von Weltweitwandern, der Anfang des Monats mit dem Josef-Krainer-Heimatpreis für soziales Engagement ausgezeichnet wurde. Eine halbe Million Euro hat Hlade heuer mit seinem Team an Spendengeldern für die Erdbebenhilfe in Nepal gesammelt und den Verein Weltweitwandern wirkt gegründet, der Hilfs-, Sozial- und Bildungsprojekte in Nepal, Marokko, Tansania, Indien und Europa organisiert.

Schon vor der Gründung des Vereins hat Hlade jahrelang Local Guides engagiert und sie zur Ausbildung und zum Erfahrungsaustausch nach Österreich eingeladen – ein Einsatz, für den Weltweitwandern mit dem österreichischen Staatspreis für Tourismus und dreimal mit dem Nachhaltigkeitspreis Trigos ausgezeichnet wurde. Gemeinsam mit seinem nepalesischen Partner, Sudama Karki, gibt Hlade rund 50 Waisenkindern in Sundarijal nahe Kathmandu ein Zuhause, weitere 40 Kinder werden durch das österreichische Engagement finanziell beim Schulbesuch unterstützt. Mit seinem Verständnis für einen Tourismus, der auf Begegnungen, Nachhaltigkeit, sozial und ökologisch vertretbares Reisen setzt, ist das Unternehmen nicht allein. Das Angebot an Reisen dieser Art wächst genauso schnell wie die Zahl der Auszeichnungen, mit denen die Unternehmen vor den Vorhang gebeten werden.

Zu den Pionieren auf diesem Gebiet gehört Wilderness-Safaris, heute einer der größten Safari-Anbieter Afrikas, der bereits in den 1980er-Jahren damit begonnen hat, sich zunächst für den Naturschutz, später auch für Menschen, die in und um die Camps leben, einzusetzen. Die beiden Guides Colin Bell and Chris McIntyre begannen 1983 in Botswana mobile Safaris samt Zeltcamps anzubieten und begriffen, dass Naturschutz im südlichen Afrika nur eine Chance hat, wenn das verdiente Geld den Bewohnern zugutekommt. Das Konzept ist wirtschaftlich aufgegangen, heute betreibt das südafrikanische Unternehmen in neun afrikanischen Ländern Camps und ist nach wie vor stark im Bereich Naturschutz und soziale Nachhaltigkeit verankert. Im Jahresbericht 2015 weist Wilderness eine 33-prozentige Steigerung der Mittel für den Natur- und Umweltschutz aus, allein in die Umrüstung der Camps auf Solarenergie wurden knapp 3,4 Millionen Euro investiert. In verschiedenen Projekten von Children in the Wilderness, einer Non-Profit-Tochter der Gruppe, werden 800 unterprivilegierte Kinder unterrichtet, ausgebildet und entwickeln dabei auch ein Bewusstsein für die Bedeutung des Naturschutzes.

Safari-Camp der Doro Nawas

Ein anderes Projekt ist die größte grenzüberschreitende Umsiedlung schwarzer Nashörner der Geschichte: Seit 15 Jahren werden bedrohte Spitzmaulnashörner aus Botswana, Südafrika und Simbabwe unter anderem in das Okawango-Delta überführt. Ein Pionierprojekt ist ein Safari-Camp im Westen Namibias, das als Joint Venture mit den 450 Mitgliedern der dort ansässigen Doro Nawas geführt wird, die 40 Prozent der Anteile am Camp halten, dort ausgebildet werden und fast das ganze Personal stellen.

Weltweitwandern und Wilderness-Safaris sind nur zwei Beispiele von Anbietern, die immer stärker auf einen ökologisch und sozial verträglichen Tourismus setzen. Zu den Grundsätzen des sanften Tourismus gehört, der Natur so wenig wie möglich zu schaden, sie möglichst intensiv und ursprünglich zu erleben und sich dabei der Kultur der Region so weit wie möglich anzupassen. Nachhaltig ist Tourismus nach den Definitionen der Welttourismusorganisation (UNWTO) dann, „wenn seine gegenwärtigen und zukünftigen ökonomischen, sozialen und ökologischen Auswirkungen vollumfänglich berücksichtigt und die Bedürfnisse der Besucher, der Industrie, der Umwelt und der Einheimischen einbezogen werden“. Wozu auch die Verhältnismäßigkeit von Anreise und Aufenthaltsdauer zählt, was sich im CO2-Ausstoß pro Aufenthaltstag ausdrückt. Was Flugreisen bei einer Aufenthaltsdauer von unter sieben Tagen – oder einer Entfernung von unter 700 Kilometern – ebenso wenig in diese Kategorie fallen lässt wie beispielsweise Heli-Skiing oder Jeeptouren durch die Wüste.

Wie vielfältig das Angebot an Reisen, die Rücksicht auf die unterschiedlichsten Belange nehmen, mittlerweile ist, zeigt ein Blick auf die jährlich verliehenen weltweiten Preise. So finden sich unter den Preisträgern der heurigen World Responsible Tourism Awards so unterschiedliche Anbieter wie die finnischen Hetta Huskies, die über 4000 Besucher pro Jahr auf ihrer Schlittenhundefarm beherbergen und für ihre Tierhaltung ausgezeichnet wurden, die marokkanische Atlas Kasbah Ecolodge, die die Juroren damit überzeugt hat, dass sie 81 Prozent ihres Geldes im Umkreis von 50 Kilometern ausgibt und zahlreiche Mitglieder der örtlichen Berber-Gemeinde beschäftigt, und die Honko Mangrove Conservation, die sich auf Madagaskar für den Ökotourismus und die nachhaltige Nutzung der Mangrovensümpfe einsetzt.

Auch bei den Tourism-for-Tomorrow-Awards des World Travel & Tourism Council wird die Bandbreite deutlich: Ljubljana wurde Grüne Hauptstadt 2016; mit dem Green-Leaders-Programm macht Tripadvisor ökologisch engagierte Hotels kenntlich; und die spanische Ilunion-Hotelgruppe, die überdurchschnittlich viele Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen schafft, belegte den ersten Platz in der Kategorie Menschen. Durchwegs Lichtblicke also. (sma)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2015)

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