Kreuzfahrt: Die Jachten werden größer

Innovativ. Pepper, ein humanoider Roboter, serviciert auf Costa-Schiffen wie der Diadema die Gäste und kann sogar Emotionen erkennen.
Innovativ. Pepper, ein humanoider Roboter, serviciert auf Costa-Schiffen wie der Diadema die Gäste und kann sogar Emotionen erkennen.(c) Costa Crociere
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Trends 2016: Die Kreuzfahrt wird internationaler, digitaler, innovativer und „megajachtiger“.

Ist das der neue Fertigstellungstermin?“, fragte ein Gast der Hamburger Cruise Days im September und deutete auf die Flagge „Aida 2024“. Nein, lautete die empörte Antwort. Aida wirbt für Hamburg als Olympiastadt. Tempi passati, die Olympia-Bewerbung ist dahin, nur die neue Aida prima, die soll nun endlich kommen: im April 2016. Redet man in diesem Zusammenhang von den Big Three, meint man inzwischen die „Never Ending Stories“ von Elbphilharmonie, Hauptstadtflughafen und dem Vorzeige-Kussmaul-Cruiser, der allerdings, wenn er denn da ist, für die Rostocker Deutschland-Zentrale des weltgrößten Kreuzfahrtkonzerns Carnival einen Quantensprung bedeuten wird. Der Clou der Neukonstruktion liegt darin, dass man mit diesem „Indoor-Schiff“, bei dem sogar die Sonnendecks unter einer UV-durchlässigen Folie jene wohlige Wärme versprechen, die draußen vielleicht gar nicht herrscht, ganzjährig Reisen ab Hamburg anbieten kann – dieses „Home Cruising“ haben die auf ihre eigenen Abfahrtshäfen konzentrierten Deutschen am liebsten.

Köstlich. Für Costa  Crociere entwickelte Sieben-Michelin-Sternekoch Bruno Barbieri ein Galamenü für ­Genießer und Gourmets.
Köstlich. Für Costa Crociere entwickelte Sieben-Michelin-Sternekoch Bruno Barbieri ein Galamenü für ­Genießer und Gourmets.(c) Costa Crociere

China goes cruising! An Neubauaufträgen herrscht kein Mangel, und nach der üblen Aida-Erfahrung mit einer japanischen Werft dürften sie sich auf Europa fokussieren, wo die Familie Meyer aus Papenburg an der Ems gerade einen weiteren Werftstandort im finnischen Turku hinzuerworben hat. Endlich hat man keine Größenbeschränkung mehr – und kann den deutschen Behörden mit Abwanderung gen Norden drohen, wenn ihnen die Aufstauungen der Ems oder die Verlegung des Firmensitzes nach Luxemburg nicht passen. 52 Schiffsneubauten liegen bei Meyer und in den anderen großen Werften auf Kiel oder sind in den Auftragsbüchern schon fixiert. Berücksichtigt sind dabei auch die Bedürfnisse eines aufsteigenden Boom-Marktes, der bisher nur zur Verwertung von Alttonnage animiert wurde – nun scheint der vorsichtig gelegte Sprengsatz, der einen Milliardenmarkt (Milliarden Menschen, nicht Dollars!) entfesseln sollte, mit Wucht zu explodieren: China goes crusing! Vorbei die Zeiten, als man sich darüber freute, Schiffe ohne Balkone dort platzieren zu können, wo helle Haut chic ist und die Sonne gemieden wird: Royal Caribbean entsendet seine größten, neuesten Schiffe ins Gelbe Meer, während jenseits der Küste Benimmkurse laufen, um reisende Chinesen gesellschaftstauglich zu machen. Und der bisherige Aida-Chef Michael Ungerer, ein Österreicher, hat gar seinen Wohnsitz ins Reich der Mitte verlegt, nachdem er nun für die dortige Marktentwicklung zuständig ist.

Expeditionscruiser. Bezeichnend ist, dass kein kleineres Schiff der Mittelklasse auf Kiel liegt. Die Schere öffnet sich. Sie macht Platz für den Massenmarkt auf der einen und den kleinen, feinen und teuren Markt auf der anderen Seite. Crystal Cruises, ein japanischer Konzern, der bislang mit nur zwei Hochseeschiffen ein Produkt vertrat, das viele erfahrene Reisende als das beste der Welt empfanden, erneuert die großen Schiffe, baut kleine Expeditionscruiser hinzu, kündigt eigene Maschinen für Kreuzflüge an und will zudem das Flusssegment in Europa erobern. Der erste Wurf ist schon gelungen: Die Mozart, seit 30 Jahren auf der Donau zu Hause, immer noch luxuriös und gerade mit Balkonkabinen ausgestattet, die seit der Pleite ihrer Heimatreederei Deilmann ein wenig planlos umherirrte, macht den Auftakt. Und da Bauplätze für so viele Schiffsjungfern knapp sind, hat der Mutterkonzern auch gleich die Mehrheit an der Bremerhavener Lloyd-Werft übernommen – so kann beim Verschachern der Baudocks nichts mehr dazwischenkommen. Mitbewerber Regent Seven Seas plant kleiner und doch größer: Nach 13-jähriger Abstinenz soll nun die Seven Seas Explorer kommen. Wer hinter dem Namen ein kleines Entdeckerschiff vermutet, der irrt: Sie toppt die bisherigen Flottenmitglieder an Größe und wird Suiten mit bis zu 360 Quadratmetern anbieten.

Pepper, der Roboter. Costa, das italienische Pendant zu Aida, wobei beide Reedereien von Genua aus gesteuert werden, bietet Service ganz neuer Art: Pepper, ein 1,20 Meter großer Roboter, wird ihn übernehmen. Der erste humanoide Roboter der Welt ist imstande, die wichtigsten Emotionen zu erkennen, seine Umwelt zu berücksichtigen und proaktiv zu handeln. Er hat Tipps für Restaurantbesuche, Landgänge und Bordereignisse drauf – in drei Sprachen. Vorbei die Zeit, als man um Arbeitsverträge und Urlaubstage feilschen musste, denn das ist bei dem neuen Mitarbeiter, der die Gefühlsregungen seines Gegenübers erkennen kann, nicht programmiert.

Italiener sind notorische und professionelle Genießer, speziell kulinarisch – Costa engagierte daher Starkoch Bruno Barbieri, den mit sieben Michelin-Sternen höchstdekorierten Koch Italiens. Barbieri entwickelte für die Italo-Reederei ein Galamenü für Genießer und Gourmets, das traditionelle Rezepte neu interpretiert und 2016 an Bord aller Costa-Schiffe serviert wird.

Das Dilemma mit Ultraluxus. Jachtanbieter Seabourn setzt hingegen auf menschliches Service, denn die für Ende 2016 geplante Seabourn Encore wird nicht entscheidend größer sein als ihre Vorgängerinnen, jedoch mit einem „Service-Index“ von sagenhaften eins zu eins für jeden Passagier ein Besatzungsmitglied an Bord haben. Doch ein Trend ist auch hier abzulesen: Jachten wachsen. Sie werden größer, als es früher die Ocean Liner waren. Hapag-Lloyds „Europa“ von 1982 galt mit einer Tonnage von 37.000 BRT als verschwenderisch, heute kommt eine sogenannte Jacht locker aufs Anderthalbfache.

Wer Ultraluxus anbieten will, steht vor einem Dilemma: Auch Jachtreisende wünschen sich Restaurantauswahl, einen veritablen Spabereich und eine fulminante Abendshow. Das wird auf Schiffen mit nur 200 Betten unbezahlbar, also muss der Begriff Jacht neu definiert werden. Mikael Krafft, blonder Schwede im monegassischen Steuerexil, fügt seinen Star Clippers und dem Royal Clipper die Krönung seines Lebenswerks hinzu: Auf einer kroatischen Werft entsteht gerade ein modifizierter Nachbau der France II von 1912, dem weltweit größten Fünfmaster. 2017 soll der größte Passagiersegler aller Zeiten auf Fahrt gehen.

Neue Schiffe im Zehnerpack. Über all das können die Granden der Salzwasserbranche nur lächeln, machen sich doch die Beträge, um die es hier geht, für sie aus wie ein Monopoly-Spielfeld, auf dem ein paar Spinner sich ihre Langeweile vertreiben. Während Viking River Cruises seine neuen Flussschiffe bereits im Zehnerpack tauft, weil man sonst nicht mehr nachkommt, werden die Neubauten in der neu geschaffenen Hochseesparte noch einzeln gefeiert – einer ist schon da und überzeugt durch das gleiche klare, helle, skandinavische Designkonzept, das man von den Flüssen kennt, Nummer zwei kommt 2016, zwei weitere folgen nach. Auch bei TUI Cruises, wo die Mein Schiff 5 und 6 bestellt, Nummer 7 und 8 bereits durchgeplant sind, überraschen die Neulinge allenfalls noch durch Farbdetails und eine neue Bar.

Royal Caribbean darf mit der Harmony of the Seas ein weiteres Mal der Welt größtes Kreuzfahrtschiff ankündigen, freilich auch nicht mehr als die Vorgängerinnen Oasis und Allure of the Seas, die der Werbewirksamkeit wegen noch einmal um einen oder zwei Meter gestreckt wurden. Die Mitbewerberin unter den Giganten, Platzhirsch Carnival Cruises, freut sich über eine Carnival Vista, die europäische Tochter Holland America Line über eine Koningsdam.

Da zählt bei Costa trotz des neuen Service-Roboters dann doch der Faktor Mensch. Dafür wurde die neue Costa Diadema, die im November ihren ersten Geburtstag feierte, vom Hamburger „Kreuzfahrt-Guide“ als bestes Schiff für Familienreisen ausgezeichnet. „Kinder- und Familienfreundlichkeit sind Teil der DNA dieser Reederei“, befand die Jury. Mit der Unterzeichnung des Mailänder Protokolls für nachhaltige Lebensmittel und Ernährung setzt die Flotte mit den gelben Schornsteinen noch eins drauf, wenn es um den Rückgewinn von Individualität, um den Respekt vor Mensch und Natur geht.

Das Traumschiff ruft. Den Nerv deutschsprachiger Traditionskreuzfahrer trifft Phoenix Reisen mit seinen auffällig türkisfarbenen und auffällig ausgebuchten Schiffen mittlerer Größe: Neben dem neuen TV-Traumschiff Amadea wird in der Flotte die nächsten fünf Sommer auch deren Vorgängerin, die Deutschland, mitschwimmen, ausgeliehen aus ihrer neuen Aufgabe als Universitätsschiff. Dabei wird vor dem ersten Einsatz im Sommer 2016 für zum Teil schon ausgebuchte Reisen noch investiert: Zwei Decks werden mit französischen Balkonen ausgestattet. The sophisticated passenger nutzt sie, um aus seinem rot schimmernden Plüschgemach mit Stuck und Messingleisten den Riesenschiffen zuzuwinken, die er niemals buchen würde.

Tipps

Ruefa Seetour Austria präsentiert 2016 drei Kataloge für den Kreuzfahrtsektor: „Seetour Austria“, „Exklusive Seereisen“ und „Flusskreuzfahrten“ ( 29 Reedereien, mehr als 180 Schiffe). Der Fokus liegt auf individuell perfekten Kreuzfahrten: von der entspannten „Slow Cruise“ und „Yachting“ über neue „Adults only“ bis zu Flusskreuzfahrten. Karibik. ruefa.at/onlinebuchen/kreuzfahrten

Autor Oliver Schmidt, Chefredakteur des „Schiffsreisen-Magazins“, liefert mit seinem „Kreuzfahrt-Guide“ einen gelungenen Überblick über die Cruising-Angebote 2016. Koehler Verlag, 15,95 €.

Info

Costa Kreuzfahrten
Kraußstraße 10/2, 4020 Linz; 0732/335377
Ferienmessestand A0631
costakreuzfahrten.at

Ruefa Seetour Austria
Ferienmessestand A0101
ruefa.at

Hapag-Lloyd
c/o Jumbo Touristik
Rennweg 46–50, 1030 Wien, 01/514 45-0
Ferienmessestand A0101
hlkf.de

(c) Koehler Verlag

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